Nordkorea Inside: Schweizer Unternehmer zerstört Lügenmedien-Blase 

Interview mit dem Schweizer Unternehmer Felix Abt - Im "Reich des vermeintlich Bösen"

Der Schweizer Felix Abt hat als erster Ausländer sieben Jahre in Nordkorea gelebt und gearbeitet. Der Pharmaunternehmer hat trotz Sanktionen zu einem gewissen Wirtschaftsaustausch zwischen Europa und Nordkorea beigetragen. Abt kritisiert das Embargo des Westens und geht nicht davon aus, dass Nordkorea einseitig einen Krieg beginnen würde.

Herr Abt, wie kam es dazu, dass Sie in Nordkorea arbeiten durften und gab es noch weitere Unternehmer aus dem Westen?

Wir waren zwölf in Nordkorea lebende Ausländer, welche 2005 die European Business Association in Pyongyang gründeten. Das war die erste ausländische Handelskammer in Nordkorea überhaupt. Später haben dann auch chinesische Geschäftsleute eine chinesische Handelskammer ins Leben gerufen. Die europäische Handelskammer hatte über viele Jahre auf internationalen Ausstellungen in Pyongyang einen Messestand und half europäischen Firmen, in Nordkorea Fuß zu fassen, und nordkoreanischen Firmen, in Europa Geschäftspartner zu finden.

Wir waren damals gewissermaßen die Brückenbauer zwischen Europa und Nordkorea. Sowohl größere europäische Konzerne wie auch kleinere Unternehmen haben aber im Verlauf der Jahre ihr Interesse an Nordkorea verloren, weil sie fürchteten, dass sie für ein bescheidenes Engagement in Nordkorea mit dem Verlust größerer Märkte im Westen büßen müssten. Inzwischen hat diese Handelskammer ihre Aktivitäten eingestellt und es gibt keine permanent residierenden europäischen Geschäftsleute mehr dort. Die chinesische Handelskammer besteht aber weiter.

Nordkorea ist mit schweren Sanktionen belegt durch die westliche Welt. Hat das Ihre Arbeit eingeschränkt?

Ja. Italienische Salami, französischer Käse, Schweizer Uhren, österreichische Skilifte, gebrauchte Mercedes-Autos, amerikanische Lippenstifte und vieles mehr sind – ohne Witz! – von der UNO als verbotene Güter für Nordkoreaner gebrandmarkt worden. Wenn ich also nordkoreanischen Restaurants Billardtuche aus der Schweiz verkaufe, riskiere ich, verhaftet werden, weil das illegal ist. Noch schlimmer aber ist es, dass die Einfuhr sogenannter „Dual use“-Produkte, das heißt Güter, die sowohl für militärische und zivile Zwecke verwendet werden können, auch verboten ist. Wenn Sie also zum Beispiel Hersteller von Arzneimitteln sind –und ich war so einer – oder von Nahrungsmitteln, dann dürfen sie aber nicht gleichzeitig ein mikrobiologisches Labor betreiben, das sie brauchen, um sicher zu stellen, dass Fertigung und Erzeugnisse keimfrei sind. Selbstverständlich haben im Westen die Pharmaunternehmen und Lebensmittelproduzenten solche Labors. Das heißt, der Westen gönnt sich den „Luxus“ wirksame und sichere Arzneimittel oder gesunde Nahrungsmittel für die Bevölkerung zuzulassen – etwas, das er aber der nordkoreanischen Bevölkerung verweigert.

Inwieweit beeinträchtigen die Sanktionen den Staat, aber auch das Leben der einfachen Menschen?

Die UNO hat in diesem Jahr auf amerikanisches Betreiben den Export der wichtigsten Güter Nordkoreas – Metalle, Mineralien und Kohle – verboten. Wenn China, der bei weitem wichtigste Handelspartner, dieses Embargo vollständig durchsetzt, dann verliert Nordkorea über Nacht fast das ganze Einkommen in Devisen. Ohne Devisen kann es nichts mehr einführen. Das würde der Wirtschaft und den unzähligen Nordkoreanern, welche vom Handel importierter Güter leben, einen schweren Schlag versetzen. Die in den letzten Jahren gewachsene Wirtschaft würde deutlich schrumpfen und es könnten wieder Hungersnöte wie in den 90er Jahren auftreten.

Wie schätzen Sie den Lebensstandard in Nordkorea ein? Wie muss man sich das Leben dort vorstellen?

Der Lebensstandard hat sich in den letzten fünfzehn Jahren stark verbessert, nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch auf dem Lande. Reformen haben dazu beigetragen: Bauern dürfen jetzt einen Teil ihrer Güter auf Märkten verkaufen und die Gewinne für sich behalten. Im ganzen Land hat sich ein unternehmerischer Mittelstand entwickelt. Märkte und Läden sind gut versorgt. Es entstehen immer mehr Restaurants und inzwischen gibt es in den Städten die ersten Verkehrsstaus. 

Fühlen sich die Menschen in Nordkorea unterdrückt und eingesperrt, wie wir uns das hier im Westen vorstellen?

Gemäß einer UNO-Untersuchungskommission sind etwa 0,5 Prozent der Nordkoreaner in Lagern eingesperrt. Gewöhnliche Bürger, die einen normalen Alltag führen und das politische System nicht herausfordern, sind davon aber nicht betroffen. Meine Mitarbeiter in Nordkorea waren im Großen und Ganzen wie meine Mitarbeiter in andern Ländern, wo ich gearbeitet hatte. Vielleicht erzählten sie sogar noch mehr Witze. Diejenigen, welche Enkelkinder hatten, waren wohl noch stolzere Großeltern als ich das anderswo erlebt habe. Sie waren sicher die fleißigsten aller Mitarbeiter, die ich je hatte. Und Mütter, deren Kinder es geschafft haben, in gute Schulen aufgenommen zu werden, haben Kuchen ins Büro gebracht. Und andere, deren Kinder es nicht geschafft haben, haben geweint. Wie überall in Büros rund um den Globus wurde in den Pausen viel getratscht, über Sport, Mode und sogar über untreue Ehemänner.

  • Felix Abt (in weißer Jacke) mit seinen Mitarbeitern bei einem Ausflug
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  • Interview dem koreanischen Fernsehen
 
 

Und Sie persönlich, haben Sie sich überwacht gefühlt?

Ach wissen Sie, natürlich hatte die Stasi ein Auge auf mich. Die wussten aber genau, dass ich mich noch nie in die Politik eines Gastlandes eingemischt habe. Als es während eines Telefongespräches wieder mal knackte, sagte ich, „Alle Zuhörer sind herzlich willkommen!“ und dann hörte ich ein Kichern im Hintergrund. Das fand ich sympathischer, als wenn uns die NSA abhört, die es viel systematischer, umfassender und emotionslos macht.

Haben sich während Ihres Aufenthaltes in Nordkorea oder danach Geheimdienste an Sie gewandt?

Ich habe mich gewundert, warum ich während meines Aufenthaltes nie von Geheimdiensten kontaktiert wurde. Ich hatte aber immer klar signalisiert, dass ich für keine Regierung arbeiten würde. Ich wollte mich und die Leute, mit denen ich zusammenarbeitete, auch nicht in Gefahr bringen. Erst nach meinem Aufenthalt wurde ich von Geheimdienstlern angegangen, aber umsonst!

Waren Sie, nachdem Sie das Land verlassen haben, noch einmal da bzw. haben Sie noch Kontakt nach Nordkorea?

Ja, ich habe das Land wiederholt besucht und pflege noch ein paar Kontakte. Ich bin aber dabei, meine finanziellen Beteiligungen an nordkoreanischen Gemeinschaftsunternehmen abzubauen.

Alle Welt redet wieder von Nordkoreas Atomprogramm. Wie schätzen Sie dieses ein und sehen Sie auch die reelle Gefahr eines Krieges?

Nordkorea hat genau beobachtet, was im Irak und Libyen passierte, als diese Länder über keine Massenvernichtungswaffen mehr verfügten. Saddam und Gaddafi hatten nichts mehr, um den Westen davor abzuschrecken, gegen sie Krieg zu führen. Die nordkoreanische Führung wird Atomwaffen nicht aufgeben, damit ihr nicht das gleiche Schicksal blüht. Sie wird  Atomwaffen aber sicher nicht zuerst einsetzen, weil das mit Sicherheit ihr Ende bedeuten würde.

Wie schätzen Sie das diplomatische Vorgehen der Trump-Administration in Bezug auf Nordkorea ein?

Wenn es der Trump-Administration wirklich daran gelegen ist, den fast 70-jährigen Koreakrieg mit einem Friedensvertrag, wie ihn Nordkorea schon seit langem will, zu beenden und die Beziehungen zu normalisieren, so kommt sie nicht darum herum, auch auf Nordkoreas Sicherheitsbedürfnisse einzugehen.

Ein Kompromiss wäre wohl, dass Nordkorea das Herstellen weiterer Atomwaffen einstellt, aber einige der bestehenden behalten dürfte. Auch würde das am besten im Rahmen eines regionalen Sicherheitspaktes geregelt, den auch Nachbarstaaten mittragen müssten.

Es gab ja schon einmal einen Krieg zwischen den USA und Korea, was viele jüngere Menschen ja gar nicht wissen.

Ja, darum wird dieser Krieg oft auch der „vergessene Krieg“ genannt. Der amerikanische General MacArthur befahl seinen Bomberpiloten, jede Stadt, mit Ausnahme einer Stadt an Chinas Grenze, jedes Dorf, jede Fabrik und öffentliche Infrastrukturen zu zerstören. Sie haben gründliche Arbeit geleistet und das ganze Land mit Napalm niedergebrannt. Selbst Staudämme wurden zerstört und dadurch Reisfelder überflutet und Hungersnöte ausgelöst. Weil die Nordkoreaner genau wissen, wie viel Zerstörung und Leid ein Krieg verursacht, wollen sie keinen Korea-Krieg II.

Was müsste sich ändern, dass Nordkorea wieder Teil der Weltgemeinschaft wird?

Statt das Land mit Sanktionen zu strangulieren, sollte man mit ihm auf vielfältige Weise Kontakte pflegen. Nur wenn man vor Ort ist, kann man die Absichten der Nordkoreaner kennen und die Dinge zum besseren beeinflussen. Ausländer, die es mit Nordkoreanern zu tun haben, konfrontieren sie mit neuen Ideen, welche diese zwar hinterfragen, aber oft auch annehmen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.