10 Jahre Linke: Zwischen Fundamentalopposition und Systemkonformität - Wird die Linke käuflich oder behält sie ihre Identität als systemüberwindende Kraft?

2000 Beschäftigte, 228 Abgeordnete, ca. 65 Mio. €uro Einnahmen inkl. RLS- Stiftung

Am 16. Juni 2017 jährt sich die Gründung der Partei Die Linke zum zehnten Mal. Zweijährigen Verhandlungen von Funktionsträgern beider Parteien folgten getrennte Parteitage von PDS und der »Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit« (WASG) sowie anschließend der Verschmelzungsparteitag in Berlin. Beide hatten bereits am 18. September 2005 unter dem Namen Linkspartei.PDS und den Spitzenkandidaten Gregor Gysi und Oskar Lafontaine an den vorgezogenen Bundestagswahlen teilgenommen und 8,7 Prozent der Zweitstimmen erhalten.

Schon vorher hatte der niedersächische Linkspolitiker Manfred Sohn bezug auf Illusionen in den Parlamentarismus und die neu zu gründende Partei  2007 im "Ossietzky" relativierend festgestellt, dass diese Partei in Parlamenten im Kapitalismus niemals der Nabel der Welt werden könne. 

Ein längst verstorbener politischer Denker aus Westdeutschland war erst 25 Jahre alt, da wußte er schon: »Die gesetzgebende Gewalt macht das Gesetz nicht, sie entdeckt und formuliert es nur.« (Karl Marx, Kritik des Hegelschen Staatsrechts, in: MEW 1, S. 260). Wenn das weiterhin richtig ist – nichts spricht dagegen –, dann steht die Bescheidenheit dieser neuen Organisation ungewollt schon im Paragraphen 1 ihrer Satzung, die für die neue Partei als Daseinsbestimmung definiert: »Sie hat den Zweck, insbesondere durch die Teilnahme an Wahlen auf allen politischen Ebenen an der politischen Willensbildung im Sinne ihres Programms mitzuwirken.« Demnach sind die Parlamente aller Ebenen die Hauptbetätigungsfelder dieser Partei – dort aber, das wissen Marxisten, werden die Gesetze, die das Leben eines Volkes regeln, nicht gemacht, sondern eben nur in Formulierungen gegossen. Gemacht werden die Gesetze im politischen Ringen außerhalb der Parlamente. Der zweite Rang ist kein schlechter Platz, aber klar muß sein: Wenn Marx recht hat, ist die neue Partei für die Gestaltung dieses Landes zweitrangig.

Vor Häme sei allerdings gewarnt. Denn daß die Partei nicht so wichtig ist wie die sie tragende Bewegung, bürdet allen Linken außerhalb der Parteigliederungen eben die entscheidende Verantwortung auf: für die Bewegung zu sorgen, die dann – hoffentlich – in dieser Partei ihren parlamentarischen Arm findet. Und mit Marx, der damals in einem Alter war, das gemeinhin als ungeduldig gilt, sei auch davor gewarnt, vom neuen Jahr Wunder zu erwarten: »Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen.« (Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, MEW 1, S. 386).http://www.sopos.org/aufsaetze/45eab1e4a4b27/1.phtml

Vorher hatte Gregor Gysi als letzter Chef der SED der DDR die SED als PDS-SED bewußt in den Westen rübergerettet. Das bleibt das große Verdienst von Gregor Gysi. Er widersprach später auch Bodo Ramelow, der die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet hate. Immerhin war Gysis vater SED Minister und er selber war quasi Chef der Anwaltskammer der DDR und damit Teil des DDR Systems.  

Natürlich ging es dabei wie auch bei einem späteren Vergleich mit Behörden der Bundesrepublik darum, DDR Eigentum der SED in den Westen zu retten . Dazu gehörte vor allem das Karl- Liebknecht Haus  in Berlin, dass schon als Parteizentrale der KPD in Weimar diente - aber auch das Verlagshaus des "Neuen Deutschland"  in zentraler Lage der Hauptstadt und ein DDR-SED-Ferienhaus und auch Bargeldvermögen der SED.  

Die SED war wiederum ein Zusammenschluß der KPD mit der SPD in der ehemaligen DDR  - unter Führung der KPD.

Und auch heute noch beruft sich die Linkspartei auf die KPD Gründer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von 1919, die vorher auch dem Spartakusbund angehört hatten und sich 1919 als erste KPD Vorsitzende bei der Neugründung der Linken endgültig und nachhaltig von der SPD distanziert und abgespalten hatte. Die Linke ist also eine Abspaltung der Sozialdemokratie - wie die Bolschewiki in Rußland, die als Vorbild für die Entwicklung hierzulande angesehen wurden, nachdem die SPD die Kriegskredite für Kaiser und imperialistische Kriege des Globalkapitalismus im Parlament zugestimmt hatte und sich damit endgültig auf die Basis der neoliberalen Grundordnung  gestellt hatte, die durch die bürgerliche Weimarer Verfassung und durch die erste SPD Regierung in Weimar zementiert  worden war. Gleichzeitig  tötete die SPD Linke oder duldete die Ermordung wie im Fall der Linken- Führer Liebknecht und Luxemburg durch Freikorps, die sich vor dem Mord  mit der SPD Regierung Ebert rückversichert hatten.  

Die Linke setzte auf Basisdemokratie  und Räteherrschaft statt bürgerlich -parlamentarischer Stände - Demokratie und auf Vergesellschaftung sprich Sozialismus. Damit waren die Positionen von marktwirtschaftlich orientierter SPD und Linken fortan grundverschieden und sogar diametral entgegengesetzt - bis heute.  

Die PDS war offensichtlich nicht die Organisation, die von denjenigen, die zur Gegenwehr gegen die Agenda 2010 bereit waren, in der Mehrheit als ihre Partei anerkannt wurde. Hervorgegangen aus der SED hatten sich in ihr Intellektuelle, Wissenschaftler und politische Funktionsträger aus der DDR zusammen mit »Altlinken« aus Westdeutschland an die Spitze gestellt.

Die PDS hatte sich in den 1990er Jahren viel Anerkennung als eine Partei erworben, die entschieden für ostdeutsche Interessen eintrat. Sie kämpfte im Bundestag, in den ostdeutschen Landtagen und außerparlamentarisch gegen Deindustrialisierung, gegen die Abwicklung des öffentlichen Dienstes der DDR, gegen die Diffamierung des sozialistischen Staates und gegen den Bereicherungsfeldzug der westdeutschen Banken und Konzerne auf Kosten der ostdeutschen Eigentümer. Mit dem Einzug der PDS 1990 in den Bundestag gab es dort wieder eine Partei, die den gesellschaftlichen Klassenantagonismus thematisierte und sich auf die Seite der Lohnarbeiter gegen das Kapital stellte. In den 1990er Jahren profilierte sie sich im Bundestag als einzige Antikriegspartei, die gegen den Jugoslawien-Krieg und die Auslandseinsätze der Bundeswehr in aller Welt opponierte.

Im Vorfeld der Intensivierung der neoliberalen Kapitaloffensive unter Gerhard Schröder während dessen zweiter Kanzlerschaft war die linke politische Strahlkraft der PDS verblasst. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre sah sie sich zunehmend als Regierungspartei im Wartestand.

Unter Roland Claus tolerierte sie in Sachsen-Anhalt eine rot-grüne bzw. eine SPD-Minderheitsregierung. Von 1998 an regierte sie in Mecklenburg-Vorpommern mit. Nach dem Wahlergebnis von 22,6 Prozent bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 21. Oktober 2001 schloss sie am 17. Januar 2002 mit Klaus Wowereit eine Koalitionsvereinbarung ab, in der sich die unterzeichnenden Parteien zur NATO und zur »westliche(n) Wertegemeinschaft« bekannten und von den »Unrechtstaten der DDR« sprachen. Bei der Bundestagswahl im September 2002 erhielt sie in Berlin noch 11,3 Prozent der Zweitstimmen, im Bundesgebiet insgesamt vier Prozent.

Auf dem Münsteraner Parteitag im April 2000 hatte die Parteiführung der PDS vergeblich versucht, eine Einzelfallprüfung bei UN-mandatierten Auslandseinsätzen der Bundeswehr durchzusetzen. Eine innerparteiliche Opposition bereitete den »Reformlinken« dann zweieinhalb Jahre später im Oktober 2002 auf dem Geraer Parteitag eine sichtbare Niederlage, als sie Gabriele Zimmer zur Parteivorsitzenden wählte und Dietmar Bartsch ablehnte. Aber schon im Juni 2003 wurde Zimmer von Lothar Bisky abgelöst. Einige Monate später entsorgte die PDS mit dem Chemnitzer Programm den Marxismus zwischenzeitlich.

Nicht PDS-Oppositionelle, sondern die gesellschaftlichen Bewegung gegen Hartz IV erzwangen eine Revitalisierung der Linken als Partei Die Linke. Deren Gründung war nicht schlechthin eine Sache von Absprachen zwischen den Führungen von PDS und WASG, sondern das Ergebnis eines großen, wenn auch letztlich erfolglosen Klassenkampfes von unten gegen die Agenda 2010.

Mit der Vereinigung von PDS und WASG entstand eine gesamtdeutsche Partei. Sie erhielt in Westdeutschland (auch in Westberlin) bei Bundestagswahlen und bei zahlreichen Landtagswahlen mehr als fünf Prozent der Stimmen und vereinigte in ihren Reihen im Westteil des Landes deutlich mehr linke Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Bewegungsaktivisten als die PDS.

Die neu entstandene Partei korrigierte die 2003 auf dem Chemnitzer Parteitag beschlossene Linie, legte 2011 mit dem Erfurter Programm eine taugliche Lageanalyse des gegenwärtigen Kapitalismus vor und bekannte sich zu einer Reihe von marxistischen Grundsätzen. Sie bezeichnete sich als Partei, die »für einen Systemwechsel« kämpft. Damit verlor der ehemalige Mehrheitsflügel der »Reformlinken« in der PDS zunächst an Einfluss.

Die Partei Die Linke verstand es, sich mit ihrer Programmatik, ihrem Personal sowie mit ihren an den Interessen der abhängig Arbeitenden ausgerichteten sozialen und politischen Forderungen als glaubhafte linke Wahlalternative gegen das neoliberale Parteienkartell zu etablieren.

Sie fand Anerkennung als Friedenspartei, als Protestpartei, als Partei der Prekarisierten, als antikapitalistische und systemverändernde Partei sowie als Antiprivatisierungspartei. Sie verlor überall dort an politischer Glaubwürdigkeit und politischer Stärke, wo sie ihre Grundsätze zur Disposition stellte und sich als Regierungspartei an der neoliberalen Politik beteiligte.

Der PDS gehörten am Tage des Zusammenschlusses 63.385 Mitglieder an (davon in den westdeutschen Bundesländern etwa 5.700); die WASG hatte 10.500 Mitglieder. Bis 2009 wuchs die Zahl der Genossinnen und Genossen der Partei Die Linke auf 78.066. Danach verringerte sie sich. 2016 hatte sie noch 58.910 Mitglieder.

Nicht nur die Mitgliederentwicklung, auch die Wahlerfolge der Partei erreichten 2009 ihren Höhepunkt. Bei der Bundestagswahl votierten 5,2 Millionen Wähler für Die Linke. Das waren gut eine Million Stimmen mehr als 2005 und etwa drei Millionen mehr als 2002. Während die PDS bei der Bundestagswahl 2002 1,1 Prozent ihrer Stimmen in den westdeutschen Ländern erhalten hatte, waren es 2009 8,3 Prozent.

Von 2001 bis 2011 hatte die Linke in Berlin mitregiert und da beispielsweise auch der Privatisierung von Genossenschaftswohnungen zugunsten von US- Finanzspekulanten zugestimmt. Heute sind auch in Folge dieser fatalen Privatisierungspolitik die Mieten für viele Berliner unbezahlbar geworden. Die Gentrifizierung und die  Verdrängung der Einheimischen schreitet voran. 

Diesmal wollte sie bei der neuerlichen  rot-rot-grünen Regierungskoalition in Berlin alles besser machen und wieder hat sie unter dem Rechtsreformer Lederer der Privatisierung der Autobahnen durch die ÖPP- Hintertür im Bundesrat zugestimmt. Das Missachten des Linksparteiprogramms in Landesregierungen durch linke Politiker und insbesondere durch Minister in der Regierung scheint System zu haben.  

In Ostdeutschland erzielte sie in Sachsen-Anhalt mit 32,4 Prozent ihr bestes Ergebnis, in Westdeutschland mit 21,2 Prozent im Saarland, aber selbst in Bayern bekam sie 6,5 Prozent der Zweitstimmen. 25 Prozent der Erwerbslosen, 18 bzw. zwölf Prozent der Arbeiter und Angestellten wählten die Partei.

Bei der Bundestagswahl 2013 fiel sie dann auf 3,8 Millionen Zweitstimmen und 8,6 Prozent zurück. Ihr Anteil unter den Arbeitern und Angestellten verringerte sich auf zwölf bzw. sieben Prozent.

Die große Erfolgsstory der Linken währte so nur wenige Jahre. Es war vor allem eine westdeutsche Erfolgsgeschichte. Im Osten ging ihr Stimmenanteil bei Landtagswahlen (außer in Thüringen 2009 und 2014 sowie in Berlin 2016) kontinuierlich zurück. Die heutige Krise der Partei ist vor allem eine Krise der ostdeutschen Landesverbände.

Im Jahre 2009 trat Die Linke in die brandenburgische Landesregierung ein. In den Jahren 2014 bis 2016 orientierte sie dann im Vorfeld aller ostdeutschen Landtagswahlen überall auf »die Übernahme von Regierungsverantwortung« zusammen mit SPD und Bündnisgrünen zwecks Erreichung eines »politischen Richtungswechsels« gegen die neoliberale Politik. Regierungen unter Einschluss der Partei kamen in Thüringen und Berlin zustande. Den in den Wahlkämpfen versprochenen Richtungswechsel gab es indes nirgends. In den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern orientierte Die Linke gleichfalls aufs Mitregieren, konnte aber im Gegensatz zu Thüringen damit keine Wählerinnen und Wähler motivieren.

Innerhalb der Partei Die Linke ist es im Zusammenhang mit den praktischen Erfahrungen als Regierungspartei und ihren damit zusammenhängenden Wahlniederlagen zu keiner ernsthaften kritischen Debatte gekommen. Auf keinem Bundes- und keinem Landesparteitag legten Vorstände eine Bilanz der Erfahrungen, der Erfolge und Misserfolge vor. Die Wählerverluste wurden ohne große Diskussionen hingenommen. Auch der Bundesvorstand legte keine Bilanz der Regierungstätigkeiten vor.

Seit dem 5. Dezember 2014 steht Bodo Ramelow als Ministerpräsident der Thüringer Landesregierung vor. Die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow versprach, das werde ein »Meilenstein linker Politik«1. Tatsächlich ist diese Regierung ein besonders drastisches Beispiel dafür geworden, dass nach vollmundigen Ankündigungen der politische Richtungswechsel ausgeblieben ist, darob aber beredtes Schweigen herrscht. Es zeigte sich erneut, dass die Gestaltungsmöglichkeiten von den gegebenen ökonomischen, politischen und rechtlichen Verhältnisse beschränkt werden, mithin für linke Politik sehr wenig Spielraum besteht.

Zweieinhalb Jahre Regierungszeit in Thüringen unter Bodo Ramelow sind vorbei. Die sozialen und politischen Zustände haben sich nicht verändert.

Die Grünen haben in Thüringen sogar in der rot-rot-grünen Landesregierung durchgesetzt, dass die Linke die Subventionierung von Privatschulen mitträgt, während die staatlichen Schulen verfallen, beklagt sich beispielsweise die linke Landtagsabgeordnete Scheringer -Wright. Sozialismus geht anders. 

Die Regierungspolitik hat sich ansonsten auch nur minimal in wenigen Punkten verbessert, aber der Landesverband hat an Glaubwürdigkeit verloren. Die Partei ist nicht zuletzt unter dem Druck des bürgerlichen Politikbetriebes zu einer zweiten sozialdemokratischen Partei geworden, die sich mit den gesellschaftlichen und politischen Zuständen weitgehend ausgesöhnt, zahlreiche Grundsätze aufgegeben hat und vielen Leitbildern der bürgerlichen Propaganda zustimmt. Sie hat keinen politischen Richtungswechsel herbeigeführt, sondern lediglich dem Neoliberalismus ein etwas menschlicheres Antlitz gegeben.

Die Thüringer Landesregierung unter Bodo Ramelow hat zeitweilig einen Abschiebestopp für Asylsuchende verfügt und öffentlich Trauer bei Bootsunglücken im Mittelmeer bekundet. Zu ihren positiven Leistungen gehört, dass sie etwa 500 bis 1.000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose geschaffen hat. Das im Wahlprogramm von Die Linke angekündigte kostenlose Kitajahr soll im Jahre 2018 kommen.

Zuletzt hat Ramelow im Bundesrat sogar der faktischen Autobahnprivatisierung durch die ÖPP- Hintertür im Bundesrat zugestimmt. 

Ansonsten aber unterscheidet sich die Art des Regierens wenig von der üblichen Praxis. Trotz Bedenken hat Ramelow der Schuldenbremse als Eckpfeiler der neoliberalen Haushaltspolitik zugestimmt. Gegen erheblichen Widerstand ist die Landesregierung dabei, eine Funktional- und Gebietsreform durchzusetzen, die Bürgernähe verringert. Bereits in der Koalitionsvereinbarung bekannte sich die Partei zu »Sozialpartnerschaft und verantwortlichem Unternehmertum«. Hinsichtlich der institutionellen Abrechnung mit der DDR hat die Landesregierung alle anderen ostdeutschen Landesregierungen übertroffen. Sie hat an die Stelle einer abgewogenen und differenzierten Bewertung der DDR deren Diffamierung als Unrechtsstaat gesetzt. In zwei Berichten an den Landtag über die »Aufarbeitung der SED-Diktatur« wird dargelegt, wie dies im Schulunterricht, in der Forschung und im politischen Leben noch intensiver erfolgen soll.

In ihrem Wahlprogramm von 2014 hatte Die Linke in Thüringen die Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz angekündigt. Sie hatte die »abträgliche Befugnis« des Verfassungsschutzes zum »Grundrechtseingriff« kritisiert, die »sich gegen jeden Menschen, den der Verfassungsschutz als ›verfassungsfeindlich‹ einstuft« richte.2

Mittlerweile hat der Thüringer Verfassungsschutz mehr Mitarbeiter und einen größeren Haushalt als vorher: Im Juni 2016 waren es 103 Stellen (2013: 97); der Etat für 2016 betrug 7,5 Millionen Euro (2013: 6,7 Millionen Euro). Nach wie vor diffamiert das Landesamt linke Organisationen als verfassungsfeindlich. In seinem Bericht für 2014 und 2015 werden, wie gehabt, die Kommunistische Plattform in der Linken, die DKP, die Rote Hilfe e.V. und die Antifaschistische Aktion Gotha als Organisationen genannt, die die »freiheitliche demokratische Grundordnung« gefährden.

Die widersprüchliche Entwicklung der Partei ist nur zu verstehen, wenn man sie vor dem Hintergrund der Funktionsweise des in Deutschland bestehenden parlamentarischen Regierungssystems betrachtet. Das versorgt die Parteien reichlich mit staatlichen Geldern und Ämtern und zwingt sie, zu »Maschinen« in einem permanenten Wahlkampf zu werden. Vor allem dies bedingt seine enorme Integrationskraft, systemoppositionelle Parteien und Abgeordnete zu »mäßigen« und schließlich einzubinden. Die staatliche Parteienfinanzierung, die Finanzierung von deren Parlamentsarbeit und die staatlichen Gelder für ihre sechs Stiftungen summieren sich auf deutlich mehr als eine Milliarde Euro. Auch eine linke Partei unterliegt unweigerlich den Versuchungen des Geldes. Dies prägt die Interessenlage derjenigen, die in ihr oder für sie arbeiten.

Das Paradox an diesem Systems ist: Je größer die Wahlerfolge einer linken Partei sind, desto größer sind nicht nur ihre Möglichkeiten, das Parlament für den politischen Kampf um Verbesserungen im Interesse der Lohnabhängigen zu nutzen, sondern desto größer wird ebenfalls die Anzahl derjenigen, die von der Partei leben und dabei Interessen entwickeln, die mit den Interessen der Lohnabhängigen kollidieren und mit sozialistischen Grundsätzen oft nicht vereinbar sind. In der Partei Die Linke umfasst diese Gruppe heute deutlich mehr als 2.000 Personen. Der Drang zur »Regierungsverantwortung« von Parteiführungen erklärt sich zu einem guten Teil aus dem Interesse an der dann gegebenen Möglichkeit, Minister zu stellen und neue Ämter im Bereich der Ministerien, der Justiz, der Verwaltung und der öffentlich-rechtlichen Medien für Parteiaktivisten zu erschließen.

Die Linke hat gegenüber der PDS bei den Einnahmen aus der Staatskasse zum Teil kräftig zugelegt, vor allem hinsichtlich der Höhe der Fraktionszuschüsse im Bundestag3 und der Zuwendungen für die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie ist im Jahr ihres 10. Jubiläums in drei Bundesländern Regierungspartei mit erweiterten Möglichkeiten der Ämterpatronage, aber auch der Einflussnahme auf die Bundesgesetzgebung über den Bundesrat. Sie hat dort z. B. am 2. Juni 2017 mit ihrem Ja zum Gesetzespaket zur Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern einer Privatisierung von Autobahnen den Weg gebahnt, was immerhin in einer Erklärung des Bundesvorstandes als »falsch« bezeichnet wird.

Die Partei hat derzeit 228 Abgeordnete, sieben im Europaparlament, 64 im Bundestag und 157 in zehn der 16 Bundesländer. Im Jahre 2000 hatte die PDS 193 Abgeordnete, sechs im Europaparlament, 36 im Bundestag und 151 in den sechs ostdeutschen Landtagen. Erheblich angewachsen ist die Zahl der voll- und teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter im Bundestag. Im Jahre 2000 waren es bei der PDS-Fraktion 142, im Jahre 2009 bei der Bundestagsfraktion der Linken 622. Die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung erhielt in den Jahren 1999 und 2000 staatliche Einnahmen aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 4,1 bzw. 9,5 Millionen DM.4 Im Jahre 2014 bekam die RLS an Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt erheblich mehr: 52 Millionen Euro.5

Die Integrationskraft des parlamentarischen Regierungssystems wirkt in der Tendenz und nicht absolut. Besonders in der Bundestagsfraktion und im Bundesvorstand gibt es zahlreiche Abgeordnete bzw. Mitglieder mit klaren antimilitaristischen und antikapitalistischen Positionen, die sich nicht einbinden lassen, sondern diese Standpunkte unbeirrt vertreten und danach handeln.

Eine zweite neoliberal orientierte Sozialdemokratie braucht das Land wirklich nicht und es wäre das Ende der Linkspartei, die dann überflüssig werden würde und mit der SPD fusionieren und sich auflösen könnte. 

Die Linke muß eine eigene starke marxistische und antikapitalistische Kraft udn Systemalternative zumm einheitsbrei der Front der neoliberalen Parteien bleiben - nur dann wird sie Erfolg haben und auch  glaubwürdig bleiben. Melenchon zeigt in Frankreich in Kooperation mit Marxisten und der KP den Weg auf - ebenso wie der Marxist Corbyn, der Karl Marx als den größten Ökonomen  der Weltgeschichte bezeichnet hatte und der die Labour Partei zurecht ganz weit nach links gerückt hat.  Nur so kann es gehen.  

Anmerkungen

1 Susanne Hennig-Wellsow: Mit Links regieren! In: Dies. (Hg.): Mit Links regieren? Wie Rot-Rot-Grün in Thüringen geht, Hamburg 2015, S. 40

2 »Wann, wenn nicht jetzt? Thüringen sozial regieren«, Programm der Partei Die Linke Thüringen zur Landtagswahl 2014, Beschluss des 4. Landesparteitages, 2. Tagung, 22. März 2014 in Sömmerda, S. 44

3 Die Fraktionszuwendungen im Bundestag für die PDS im Jahre 1999 betrugen 11,96 Millionen DM, die für Die Linke im Jahre 2015 12,6 Millionen Euro. Vgl. »Bekanntmachungen der geprüften Rechnungen der Fraktionen«, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/4040, S. 11 und Drucksache 18/9490, S. 8

4 Jahresbericht 1999/2000, Rosa Luxemburg Stiftung, 12. November 2001, S. 76

5 Jahresbericht 2015 der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Juni 2016, S. 85

6 Strategischer Ansatz für die Bundestagswahl 2017, Wahlstrategie für Die Linke, Bundeswahlkampfleiter Matthias Höhn, 12. September 2016, S. 2

7 Sahra Wagenknecht: Linke Politik statt »Rot-Rot-Grün«, in: Thies Gleiss/Inge Höger/Lucy Redler/Sascha Stanicic (Hg.): Nach Goldschätzen graben, Regenwürmer finden. Die Linke und das Regieren, Köln 2016, S. 214