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Melenchon for President: Mein Feind ist die Oligarchie 

Sozis malen Gefahr vom französischen Chavez an die Wand

Der von der kommunistischen Partei unterstützte Linkenführer Jean-Luc Melenchon ist knapp eine Woche vor den Wahlen in Frankreich stark im Aufwind.

Jean-Luc Mélenchon wirbelt Feld der Kandidaten durcheinander

Mit zornigen Reden und radikal linken Positionen ist Jean-Luc Mélenchon kurz vor der französischen Präsidentenwahl im Aufwind. Es könnte zu einem Duell der Extreme kommen.

Zum Klang eines italienischen Arbeiterliedes nähert sich das Boot mit dem Überraschungsstar des französischen Wahlkampfs auf einem Kanal im Pariser Nordosten. Eine Kapelle spielt die Melodie von «Bandiera rossa» («Die rote Fahne»), ein Plakat an der Seite des Boots beschwört «Die Kraft des Volkes». Als der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon auf das Deck des Wahlkampf-Boots steigt, skandieren die Zuschauer am Ufer: «Résistance, résistance» - «Widerstand».

Mélenchon legt in Umfragen kräftig zu

Vor wenigen Wochen lag Mélenchon in den Umfragen gerade bei knapp über zehn Prozent. Inzwischen sehen ihn die Institute für den ersten Wahlgang am kommenden Sonntag bei bis zu 20 Prozent - nur knapp hinter dem Sozialliberalen Emmanuel Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen, lange die klaren Favoriten. Damit hat Mélenchon echte Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl.

Der 65-Jährige punktet mit dem Charme der Revolte - eine Botschaft, die im wirtschaftlich gebeutelten Frankreich ankommt. «Mein Feind ist die Oligarchie», sagt der Kandidat, der auch von den Kommunisten unterstützt wird.
 
Er will das Regierungssystem ummodeln, weg von der «Präsidenten-Monarchie».
 
Mélenchon fordert milliardenschwere Zusatzausgaben und Investitionen, den Austritt aus der Nato und eine Neuverhandlung der europäischen Verträge, um Schluss mit den Sparvorgaben aus Brüssel zu machen - andernfalls droht er mit dem EU-Austritt also mit dem Frexit.

«Ja, das ist Erpressung», sagt Anna, die mit Mélenchon-Aufkleber auf der Jacke auf den Boots-Auftritt des Politikers am Ostermontag gewartet hat. «Aber man darf nicht vergessen, dass Europa uns auch erpresst.» Sie fühle sich als Europäerin, «aber nicht so, wie man uns das aufzwingt». Die junge Akademikerin klagt über befristete Arbeitsverhältnisse, fordert soziale Sicherheit. Mélenchon habe «das humanistischste Programm». Macron bedeutet für sie: «Mehr arbeiten, um weniger zu verdienen.»

Noch-Staatspräsident Hollande warnt vor dem Linkspolitiker

Andernorts löst Mélenchons Höhenflug große Sorgen aus. Der scheidende Präsident François Hollande warnt seit einigen Tagen deutlich vor dem Linkspolitiker. Polit-Kommentatoren fragen plötzlich, ob ein Duell der Extreme zwischen Le Pen und Mélenchon möglich ist. Die konservative Zeitung «Le Figaro» wertete Mélenchons Programm als «verheerend» und bezeichnete ihn als «französischen Chávez» - ein Verweis auf Mélenchons Unterstützung für den früheren venezolanischen Staatschef Hugo Chávez.

Mélenchon kontert mit Humor. «Wieder einmal kündigt man bei meinem Wahlsieg den Beginn des nuklearen Winters, (...) die Panzer der Roten Armee und die Landung der Venezolaner an», mokierte er sich. «Ich habe nicht die Absicht, Kuba in Frankreich zu machen», versicherte er der Zeitung «Ouest-France».

Kommt es zum Duell von extrem links gegen extrem rechts?

Schlagfertige Auftritte in zwei TV-Debatten und eine engagierte Social-Media-Kampagne haben ihm Rückenwind verschafft, mit zornigen Reden begeistert der wortgewandte Politiker sein Publikum. Er profitiert auch davon, dass Hollandes Sozialisten am Boden liegen und Macron manch linken Wählern zu wirtschaftsfreundlich ist. Klar ist jedenfalls, dass der Aufstieg Mélenchons den Wahlkampf in Frankreich noch etwas unübersichtlicher und unkalkulierbarer gemacht hat. Mit dem Konservativen François Fillon können nun vier Kandidaten auf einen der zwei Plätze im Finale hoffen. dpa/AZ