Der linksradikale Melenchon könnte neuer Präsident Frankreichs werden
Linksfront ohne neoliberale Sozis - Sozis fallen auf 9 % . Le Pen 24 % und der "Liberale" Macron 24 Konservative Merkel affine Partei 15 %
Zehntausende strömen zu seinen Wahlkampfauftritten - dass er fälschlich als "Stalinist" und Vertschwörungstheoretiker diffamiert wird, ficht ihn nicht an.
Er hat die meisten Youtube-Abonennten aller Präsidentschaftskandidaten
Er, der von einigen als begabtester Redner Frankreichs bezeichnet wird, legt bei seinem Wahlkampfauftritt im historischen Hafen von Marseille eine Gedenkminute ein. Er geht mit seiner Linkspartei ein Wahlbündnis mit der KP Frankreichs ein udn erreichte bei Umfragen inzwischen 20 % - nicht weit weg von Le Pen.
Rund 70.000 Anhänger harren lautlos aus, gedenken der Flüchtlinge, die im Wasser des Mittelmeeres ihr Leben verloren haben. Vielleicht ist die größte Gabe von Jean-Luc Mélenchon nicht das Reden, sondern auch schweigen zu können.
Mélenchon tritt bei der Präsidentschaftswahl am 23. April für die linke Partei La France Insoumise (Unbeugsames Frankreich) an. In den vergangenen Wochen ist er spektakulär in den Umfragen aufgestiegen. Plötzlich scheint es möglich, dass er es in die Stichwahl schafft. Mélenchons Gegner sind die rechtspopulistische Marine Le Pen, der Konservative François Fillon und der Liberale Emmanuel Macron.
Melenchon will als Kandidat der Linken die politisch und moralisch völlig korrumpierte Fünfte Republik Frankreichs mit Hilfe einer einzuberufenden verfassunggebenden Versammlung abschaffen, er will den obszönen Reichtum abschaffen. Der Anhänger des französischen Revolutionärs Robespierre und des verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez nimmt für sich in Anspruch, »Klartext« zu reden: »Mit dem Aussehen eines Kommunionkindes und einer Flötenstimme kann man nicht das vorschlagen, was ich vorschlage«, sagte der wortgewaltige Ex-Senator kürzlich. »Manchmal hat man keine Wahl: Man muss die Türen mit Fußtritten aufstoßen.«
Für Mélenchon – Wahlkampfslogan »Das unbeugsame Frankreich« – sind Neoliberalismus und europäische Sparvorgaben für Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrise verantwortlich. Die EU-Verträge will er neu verhandeln oder aufkündigen, womöglich den Euro aufgeben. Mit einem 100 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm will er die Wirtschaft ankurbeln, Mindestlohn und Sozialleistungen erhöhen, das Rentenalter senken.
Der studierte Philosoph hat mit seinem Wahlprogramm viele Linkswähler für sich gewonnen, die sich während Hollandes Amtszeit enttäuscht von den Sozialisten abgewandt haben. Laut einer Umfrage verkörpert Mélenchon für die Franzosen am besten die Linke.
Doch Mélenchon will davon nichts wissen. Er hat sogar selbstbewusst als Devise ausgegeben, den drittplatzierten Konservativen François Fillon zu überholen.um der Milliardäre zu 100 Prozent besteuern, sofern die Einkünfte 400.000 Euro pro Jahr überschreiten. Und er will sich als Präsident sozusagen selbst in Frage stellen, ein großes Stück Macht an das Parlament und – mit der Verankerung von Referenden in der Verfassung – direkt an das Volk zurückgeben.
Die Frage, ob der Kapitalismus reformierbar ist, stellt sich längst nicht mehr. Er ist es nicht. Das weiß Mélenchon, das wissen auch jene der politischen Linken zuzurechnenden Franzosen, die zuletzt mit der Wahl Hollandes wieder einmal fünf Jahre vergeudet haben. Es mit den Sozialdemokraten zu versuchen, ist in Frankreich ebenso wie in Deutschland ein völlig sinnloses Unterfangen. Hollandes Bilanz ist katastrophal. Nicht nur für die eigenen Leute, sondern auch für die Griechen, Portugiesen und Spanier. Hollandes Solidarität galt während seiner gesamten Amtszeit nicht den von der deutschen Austeritätspolitik in die soziale Katastrophe getriebenen Menschen in den südeuropäischen Ländern, sondern »dem System« und dessen Protagonisten Merkel, Schäuble, Juncker. Nur Mélenchon, weil er nun einmal so ist, wie er ist, hätte vielleicht den Mut und das Durchhaltevermögen, all das tatsächlich zu ändern.
Die neoliberalen Sozis haben versagt und der Linken insgesamt schweren Schaden zugefügt. So ist die Kapitulation von Hollande nur konsequent.
Unter Hollande war die Arbeitslosigkeit in Frankreich von 4,4 auf 5,5 Millionen gestiegen. Nach Umfragen ist Präsident Hollande der unpopulärste Präsident der 5. Republik seit 1958 überhaupt. Ein weiteres Mal will er 2017 nicht kandidieren. Macron wird wohl der Nachfolgekandidat der PS.
Während die neoliberalen Sozis total abstürzen, bekommen die "Linksradikalen" immer mehr Stimmen und Zulauf - auch das kann eine Reaktion auf das Erstarken der Rassisten und Faschisten um Le Pen in Frankreich sein, die auf jeden Fall gestoppt werden soll.
Der sozialistische Präsidentschaftskandidat Benoît Hamon kommt dagegen laut SCANRESEARCH-LETERRAIN nur auf 9,0 Prozent. Das reicht noch lange nicht, um in die Stichwahl am 7. Mai zu ziehen. Immer wieder haben die Sozialisten an Mélenchon appelliert, sich Hamon anzuschließen und auf eine eigene Kandidatur zu verzichten.
Der Kandidat der Sozis ist abgeschlagen und chancenlos.
"Armut und Desaster? Das ist heute der Alltag von Millionen Franzosen", antwortete ihm Mélenchon. Der 65-Jährige weiß, wie man als Politiker kontert.