Wie Cum-Ex-Geschäfte der Investoren und des Staates wie Steuer-Betrug an den Ärmsten wirken

Weitgehend unbemerkt von der Mainstream-Öffentlichkeit liefen über einen langen Zeitraum die Deals ab, die den Staat Milliarden kosteten.

Und die Referenten im Bundesfinanzministerium schauten lieber weg, wenn Vermögende, Banker, Rechtsanwälte und Unternehmensberater den Betrug an der Allgemeinheit organisierten.

Das Polit-Establishment aus CDU und SPD hat sich damit auch an mögluichgen Verbrechen  zulasten der Ärmsten beteiligt.

Offenbar erschienen den Beamten die Cum-Ex-Geschäfte zu kompliziert, um sich eingehender damit zu beschäftigen. So ließen sie geschehen, was inzwischen als einer der schwersten Steuerskandale in der Bunderepublik gelten muss.

Dafür sorgt allein die Dimension. Mindestens zehn Milliarden Euro verloren Bund, Länder und Kommunen, weil reiche Anleger mit Hilfe hochbezahlter Experten sich einmal gezahlte Kapitalsteuern mehrfach erstatten ließen. Ob sie damit gegen Gesetze verstießen, müssen die Gerichte entscheiden.

In jedem Fall schadeten sie ganz bewusst allen Menschen, die auf einen starken, leistungsfähigen Staat angewiesen sind. Dazu zählen Kinder aus armen Familien, Hartz-IV-Bezieher oder Rentner, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen.

Es ist wichtig, sich immer wieder klarzumachen, dass ein solcher Milliardenbetrug nicht nur abstrakt Schaden anrichtet. Die Opfer dieser Machenschaften sind viele, viele Einzelpersonen. Für sie muss es wie Hohn klingen, wenn ein Carsten Maschmeyer nun ausruft, er habe von all dem nichts gewusst. So billig kann sich der Finanzprofi nicht davonstehlen.

Hintergrund: Cum Ex Geschäfte

War der Verkäufer der Aktie ein Leerverkäufer, der die Aktie erst nach Dividendentermin tatsächlich erwirbt, konnte es vorkommen, dass gleich zwei Aktionäre – nämlich der ursprüngliche Inhaber und der Käufer des Leerverkäufers – eine Bescheinigung und damit einen Anspruch auf eine Steuergutschrift erhielten. Als Konsequenz erstatteten die Finanzämter mehr Steuern als sie zuvor einnahmen.

Beispiel: Leerverkäufer „LV“ veräußert vor dem Dividendenstichtag Aktien (Cum) zum Kurswert von 100€ an den Leerkäufer „LK“. Die Aktiengesellschaft beschließt eine Bruttodividende je Aktie in Höhe von 10 € zu zahlen. Nach dem Dividendenstichtag erwirbt LV die Aktien ohne Dividende (Ex) von X zum geminderten Kaufpreis in Höhe von 90 € und überträgt diese an LK. Zusätzlich leistet er an LK eine Kompensationszahlung in Höhe der Nettodividende von 7,50 €. LK erhält genauso wie X eine Steuerbescheinigung in Höhe von 2,50 € und wird damit so gestellt, als habe er wie vereinbart die Aktie mit Dividendenanspruch erworben. Im Ergebnis macht LV einen Gewinn in Höhe der doppelt bescheinigten Kapitalertragssteuer. Hätte LK die Aktien direkt von X erworben, wäre durch einen Sperrvermerk im Depot des X die doppelte Bescheinigung verhindert worden. Im Fall des Leerverkaufs war aus Sicht der bescheinigenden Depotbanken die Dividenden-Kompensationszahlung nicht von einer Nettodividende zu unterscheiden.

Mehrfache Steuerbescheinigung

Die mehrfache Bescheinigung der Kapitalertragssteuer resultiert aus § 45a Abs. 3 S. 1 EStG auf Seiten der depotführenden Bank des ursprünglichen Aktieninhabers und aus § 45a Abs. 3 S. 2 EStG auf Seiten der Depotbank des vom Leerverkäufer Erwerbenden. Die doppelt bescheinigte Kapitalertragssteuer sollte die depotführende Bank des Leerverkäufers ab 2007 gemäß der Neuregelung des § 44 Abs. 1 S. 3 EStG bei diesem einziehen und an das Finanzamt weiterleiten. Diese Regelung konnte der Leerverkäufer umgehen, indem er sich einer ausländischen Bank, welche nicht zum inländischen Kapitalertragsteuereinbehalt verpflichtet ist, bediente.

Mehrfache Anrechnung

Rechtlich unklar ist, ob der vom Leerverkäufer Erwerbende die Erstattung der ihm ebenfalls bescheinigten Kapitalertragssteuer beim Finanzamt beantragen durfte. Gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist die erhobene Kapitalertragssteuer anrechenbar soweit sie auf Einkünfte entfällt, die im Rahmen der Veranlagung erfasst wurden oder nach bestimmten Steuerbefreiungsvorschriften (§ 3 Nr. 40 EStG oder § 8b KStG) außer Ansatz bleiben. Zur Anrechnung muss somit nicht nur eine Bescheinigung vorliegen. Weitere Voraussetzung ist auch die Erhebung der Kapitalertragssteuer und die Zurechnung zu Einkünften, die in der Veranlagung erfasst werden. Nach der Rechtslage bis 2007 stellte die Dividendenkompensationszahlung keine Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG, sondern lediglich eine Schadenersatzzahlung dar. Demnach entfiel die bescheinigte Kapitalertragssteuer auch nicht auf Einkünfte, die in der Veranlagung berücksichtigt wurden. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass der Leerkäufer auch wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien (§39 AO) zum Dividendenzeitpunkt war und ihm deshalb auch nach der Rechtslage vor 2007 die Dividenden als Kapitaleinkünfte zuzurechnen sind. Ab 2007 ist die Dividendenkompensationszahlung durch den neu eingefügten Satz 4 im § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Damit entfiel die Kapitalertragssteuer ab 2007 grundsätzlich auf Einkünfte, die auch in der Veranlagung erfasst wurden. Ob die weitere Voraussetzung des § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG, die Erhebung der Kapitalertragssteuer, aus Sicht des Leerkäufers erfüllt ist, bleibt allerdings auch für Zeiträume ab 2007 fraglich.[6]

Seit 2012 sind nicht mehr die Aktiengesellschaften selbst, sondern die depotführenden Banken zur Abführung der Kapitalertragssteuer verpflichtet, sodass eine Übereinstimmung zwischen Bescheinigung der Kapitalertragssteuer und tatsächlicher Erhebung gewährleistet ist.

Die umstrittene Praxis war jahrelang üblich und ist auch mit Hilfe von Gutachten großer Anwaltskanzleien abgesichert worden. Die HypoVereinsbank, Deutsche Bank, HSH Nordbank, Citi Deutschland und möglicherweise weitere Kreditinstitute haben Presseberichten zufolge in großem Volumen Dividendenstripping im Eigenhandel und im Kundengeschäft betrieben und sind deshalb seit 2011 in den Fokus der Steuerbehörden geraten.[7][8][9] Aufgrund von Steuernachforderungen, die aus Cum- und Ex-Geschäften resultierten, ist die Maple Bank GmbH durch die BaFin im Februar 2016 geschlossen worden, anschließend wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet.[10]

In diesem Zusammenhang wurde daraufhin vereinzelt in der Literatur auf strafrechtliche Risiken hingewiesen.[11] Es kam dabei zu Hausdurchsuchungen bei den beteiligten Banken. Allerdings ist dieses Vorgehen, insbesondere im Hinblick auf die langjährige Duldung von Seiten der Legislative, nicht ohne Kritik geblieben.[12] Bei diesen Hausdurchsuchungen geht es um Altgeschäfte bis 2011, da seither die Steuervorteile bei den umstrittenen Transaktionen wegen des Zusammenfallens von bescheinigendem Institut und abführendem Institut nicht mehr so einfach zu erzielen sind.

Der Spiegel kam 2014 zu dem Schluss, dass das Finanzministerium durch jahrelange Untätigkeit die Nutzung des Dividendenstripping in Cum-Ex-Fonds möglich machte. Erst am 24. Mai 2013 stellte die deutsche Regierung in einer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage klar, es bestehe „generell kein Anrechnungs- oder Erstattungsanspruch“ beim Dividendenstripping und erklärte die „betriebenen Modelle sind illegal“. Dabei stellte die Regierung klar, dass es keine Gesetzeslücke gebe. 2014 veröffentlichte Der Spiegel die Namen einiger deutscher Prominenter, die Geld mit Cum-Ex-Fonds verdient haben.[13]

Am 15. Februar 2016 beschäftigte sich eine ARD-Sendung unter dem Titel Milliarden für Millionäre – Wie der Staat unser Geld an Reiche verschenkt mit den Cum-Ex-Fonds.