IZ History: Lenin siegt: 99 Jahre sozialistische Oktoberrevolution in Rußland

"Ohne Klassenbewusstsein und ohne Organisiertheit der Massen, ohne ihre Schulung und Erziehung durch den offenen Klassenkampf gegen die gesamte Bourgeoisie kann von der sozialistischen Revolution keine Rede sein." W.I. Lenin

Als Oktoberrevolution wird die revolutionäre Machtübernahme durch das russische Volk und der  kommunistischen  Bolschewiki ab dem 25. Oktoberjul./ 7. November 1917greg. bezeichnet.

Vor allem Lenins Aprilthesen von Lenin fanden bei vielen Menschen Zustimmung, da er sich für Unterstützung der ärmeren Bevölkerungsschicht einsetzte.

1.) In unserer Stellung zum Krieg, der seitens Rußlands auch unter der neuen Regierung Lwow und Konsorten, infolge des kapitalistischen Charakters dieser Regierung, unbedingt ein räuberischer, imperialistischer Krieg bleibt, sind auch die geringsten Zugeständnisse an die „revolutionäre Vaterlandsverteidigung“ unzulässig. Einem revolutionären Krieg, der die revolutionäre Vaterlandsverteidigung wirklich rechtfertigen würde, kann das klassen bewußte Proletariat seine Zustimmung nur unter folgenden Bedingungen geben: a) Übergang der Macht in die Hände des Proletariats; b) Verzicht auf alle Annexionen in der Tat und nicht nur in Worten; c) tatsächlicher und völliger Bruch mit allen Interessen des Kapitals […].

2.) Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Rußland besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewußtseins und der ungenügenden Organisiertheit des Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe der Revolution, die die Macht in die Hände des Proletariats und der ärmsten Schichten der Bauernschaft legen muß […].

3.) Keinerlei Unterstützung der Provisorischen Regierung, Aufdeckung der ganzen Verlogenheit aller ihrer Versprechungen, insbesondere hinsichtlich des Verzichts auf Annexionen. Entlarvung der Provisorischen Regierung staat der unzulässigen, Illusionen erweckenden „Forderung“, diese Regierung, die Regierung der Kapitalisten, solle aufhören, imperialistisch zu sein.

4.) Anerkennung der Tatsache, daß unsere Partei in der Mehrzahl der Sowjets der Arbeiterdeputierten in der Minderheit, vorläufig sogar in einer schwachen Minderheit ist […]. Solange wir in der Minderheit sind, leisten wir die Arbeit der Kritik und Klarstellung der Fehler, wobei wir gleichzeitig die Notwendigkeit des Übergangs der gesamten Staatsmacht an die Sowjets der Arbeiterdelegierten propagieren, damit die Massen sich durch die Erfahrung von ihren Fehlern befreien.

5.) Keine parlamentarische Republik – von den Sowjets der Arbeiterdeputierten zu dieser zurückzukehren wäre ein Schritt rückwärts -. sondern eine Republik der Sowjets der Arbeiter-, Landarbeiter- und Bauerndeputierten im ganzen Lande, von unten bis oben […].

6.) Im Agrarprogramm Verlegung des Schwergewichts auf die Sowjets der Landarbeiterdeputierten. Beschlagnahme der gesamten Ländereien der Gutsbesitzer. Nationalisierung des gesamten Bodens im Lande; die Verfügungsgewalt über den Boden steht den örtliche Sowjets der Landarbeiter- und Bauerndeputierten zu […].

7.) Sofortige Verschmelzung aller Banken des Landes zu einer Nationalbank und Einführung der Kontrolle über die Nationalbank durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten.

8.) Nicht „Einführung“ des Sozialismus als unsere unmittelbare Aufgabe, sondern augenblicklich nur Übergang zur Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion und Verteilung der Erzeugnisse durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten.

9.) Aufgaben der Partei: a) sofortiger Parteitag; b) Änderung des Parteiprogramms, in der Hauptsache: 1. über den Imperialismus und den imperialistischen Krieg; 2. über die Stellung zum Staat und unsere Forderung eines „Kommunestaates“; 3. Berichtigung des veralterten Minimalprogramms; c) Änderung des Namens der Partei.

10.) Erneuerung der Internationale. Initiative zur Gründung einer revolutionären Internationale, einer Internationale gegen die Sozialchauvinisten und gegen das „Zentrum“ […].

Vielfach wird sie als logische Konsequenz der bürgerlichen Französischen Revolution  von 1789  verstanden, die den Sieg des Bürgertums über den Feudaladel in Europa besiedelt hatte - aber eine neue unterdrückte Klasse des Proletariats hervorbrachte, die wiederum nach Emanzipation durch Sozialismus strebte . 

Sie beseitigte die aus der Februarrevolution hervorgegangene Doppelherrschaft aus sozial-liberaler Übergangsregierung unter Alexander Kerenski und den Sowjets und errichtete einen neuen Staat, der sich selbst als  Herrschaft der 99% bzw. als Herrschaft der Diktatur des Proletariats verstand.

In realsozialistischen Ländern wurde die Revolution gewöhnlich als Große Sozialistische Oktoberrevolution bezeichnet.

Sie markiert das Ende des Zarismus, der Adesherrschaft und die kurze seit Februar andauernde Herrschaft des Kapitalis und führt zum Sozialismus im größten Flächenland der Welt.

Die Februarrevolution des Jahres 1917 hatte zwar zur Abdankung von Zar Nikolaus II. geführt und damit die Zarenherrschaft in Russland beendet, aber noch keine Lösung der wichtigsten sozialen und politischen Probleme des Landes gebracht. Die wichtigste Frage war dabei die Kriegsfrage. Russland war seit 1914 kriegführende Partei im Ersten Weltkrieg. Die Anforderungen dieses „modernen“ Krieges, der vom Industriezeitalter geprägt war, überstiegen die Kräfte des weitgehend von der Agrarwirtschaft geprägten Landes und führten zu einer Zuspitzung der ohnehin gravierenden sozialen Probleme in Russland.

Nach der Februarrevolution herrschte in Russland ein Nebeneinander von Parlament (Duma) mit seiner provisorischen Regierung unter Kerenski und den Arbeiter- und Soldatenräten (den Sowjets) mit ihren Exekutivkomitees. Über die endgültige Verfassung sollte eine verfassungsgebende Versammlung entscheiden, die zunächst am 25. November gewählt werden sollte.

Die Provisorische Regierung unter Kerenski konnte sich nicht dazu durchringen, in Friedensverhandlungen mit dem Deutschen Kaiserreich und den übrigen Mittelmächten einzutreten.

Der Führer der bolschewistischen Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, Lenin, erreichte die russische Hauptstadt aus seinem Exil in der Schweiz über Deutschland, Schweden und Finnland.[3]

Der ursprünglich von Julius Martow initiierte Austausch russischer Exilanten gegen in Russland internierte Deutsche wurde durch die Provisorische Regierung verzögert, da insbesondere Außenminister Miljukow gegen eine Rückkehr der defätistischen Revolutionäre war.

Lenin und 31 weitere Exilanten drängten jedoch auf eine schnellstmögliche Rückkehr. Durch Vermittlung des Schweizer Genossen Fritz Platten und Fürsprache von Alexander Parvus unterstützten ihn die deutschen Behörden bei dieser Reise.

Die Fahrt ging in einem plombierten Eisenbahnwagon bis zur deutschen Ostseeküste, um von dort per Schiff weiterzureisen.[4] Durch das Eingreifen von Lenin und anderen Revolutionären in das politische Geschehen erhoffte sich die deutsche Oberste Heeresleitung eine weitere Destabilisierung Russlands, um daraus an der Ostfront militärischen Nutzen ziehen zu können.

Politische Unentschlossenheit und das Weiterführen des Krieges auch durch Menschewiki und Sozialrevolutionäre (August/September 1917), die massive Gebietsverluste an das Deutsche Kaiserreich vermeiden wollten, führten zu einer Polarisierung in den Arbeiter- und Soldatenräten. Es kam erneut zu einem Linksrutsch in Teilen der Bevölkerung. Die Bolschewiki beherrschten nun die wichtigsten Sowjets in Petrograd, Moskau und den anderen großen Arbeiterstädten. Darüber hinaus bewaffneten sich die Parteianhänger der Bolschewiki. Der Linksruck in Teilen des Volkes stärkte diejenigen Kräfte, die unter Lenin zielstrebig an die Macht drängten. Leo Trotzki wurde Vorsitzender des Petrograder Sowjets und Organisator der Machtübernahme. Im Oktober kehrte Lenin aus seinem finnischen Versteck nach Russland zurück. Er drängte die Partei zur Übernahme der alleinigen Regierungsmacht, da er die Zeit für günstig hielt, die schwache Position der Regierung auszunutzen.

In der Führung der Partei der Bolschewiki war umstritten, ob sie sich an den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung beteiligen oder stattdessen auf einen gewaltsamen Aufstand setzen sollte. Nach hitzigen Debatten setzten sich schließlich Lenin und Trotzki durch. Lenin, der am 27. Septemberjul./ 10. Oktobergreg. heimlich nach Petrograd zurückgekehrt war, versammelte 12 der 21 Mitglieder des Zentralkomitees der bolschewistischen Partei um sich. Nach zehnstündiger Diskussion wurde mit 10 gegen 2 Stimmen (Sinowjew und Kamenew) eine Resolution für eine gewaltsame Machtübernahme um den 3.jul./ 16. Oktobergreg. beschlossen. Diese Zeitspanne war zu kurz.

Am 3.jul./ 16. Oktobergreg. tagte das Zentralkomitee mit Vertretern der Petrograder Parteiarbeit erneut. Die Resolution von 27. Septemberjul./ 10. Oktobergreg. fand nunmehr eine Mehrheit von 22 Stimmen, bei wiederum zwei Gegenstimmen. „Den Tag des Aufstandes“, so Stalin, „bestimmen die Umstände.“ Am nächsten Tag wurde der zum 7.jul./ 20. Oktobergreg. geplante Kongress der Sowjets auf den 12.jul./ 25. Oktobergreg. verschoben. Der „bewaffnete Aufstand“ sollte jedoch vor dem Kongress stattfinden, damit dieser die Revolution „legitimieren“ konnte.

Auf Beschluss des Petrograder Sowjets stellte Trotzki eine militärische Organisation auf, welche die militärische Machtergreifung übernehmen sollte – das Militärisch-Revolutionäre-Komitee Petrograds (MRKP). Die Truppen beschränkten sich auf wenige tausend Soldaten der Petrograder Garnison, der Kronstädter Marine, der dem MRKP beigetretenen Roten Garden sowie wenige Hundertschaften aus den Arbeiterkomitees stammender, militanter Bolschewiki.

Am 22. Oktoberjul./ 4. November 1917greg. weigerte sich der Truppenkommandant des Petrograder Distrikts, seinen Stab der Kontrolle der Kommissare des MRKP zu unterstellen. Auf Veranlassung von Leo Trotzki und Jakow Swerdlow übernahm nun das Militärrevolutionäre Komitee des Petrograder Sowjets unter Führung Trotzkis die Befehlsgewalt über die Garnisonen der Hauptstadt.

 
Kreuzer Aurora

Ab dem Morgen des 11.jul./ 24. Oktobergreg. tagten die entscheidenden Mitglieder des Zentralkomitees in Permanenz im Smolny, dem Sitz des bolschewistischen Stabes von 1917. Das Gebäude wurde befestigt.

In der Nacht zum 25. Oktoberjul./ 7. November 1917greg. nahmen Truppenteile strategische Punkte (Waffenkammer) der Stadt ein. Der Aufstand begann. Das Signal für den Sturm auf das Winterpalais gab der Kreuzer Aurora (russisch Аврора) mit einem Platzpatronenschuss aus der Bugkanone.

Eine Nacht später kam es zur Einnahme des Winterpalastes, der als Regierungssitz gedient hatte.

Alle Regierungsmitglieder, außer Ministerpräsident Kerenski, der vorher floh, wurden verhaftet. Sie wurden freigelassen, nachdem sie eine Erklärung unterschrieben hatten, dass sie sich aus der Politik zurückziehen würden. Es wurde kein Blut vergossen.

Die Regierung Kerenski wurde durch ein sozialistisches Regime unter Lenin ersetzt. Die Machtübernahme der Bolschewiki erfolgte derart reibungslos und unauffällig, dass viele Bürger über die Geschehnisse erst durch die Zeitung erfuhren. (Das große Tor mit dem Eisengitter, das die roten Matrosen im Film von Eisenstein von 1927 stürmen, führte nicht zum Inneren des Palastes, sondern zu den Pferdeställen und Kutschen. Der Haupteingang des Winterpalastes ist am linken Ende der Fassade. Die Wachen haben ohne Widerstand die Waffen niedergelegt und wurden vom Militärdienst entlassen).

Lenin schrieb ein Jahr später:

„Alle praktische Organisationstätigkeit für den Aufstand wurde unter der direkten Leitung des Vorsitzenden des Sowjets von Petrograd, des Genossen Trotzki, geführt. Man kann mit Sicherheit behaupten, dass die Partei den schnellen Übergang der Garnison auf die Seite der Sowjets und die kühne Durchführung der Arbeit des Revolutionären Militärkomitees hauptsächlich und vor allem dem Genossen Trotzki verdankt. Die Genossen Antonow und Podwoisky waren die Hauptgehilfen des Genossen Trotzki.“

2. Allrussischer Sowjetkongress

Der Allrussische Sowjetkongress war von Kerenski um fünf Tage verschoben worden. Am Abend des 25. Oktoberjul./ 7. November 1917greg. begann der 2. Allrussische Sowjetkongress (russisch II Всероссийский съезд советов; Transkription: Wtoroi Wsjerossijski sjesd sowjetow) mit Vertretern von mehr als 400 örtlichen Sowjets. Die Bolschewiki hatten den Zeitplan ihrer Revolution genau auf den Beginn des Kongresses abgestimmt, um die Machtübernahme im Nachhinein absegnen zu lassen.

Der größte Teil der Vertreter stammte aus den großen Industrieregionen und den politischen Zentren des Landes (Petrograd, Moskau, Kiew und Odessa). Es waren Vertreter von fast allen nationalen Regionen (Ukraine, Baltikum, Kaukasus, Zentralasien und Bessarabien) anwesend. Im Kongress hatten die Bolschewiki und die Linken Sozialrevolutionäre die Mehrheit. Von den 649 Delegierten waren 390 Bolschewiki, 160 Sozialrevolutionäre und 72 Menschewiki.

Es wurde über die Entmachtung aller Gutsherren und Kapitalisten abgestimmt, und es wurden Fragen zur zukünftigen Machtorganisation geklärt. Die wichtigsten Beschlüsse waren die Annahmen der drei Umsturzdekrete: Das Dekret über den Frieden, das Dekret über Grund und Boden und das Dekret über die Rechte der Völker Russlands.

Vor dem Hintergrund des bewaffneten Aufstandes verlangten die rechten Sozialrevolutionäre und die Menschewiki, den Kongress aufzuschieben. Ihr Antrag wurde jedoch abgelehnt und die meisten ihrer Abgeordneten verließen den Kongress unter Protest. Einige Sozialrevolutionäre und Menschewiki verharrten, am formalen Ablauf des Kongresses änderte sich dadurch nichts.

Der Kongress tagte bis in die frühen Morgenstunden des 26. Oktoberjul./ 8. November 1917greg., und nach dem Sturm auf den Winterpalast um zwei Uhr früh wurde die Machtübernahme um fünf Uhr morgens in einem Schreiben mit dem Titel An die Arbeiter, Soldaten und Bauern juristisch verankert. In diesem Schreiben finden sich auch die ersten Normen des sowjetischen Rechts.

Nach der Revolution

Rat der Volkskommissare

Lenin proklamierte die Sozialistische Sowjetrepublik, die von einem Rat der Volkskommissare (ab 1946 Ministerrat) unter seiner Führung geleitet wurde. Die Regierung bestand nur aus Bolschewiki. Die wichtigsten Ressorts übernahmen Trotzki (zunächst Äußeres, dann ab 1918 Verteidigung), Georgi Tschitscherin (ab 1918 Außenpolitik) und Alexei Rykow (Inneres). Stalin war lediglich Volkskommissar für Nationalitätenfragen. Die Machtübernahme gestaltete sich relativ einfach, die Erhaltung der Macht hingegen als ungleich schwerer.

Partei

Die generelle politische Führung von Staat und Gesellschaft hingegen blieb der Kommunistischen Partei Russlands, also den Bolschewiki, vorbehalten und nicht wie angekündigt  nur den Räten.

Am 26. Oktober 1917 wurde das Dekret über den Frieden erlassen. Sofortige Verhandlungen über einen „gerechten Frieden“ wurden von Russland angeboten. Die Regierungen der Mittelmächte bestanden auf einem Frieden zu ihren Bedingungen. Am 15. Dezember 1917 war ein Waffenstillstand zwischen dem Deutschen Reich und Russland geschlossen worden. Die russische Verhandlungsdelegation wurde erst von Adolf Joffe, dann von Trotzki geleitet. Im März 1918 wurde der Friedensvertrag von Brest-Litowsk abgeschlossen. Die Bolschewiki konnten dadurch ihre noch schwache Macht im Lande festigen und die Rote Armee unter Führung von Trotzki dann den von 1918 bis 1920 folgenden Russischen Bürgerkrieg gewinnen, der durch Weißen Terror gekennzeichnet war.