OLG-Gericht stellt  Befangenheit und Kungelei des SPD Chefs Gabriel im Tengelmann-Edeka-Deal fest

Im juristischen Streit mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel um die Sondererlaubnis für die Fusion der Supermarktketten und Oligopolisten  Edeka und Kaiser’s Tengelmann lässt das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht locker.

Die zunehmende  wirtschaftsschädliche Marktkonzentration schien Gabriel völlig egal zu sein.

Der Kartellsenat bekräftigt in einem  der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Beschluss vom 20. Juli die Besorgnis, Gabriel sei bei seiner Entscheidung für die Ministererlaubnis befangen gewesen.

Zudem hätten Gabriel und seine Beamten im vergangenen Dezember ein von Edeka-Anwälten ausgearbeitetes Papier, in dem Einwände gegen ein Übernahmeangebot des Edeka-Konkurrenten Rewe erhoben wurden, anderen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis gegeben.

Die Akten zeigen: Tengelmann-Eigner Karl-Erivan Haub hatte bereits frühzeitig und vehement auf einen Termin bei Gabriel gedrängt, um ihn von den Vorteilen einer Fusion mit Edeka zu überzeugen. Seine Supermarktkette gehe davon aus, "dass Sie mit uns sprechen werden, wenn Sie Auflagen beabsichtigen sollten, so dass wir Ihnen auch die Folgen von Auflagen vor Augen führen können", schrieb er am 26. August 2015 an Gabriel.

Konkurrent Rewe wiederum legte ein Angebot vor, das einem SPD-Mann eigentlich hätte gefallen müssen: Arbeitsplätze sollten erhalten statt gestrichen werden. Gewerkschaften sollten mehr Einfluss bekommen. Haub aber, so zeigen auch die Stellungnahmen in den Akten, hatte Vorbehalte gegen Rewe.

Eine handschriftliche Notiz, die Gabriel zur Vorbereitung auf die Gespräche mit Haub und Mosa am 1. Dezember angefertigt hatte, deutet zwar darauf hin, dass der Minister noch mit dem Gedanken spielte, seine Erlaubnis zu verweigern. Doch dort gibt es auch noch einen anderen Hinweis: "Rückfallposition: Edeka darf in diesen fünf Jahren maximal zehn Prozent des Personals abbauen." Seltsam scheint diese Notiz auch deshalb, weil in Unterlagen, die Edeka an das Ministerium schickte, durchaus bekundet wurde, man wolle alle Arbeitsplätze erhalten, perspektivisch sogar ausbauen.

Auch könnten Beamte des Ministeriums im vergangenen Dezember weitere vertrauliche Kontakte zu Edeka gehabt haben, kritisierte der Senat. Ein Gerichtssprecher wollte sich dazu nicht äußern, da es sich bei dem Beschluss um einen „verfahrensinternen Vorgang“ handele. Vom Bundeswirtschaftsministerium war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die Sondererlaubnis Gabriels für die Mega-Fusion im Lebensmittelhandel in einer Eilentscheidung am 12. Juli für rechtswidrig erklärt und sie zunächst außer Kraft gesetzt. Das endgültige Urteil steht noch aus. Gabriel habe „über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen, da sein Verhalten (…) die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität begründe“, hieß es in der Eilentscheidung. Der Minister hatte die Kritik entschieden zurückgewiesen und rechtliche Schritte angekündigt. Den Verdacht der Befangenheit nannte er „absurd“.

Der Senat habe Akten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Ministererlaubnisverfahren weiter ausgewertet, heißt es nun in dem Beschluss weiter. Der Minister habe im Dezember 2015 „unter Ausschluss aller anderen Beteiligten des Ministererlaubnisverfahrens insgesamt zwei Gespräche mit den Verantwortlichen von Edeka und Kaiser’s Tengelmann geführt“, erklärten die Richter. Doch in den Akten des Ministeriums fänden sich keine Vermerke über Ablauf und Inhalt. Deshalb sei unklar, ob Gabriel Einzelgespräche mit den Konzernchefs von Edeka und Tengelmann, Markus Mosa und Karl-Erivan Haub, geführt habe oder ob Beamte des Ministeriums zugegen gewesen seien. Das ändere aber nichts an der Einschätzung des Gerichts: „Für die vom Senat angenommene Besorgnis der Befangenheit“ sei es „ohne jeden Belang, ob neben dem Bundesminister auch die verfahrensführenden Beamten (…) an den Unterredungen teilgenommen haben“. Denn die Besorgnis der Befangenheit resultiere schon daraus, dass Gabriel die Gespräche etwa gegenüber Rewe geheim gehalten habe.

Zudem habe Mosa dem Minister am 1. Dezember ein sechsseitiges Dokument übergeben, in dem Anwälte Einwände gegen eine Offerte von Rewe für Kaiser’s Tengelmann aufgelistet hatten. „Weder der Minister noch seine verfahrensführenden Beamten haben – wie es ihre verfahrensrechtliche Pflicht (…) gewesen wäre – zeitnah verfügt, dass entweder der betroffenen Rewe und den anderen Beteiligten (…) die anwaltliche Ausarbeitung (…) in Kopie zur Kenntnis gegeben wird oder diese zumindest (…) unterrichtet werden.“

Auch hätten sich bei der weiteren Auswertung der Akten des Ministeriums Anhaltspunkte für den Verdacht ergeben, dass Beamte des Ministeriums mit Wissen Gabriels auch am 2. Dezember und am 21. Dezember „vertraulichen Kontakt zu Verantwortlichen der Edeka hatten“. Zudem sei „der Zeitplan für die Bekanntgabe der Nebenbestimmungen zur Ministererlaubnis“ an Verfahrensbeteiligte mit dem Edeka-Chef vertraulich besprochen worden.

Ob Bestechungsgelder oder Provisionen geflossen sind, konnte das Gericht nicht beantworten.

Das Bundeskartellamt hatte der größten deutschen Supermarktkette Edeka die Fusion untersagt. Gabriel hatte dann im März unter Auflagen grünes Licht für den umstrittenen Zusammenschluss gegeben und damit das Veto der Behörde ausgehebelt. Dagegen hatte unter anderem der Edeka-Konkurrent Rewe vor dem Düsseldorfer Gericht geklagt. Rewe hatte selbst für Kaiser’s Tengelmann geboten, war aber nicht zum Zug gekommen.