Griechenland: Generalstreik gegen Sparpaket der Syriza-Regierung

Athen treibt auf den Abgrund zu

Für neues Geld soll Griechenland sparen und reformieren. Dass das gelingt, glaubt außerhalb Deutschlands kaum einer mehr. Es sieht schlecht aus für das "Land der Verlorenen" – und die Hilfsgelder.

Mit einem zweitägigen Generalstreik, der am Freitag begann, haben die Gewerkschaften in Griechenland auf einen plötzlichen Schachzug der Regierung reagiert. Diese lässt die eigentlich für nächste Woche geplante Parlamentsdebatte über die mit den Gläubigern ausgehandelte »Steuer- und Rentenreform« bereits an diesem Wochenende stattfinden. Seit Freitag morgen haben Hunderttausende Lohnabhängige die Arbeit niedergelegt. Insbesondere im öffentlichen Dienst herrschte Stillstand:

Bereits am Freitag fanden in vielen Städten des Landes Kundgebungen mit Zehntausenden Teilnehmern statt. In Athen gab es getrennte Züge der Gewerkschaftsdachverbände sowie der kommunistischen Gewerkschaftsfront PAME durch die Innenstadt. Der Generalsekretär der KP Griechenlands (KKE), Dimitris Koutsoubas, erklärte, in der Gesellschaft prallten zwei Welten aufeinander: »Auf der einen Seite die Welt der Arbeit, der Lohnabhängigen, all derer, die seit Jahren leiden und bluten, und auf der anderen Seite die Welt des Reichtums, eines unglaublichen Überflusses, die Welt der Korruption«. Die Auseinandersetzung werde »auf der Straße entschieden«, setzte Koutsoubas hinzu. Nötig seien ein »griechenlandweiter Aufstand, Mobilisierungen des Volkes, organisierte massenhafte und starke Streikaktionen, Demonstrationen im ganzen Land«.

Die von der Regierung aus Syriza und Anel mit EU, Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und Europäischem Stabilitätsmechanismus (ESM) vereinbarten neuen Kürzungen treffen erneut vor allem die ärmeren Schichten, so durch eine erneute Anhebung der Mehrwertsteuer auf nunmehr 24 Prozent.

Schon jetzt ist absehbar, dass diese Reformen den Euro-Akteuren trotzdem nicht ausreichen.

Der nur für Jahreseinkommen bis 20.000 Euro unbeschränkt geltende Steuerfreibetrag von derzeit 9.545 Euro wird auf 9.090, für Kinderlose sogar auf 8.182 Euro gesenkt. Gleichzeitig erhöhen sich die Abgaben für die Rentenversicherung, während das zu erwartende Altersruhegeld zum 14. Mal seit Beginn der »Krise« gekürzt wird. Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras verteidigt die Maßnahmen trotzdem als »soziale Reform«, mit der »die Renten gesichert, die sozial Schwachen geschützt und die Lasten bei Steuern und Renten gleichmäßiger verteilt werden«. Arbeitsminister Giorgos Katroungalos bezeichnete die von den Gewerkschaften als »Guillotine des Rentensystems« verurteilte Reform als »sozial gerecht«.

Anders als in Deutschland zum Beispiel gibt es nach längerer Arbeitslosigkeit keine Sozialhilfe für die Griechen. Ganze Familien leben daher von der Rente der Großeltern. Werden die Pensionen gekürzt, hat das oft harte soziale Folgen für die Betroffenen. In Griechenland sind die anstehenden Beschlüsse daher sehr umstritten – zumal die Geldgeber mit dem Ausmaß der Rentenkürzungen nicht einmal zufrieden sind.

Ob und wie lange Premier Tsipras weitere Sparpakete politisch übersteht, ist eine Frage, die sich nicht nur die Griechen stellen. Auch die Geldgeber wissen nicht, ob der Mann, mit dem sie heute verhandeln, in den nächsten Wochen noch regiert.

Unter anderem sollen die Renten um insgesamt 1,8 Milliarden Euro gekürzt werden. Weitere Steuererhöhungen müssen noch einmal 1,8 Milliarden Euro in die Staatskasse bringen. Der Gewerkschaftsverband des privaten Bereichs GSEE bezeichnete die Kürzungen als "Grabstein" des Rentensystems. Wer ab Montag in Rente geht, solle bis zu 30 Prozent weniger Geld bekommen, hieß es. Die Staatsbediensteten-Gewerkschaft ADEDY sprach von einem "Überfall auf die Renten" und rief zum Widerstand auf.

Aus Tsipras’ Umfeld hieß es am Freitag morgen zudem, die Maßnahmen seien auf eigene Entscheidungen zurückzuführen und keineswegs von den Gläubigern vorgegeben worden.

Der US dominierte IWF schiesst zudem innerhalb der Troika quer.

IWF-Chefin Christine Lagarde hat daher jetzt auch einen Brief an die Finanzminister der Euro-Zone geschrieben, in dem sie die Position des Fonds darlegt.

Zuerst ist das Schreiben vor allem eine Kampfansage an Deutschland und an die EU . Lagarde forderte die Finanzminister der Eurozone auf, sofortige Verhandlungen über Schuldenstreichungen für Griechenland aufzunehmen.

Zugleich verlangt sie, die Sparvorschriften für Griechenland weiter  zu lockern. Das im letzten Rettungspaket vorgeschriebene Ziel eines primären Haushaltsüberschusses von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei unrealistisch und müsse deutlich reduziert werden.

Die Unterstützung für Griechenland müsse "auf Haushaltszielen beruhen, die realistisch sind", schreibt Lagarde. Andernfalls könne der IWF sich nicht weiter an den Hilfen beteiligen. Das Haushaltsziel für Griechenland solle auf einen Primärüberschuss von 1,5 Prozent statt wie bislang vorgesehen 3,5 Prozent reduziert werden, fordert Lagarde nun.