Gastbeitrag von Harald W. Jürgensonn, Journalist und Kathrin Senger-Schäfer, Politikwissenschaftlerin

Unruhe im Landesverband Rheinland-Pfalz wächst nach Wahlschlappe 

Anmerkungen zum Ergebnis der LINKEN bei der Landtagswahl Rheinland-Pfalz 2016

Das Ergebnis 2,8 Prozent kann weder befriedigen noch überrascht es. In ersten Stellungnahmen nach der Wahl werden von der LINKEN RLP als Ursachen für die krachende Wahlniederlage sowohl die Wählerstimmen für die AfD als auch die Zuspitzung des Wahlkampfs auf die Spitzenkandidatinnen von SPD und CDU, Malu Dreyer und Julia Klöckner, benannt.

Man selbst habe einen „tollen Wahlkampf“ geführt, gehe „geschlossen aus dem Wahlkampf hervor“, habe sich „einfach getraut“, es „einfach gemacht“ und hatte „wirklich viel Spaß dabei“. Das ist zu kurz gedacht.

Auch diesmal übernimmt niemand in der rheinland-pfälzischen LINKEN Verantwortung für den Irrweg hin zur Splitterpartei.

In den vergangenen Jahren wurden weder Parteiaufbauarbeit geleistet noch Parteimitglieder auf die politische Arbeit vorbereitet. Es ist der Partei nicht gelungen, die Probleme der Menschen im Land zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Es ist der Partei auch nicht mal im Ansatz gelungen, die AfD als das darzustellen, was sie ist – eine Nazi-Partei. Und entsprechend dagegenzuhalten – bei den Protestwählern, bei den Nichtwählern.

Statt klarer und konkreter landespolitischer Aussagen gab es auf Plakaten Zitate von Papst Franziskus und Helmut Kohl; das kann man machen, wenn die Pflichtthemen abgehakt sind, nicht jedoch als Höhepunkt der Wahlkampagne betrachten. Die fünf Jahre seit der Landtagswahl 2011 wurde nicht genutzt, sich als Partei der Sachkunde und Alternativen, als Kümmerer und Partei des offenen Ohrs für die Belange der Bürgerinnen und Bürger in Rheinland-Pfalz zu positionieren. Genossinnen und Genossen haben für den Papierkorb gearbeitet, weil der rheinland-pfälzischen Parteiführung innerparteiliche Machterhaltung wichtiger war als politische Arbeit und nach außen wie innen überzeugendes und motivierendes Auftreten.

Signifikant sind die Unterschiede der Erst- und Zweitstimmen. Sie zeigen, dass dort, wo kommunal einzelne Parteimitglieder aktiv waren in Parlamenten oder im außerparlamentarischen Bereich, die Stimmenanteile höher waren als die der Gesamt-Landespartei. Diese von der Landesparteispitze ausgegrenzten GenossInnen haben zumindest noch die 2,8 % stützen können, während die dem Landesvorsitzenden genehmen SpitzenkandidatInnen Verluste einfuhren.

Es ist wahrscheinlich, dass es ab 2017 nur noch für ein LINKE-Bundestagsmandat in RLP reicht.

DIE LINKE in RLP ist so gut wie nicht wahrnehmbar und versäumt es, die Parteien vor sich herzutreiben. Dass dies auch ohne Landtagspräsenz möglich ist, haben die Grünen vor 2011 bewiesen.

DIE LINKE könnte politische Kompetenz beweisen, würde sie zumindest zu den großen Landesthemen Stellung beziehen und Alternativen aufzeigen. Stattdessen wird geschwiegen – und sich dann auch noch beschwert, man werde medial nicht wahrgenommen. Das ist schizophren.

Seit Jahren geht es mit der Landespartei unter der Ägide von Alexander Ulrich immer weiter bergab. DIE LINKE ist nicht verankert in der Bevölkerung, viele kluge Köpfe haben den Landesverband gewechselt oder die Partei ganz verlassen. DIE LINKE in RLP ist keine Mitmach- sondern eine Machterhaltungspartei mit dem Ziel des erneuten Bundestagsmandats von Alexander Ulrich.

Dieser Privatisierung werden alle politischen Ansätze und Anstrengungen untergeordnet. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Realitätsverkennung des Landesvorsitzenden. Ende 2015 sprach er noch von einer möglichen Rot-Rot-Grün-Lösung in RLP, dann waren es „6 plus x Prozent“, die er ausrief. Heraus kamen vorhersehbare 2,8 %. Damit wird sich vielleicht das Mandat des Abgeordneten Ulrich erhalten, nicht aber das Bundesergebnis der LINKEN stabilisieren oder gar steigern lassen.

Die Bundespartei wird zum Opfer eines Genossen, der von Anfang an zwar durch brüllende Rhetorik, nicht aber durch eigene inhaltliche Beiträge auffiel – weder in der Partei noch in der Fraktion.

Apparatschiks können eine Zeitlang stützend wirken, sind jedoch auf Dauer paralysierend, gefährlich und austauschbar.

DIE LINKE in Rheinland-Pfalz braucht seit Jahren einen Neuanfang. Auch das ist dem Bundesvorstand und führenden Mitgliedern der Linksfraktion im Bundestag bekannt; wir wiesen bereits am 12. 11. 2013 darauf hin (siehe Anlage „Für eine solide LINKE in Rheinland-Pfalz“ **).

Die Landespartei braucht einen Landesvorsitzenden, der die Verantwortung für Ergebnisse seiner Art der Parteiführung übernimmt – und keinen egomanischen Propagandisten, der in der Furche liegt und von Zeit zu Zeit den Finger hebt, um festzustellen, woher der für das eigene Fortkommen günstigste Wind weht. Nach zwölf Jahren „System Ulrich“ hat die Landespartei nur eine Chance, wenn dieses System abgelöst wird durch das, was DIE LINKE zu ihren Grundpfeilern zählt: Motivation, innerparteiliche Demokratie, Mitmachmöglichkeiten.

Daraus ergibt sich außerparteiliche Mobilisierung für die Ziele und Ideen dieser Partei. Alexander Ulrich hat innerparteilich Existenzen zerstört, Motivation erlahmen lassen und konterkariert, was uns von anderen Parteien unterscheiden sollte. Die Quittung hierfür sind Bedeutungslosigkeit der Landespartei und eine Akzeptanz, die gegen Null tendiert.

Die Konsequenz aus der Landtagswahl 2016 kann nur sein: Der Landesvorstand muss den Weg freimachen für einen Neuanfang mit neuen Köpfen, mit neuen Ideen und daraus folgernd neuem Mut für die Zukunft. Der Ball liegt im Feld von Alexander Ulrich. Beharrt er auf teamunfähigem Alleinspiel im Landesverband, gefährdet er den Klassenerhalt der LINKEN auf Bundesebene. Das kann nicht im Interesse der Bundespartei liegen und entspricht nicht dem, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten und erhoffen. Harald W. Jürgensonn, Journalist Kathrin Senger-Schäfer, Politikwissenschaftlerin 15. März 2016 ** Anlage „Für eine solide LINKE in Rheinland-Pfalz“ (12.11.2013):

Für eine solide LINKE. in Rheinland-Pfalz

Der Rücktritt von nun insgesamt zehn Mitgliedern des ursprünglich 15-köpfigen Landesvorstands der LINKEN. Rheinland-Pfalz ist ein Symptom der inneren Verfasstheit dieses Landesverbands.

Nicht erst seit Gründung der LINKEN im Jahr 2007, sondern schon nach Gründung der WASG drei Jahre zuvor zeichneten sich die Schwierigkeiten beim Aufbau der Landespartei ab. Von einer Wahl zur anderen getrieben, nahmen sich weder Mitglieder noch Gremien die Zeit, nachhaltige Strukturen und politisch verlässliche Positionen aufzubauen.

DIE LINKE. Rheinland-Pfalz ist bis heute gefangen in einem Geflecht organisatorischer und personeller Streitfragen.

Da diese Fragen innerhalb des Landesverbands bis heute nicht zielführend geklärt wurden, droht der Landespartei weitere interne Selbstbeschäftigung.

Das macht sie unattraktiv für Bürgerinnen und Bürger, die politische Lösungen und Alternativen von ihr erwarten, das macht sie unattraktiv für Mitglieder, die in der LINKEN eine Möglichkeit sahen, Politik zu verändern.

Die aktuelle Situation kann weder durch ein „Weiter so“ noch durch ein „Jetzt erst recht“ der bisherigen Protagonisten zum Guten gewendet werden. Beides bedeutet weiterhin Stillstand und Selbstbeschäftigung statt Stärkung und Weiterentwicklung. Politisch stehen wir mit dem Rücken zur Wand.

Lag der Landesverband bei der Bundestagswahl 2013 im oberen Drittel, was die Stimmenverluste betrifft, wird sich dieser Trend bei den anstehenden Kommunalwahlen noch verstärken und den verheerenden Höhepunkt bei den Landtagswahlen 2016 erreichen.

Alle bisherigen Versuche, die Partei zu befrieden, sind gescheitert. Die politische Kultur des „sich zu Tode Siegens“ muss beendet werden. DIE LINKE.

Rheinland-Pfalz braucht jetzt Luft, Zeit und Ruhe, um Strukturen aufbauen und damit einen Neuanfang vorbereiten zu können – unbelastet von Fehlern, Versäumnissen und Animositäten der Vergangenheit.

Hierfür bitten wir um die Hilfe der Bundespartei sowie der anderen Landesverbände. Eine Möglichkeit zur Förderung des politischen und personellen Neuaufbaus der Landespartei sehen wir in einer befristeten Übergangslösung, bei der die Führung der LINKEN. Rheinland-Pfalz für die Dauer eines Jahres von der Bundespartei übernommen wird. Organisatorisch ist der einzige verbliebene hauptamtliche Mitarbeiter mit geschäftsführender Funktion bereits der Bundespartei zugeordnet, so dass es bei dieser Alternative lediglich um die innerhalb eines Landesvorstands üblichen, rechtlichen Funktionen geht, die kommissarisch von der Bundespartei übernommen werden können. In dieser Übergangszeit können in der Landespartei – unbelastet von personellen Querelen – politische Positionen entwickelt und künftige Kandidatinnen und Kandidaten für Ämter in der Leitung der Landespartei gesucht und aufgebaut werden.

Entscheidend sind dann weder Fragen um Mandate oder Machtkonstrukte noch Aufrechnungen alter Fehler oder persönlicher Befindlichkeiten. Entscheidend sind zielführende Ideen und Aktionen zur politischen Arbeit und personeller Entwicklung hinsichtlich der Mitgliederzahl und damit zur Akzeptanz der LINKEN in Rheinland-Pfalz. Diese Alternative ist ungewöhnlich. Aber wir sehen in ihr die einzige Möglichkeit, DIE LINKE. Rheinland-Pfalz erfolgreich aufzubauen, zu etablieren und mit Aussicht auf gute Ergebnisse in die kommenden Wahlen zu führen. Wir empfehlen dem Parteivorstand dringend, unseren Vorschlag zu diskutieren und die Mitglieder in RLP entsprechend einzubinden.

Mainz, 12. November 2013 Harald W. Jürgensonn, Journalist Kathrin Senger-Schäfer, Politikwissenschaftlerin