Kapitalismus tötet - Gigantische Umweltkatastrophe in Brasilien

Hunderte Kilometer des Rio Doce sind zerstört und vergiftet: Brasilien droht eine der schlimmsten Umweltkatastrophen in der Geschichte des Landes.

Die Nachrichtenagentur Reuters hat errechnet, dass dies der Füllmenge von 25 000 Olympia-Schwimmbecken entspricht.

Der Rio Doce ("Süßer Fluss") ist von seiner Quelle in den Mittelgebirgen von Minas Gerais bis zur Atlantikmündung im Bundestaat Espirito Santo 853 Kilometer lang, davon sind nun 666 Kilometer zerstört, verseucht, vergiftet.

Viele Ortschaften und indigene Dörfer entlang des Flusses sind von der Wasserversorgung abgeschnitten. Sie werden notdürftig mit Tanklastwagen und Mineralwasser beliefert. Betroffen sind auch die Städte Governador Valadares, Baixo Guandu und Colatina mit insgesamt fast 400 000 Einwohnern. Dort haben die Behörden begonnen, das Flusswasser mit chemischen Mitteln aufzubereiten, um die Wasserversorgung zumindest teilweise wieder in Gang zu bringen. Der Bürgermeister von Baixo Guandu teilte gleichwohl mit, es sei weder trinkbar noch zur Bewässerung der Felder geeignet.

Als am 5. November 2015 die Dämme zweier Rückhaltebecken der Eisenerzmine in Bento Rodriguez - 250 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro in Brasilien - brachen, ergossen sich 60 Millionen Kubikmeter eines Giftcocktails aus Arsen, Aluminium, Blei, Kupfer und Quecksilber ins Tal. Nach offiziellen Angaben verloren mindestens 13 Menschen ihr Leben, Betroffene berichten von bis zu 40 Toten. Mehr als 500 Menschen verloren ihre Häuser, mehrere hunderttausend wurden von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten. Über seine Zuflüsse gelangte die Giftbrühe in den Fluss Rio Doce und am 22. November 2015 in den Atlantik, wo drei Meeresschutzgebiete unmittelbar bedroht sind. Viele sprechen inzwischen von einem "brasilianischen Fukushima".

Der brasilianische Staat hat den Bergbaukonzern Samarco, ein Joint Venture zwischen dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale – wohl gemerkt ein ehemaliger Staatskonzern, an dem die Regierung noch Aktien hält - und dem britisch-australischen Rohstoffgiganten BHP Billiton auf umgerechnet 4,9 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt. Der behauptet unverfroren, die Stoffe aus den Rückhaltebecken seien "nicht giftig", die Katastrophe bliebe "ohne Folgen". Der brasilianische Meeresbiologe André Ruschi sagte dagegen in den "heute"-Nachrichten: "Es wird mindestens 100 Jahre dauern, bis die Rückstände dieser Giftstoffe langsam verschwinden."

Die Schadensersatzklage ist deshalb völlig berechtigt, denn der Konzern ist der Hauptverursacher. Es ist aber auch scheinheilig, weil die Bergbaukonzerne davon profitierten, dass die Regierung von Dilma Rousseff den Umweltschutz gegenüber früheren Regierungen deutlich zurückgefahren hat. Deshalb und aufgrund der Verstrickung des brasilianischen Staats in den jetzigen Umweltskandal fordern immer mehr Menschen den Rücktritt der Präsidentin.

Samarco hat schon angekündigt, ab 30. November alle Gehaltszahlungen an Angestellte sowie Zahlungen an Lieferanten einzustellen, um die Strafzahlungen leisten zu können. Dabei verbuchte der Konzern im Jahre 2014 von seinem Umsatz von 2,5 Milliarden Dollar mehr als 40 Prozent als Gewinn! Trotz allein rund neun Tonnen toter Fische versucht der Konzern weiter, die katastrophalen Auswirkungen des Unglücks zu leugnen. Eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen hatte zum Ergebnis, dass die freigesetzten Abfallstoffe tödlich giftig sind.

John Knox, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, und Baskut Tuncak, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und gefährliche Substanzen, warnten vor den verheerenden Folgen: "Die Schritte, die BHP, Vale und die brasilianische Regierung unternommen haben, um Schaden abzuwenden, waren absolut unzureichend." Kosten für die Beseitigung der verheerenden Schäden des Unglücks müssen die verursachenden Monopole tragen – auf Kosten ihrer Profite!

Gegen einen solchen völlig skrupellos Raubbau an der natürlichen Umwelt durch die Monopole regt sich auch bei den Bergleuten selbst Widerstand. Sie stehen in Lateinamerika vielfach beim Kampf für den Erhalt der Umwelt an vorderster Front. Ein bedeutendes Signal dafür ging von der 1. Internationalen Bergarbeiterkonferenz 2013 in Arequipa in Peru aus. In der Gründungsresolution der dort beschlossenen Internationalen Berarbeiterkoordination heißt es:

"Wir Bergarbeiter und unsere Familien sind herausgefordert wie kaum zuvor. … Seit Beginn der Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008 beschleunigen die internationalen Bergbaukonzerne im Verbund mit Großbanken und Regierungen die Neustrukturierung des Bergbau- und Energiesektors. ... Es wird ein unvorstellbarer Raubbau an den Rohstoffen und unserer Natur betrieben – allein um maximale Profite zu scheffeln. ... Ganze Landstriche werden verwüstet, Flüsse vergiftet und die Menschen vertrieben. Das lassen wir nicht länger zu!" Der Kampf gegen die Folgen des Raubbaus der Bergbaumonopole wird auch ein zentrales Thema auf der 2. Internationalen Bergarbeiterkonferenz in Indien sein, die derzeit vorbereitet wird. 

Das im Bundesstaat Minas Gerais geförderte Erz ist übrigens der hauptsächliche Rohstoff für die Stahlproduktion von ThyssenKrupp Steel in Duisburg. Um Arbeiter- und Umweltbewegung zusammenzubringen, muss der aktive Widerstand auch gegen diese Umweltkatastrophe Bestandteil der Proteste am Weltklimatag, dem 5. Dezember, sein.