"Die Gier der herrschenden Klasse zerstört unser Land"

Bernie Sanders, Senator aus Vermont und selbsternannter „demokratischer Sozialist“, wiederholte seine Forderung nach einer „politischen Revolution“ mit dem Ziel „unsere Regierung von einer Handvoll Milliardäre zurückzuerobern und die lebendige Demokratie zu erschaffen, die wir haben könnten und haben sollten.“ Dass demokratische Präsidentschaftskandidaten Kritik an der Ungleichheit üben, stimmt eindeutig nicht mit der Praxis der Partei überein.

Das Land wurde in den letzten sieben Jahren von dem Demokraten Obama regiert; und in dieser Zeit hat die soziale Ungleichheit ein Rekordniveau erreicht. Seit Obamas Amtseinführung im Jahr 2009 sind 95 Prozent aller Einkommenszuwächse an das oberste eine Prozent der Gesellschaft gegangen.

Jetzt versucht diese Partei der Wall Street und des amerikanischen Imperialismus, sich in Worten an die Tatsache anzupassen, dass sich die Arbeiterklasse radikalisiert. Damit hofft sie, die Austeritäts- und Kriegspolitik der herrschenden Klasse besser durchsetzen zu können.

Zwischen April und Oktober haben sich Sanders' landesweite Umfragewerte von etwa vier Prozent (im Gegensatz zu Clintons 60 Prozent) auf etwa fünfundzwanzig Prozent erhöht, Clinton kommt nur noch auf 40 Prozent. In New Hampshire liegt er vor Clinton, in Iowa gleichauf mit ihr.

Die Popularität von Sanders' Wahlkampf hat Medienkommentatoren überrascht. Sie hatten es bis dahin für selbstverständlich gehalten, dass die Bezeichnung „Sozialist“ für jede politische Persönlichkeit in den USA das Todesurteil bedeutet. Tatsächlich beruht Sanders' Erfolg gerade auf seinem Appell an einen erbitterten und wachsenden Hass auf das kapitalistische System.

Bernie Sanders erklärt den demokratischem Sozialismus": Der Hillary-Rivale kämpft für Mindestlöhne, Mutterschutz und kostenlose Unis. Dies sei nicht radikal, sondern folge Ideen von Martin Luther King.

Abgesehen von einer vagen Forderung nach der Zerschlagung der größten Banken und einer Finanztransaktionssteuer schlug Sanders keine Maßnahmen vor, die etwas an den Produktionsverhältnissen oder der wirtschaftlichen Dominanz der Kapitalistenklasse ändern würden. Er deutete nirgendwo eine Verstaatlichung der Industrie und der Banken an, obwohl dies eine grundlegende Komponente sozialistischer Politik ist. Auch eine Umverteilung der Vermögen forderte er nicht ausdrücklich.

Wo immer Bernie Sanders auftaucht, da erwartet den Präsidentschaftskandidaten das "S"-Wort. Der unabhängige Senator aus Vermont bezeichnet sich als demokratischen Sozialisten, was viele US- Bürger traditionell schockiert.

Der 74-Jährige stellt sich dabei in eine Reihe mit US-Präsident Franklin Delano Roosevelt (FDR), der von 1933 bis 1945 regierte und nach der Weltwirtschaftskrise die US-Gesellschaft unter dem Schlagwort "New Deal" umbaute.

"Fast alles, was Roosevelt vorschlug, wurde als 'sozialistisch' abgetan", ruft Sanders seinen Zuhörern an der Georgetown University zu. FDR setzte unter anderem durch: Mindestlohn, Arbeitslosenversicherung, das Ende von Kinderarbeit, Sozialversicherung, die 40-Stunden-Arbeitswoche, Bankenaufsicht und staatliche Programme, die Millionen Amerikanern Arbeit gaben. Was damals als radikal galt, ist heute akzeptiert, so Sanders' Argument.

Dann zitiert er Martin Luther King, der 1968 sagte: "In diesem Land gibt es Sozialismus für die Reichen und rauen Individualismus für die Armen." Der Beifall ist enorm, als Sanders ruft: Wer mit Marihuana erwischt wird, kriegt eine Vorstrafe, die ihn lebenslang stigmatisiert. Die Banker, die die Welt 2007/2008 an den Rand des Abgrunds geführt hätten, erhielten keine Vorstrafen - sondern einen Bonus.

Danach folgen viele Zahlen, die seit der Occupy-Wall-Street-Bewegung bekannt sind und die Sanders im Wahlkampf ständig wiederholt: 58 Prozent des neu entstehenden Wirtschaftswachstums in den USA fließen auf die Konten des reichsten Prozent. Jene superreichen Amerikaner, die zu den obersten "0,1 Prozent" gehörten, besäßen genauso viel wie die unteren 90 Prozent.

Man vergleiche seine Äußerungen mit dem Programm der Socialist Party von 1936, damals unter der Führung des Reformisten Norman Thomas. Darin wurde vorgeschlagen, „die Banken, Bergwerke, Eisenbahnen, die Stromversorger und alle wichtigen Industrien in öffentliches Eigentum umzuwandeln.“ 1912, als Eugene Debs bei einer landesweiten Wahl sechs Prozent der Stimmen erhielt, forderte die Partei die Verstaatlichung der Großindustrie, die Requirierung von Lebensmittel- und Vorratslagern zur Senkung der Lebenshaltungskosten und die Kollektivierung des Banken- und Währungssystems.

Sanders schlägt Unmögliches vor: er will soziale Ungleichheit lindern, ohne die Grundlagen der Macht des Kapitalismus anzutasten.

Während sich Sanders' Umfragewerte verbessern, versucht er bewusst, das andere wichtige Machtzentrum in den USA zu beruhigen: den Militär- und Geheimdienstapparat. Am Dienstag erklärte er, er sei „bereit, dieses Land notfalls in den Krieg zu führen.“ Sanders betonte er sei „kein Pazifist“ und verwies auf seine Unterstützung für den Krieg im Kosovo unter Clinton, den Krieg in Afghanistan unter der Bush-Regierung und die derzeitige Kriegspolitik der Obama-Regierung in Syrien und im Irak.

Zuvor hatte er bereits erklärt, er würde Drohnen, Spezialkräfte „und vieles mehr“ einsetzen, und die USA „sollten das stärkste Militär der Welt haben.“ Am Dienstag forderte er außerdem eine Anklage gegen den NSA-Whistleblower Edward Snowden.

Sanders' Unterstützung für imperialistische Kriege im Ausland sagt viel mehr über seine Politik aus als seine Vorschläge für Sozialreformen im Inland. Alle Kriege, die er unterstützt, werden im Interesse der herrschenden Klasse und ihres Anspruchs auf Weltherrschaft geführt. Man kann unmöglich die Wirtschaftspolitik der Wirtschafts- und Finanzelite im Inland ablehnen und gleichzeitig ihre Politik im Ausland unterstützen.