Der Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt ist im Alter von 96 Jahren gestorben - Eine kritische Würdigung

1918 wurde Helmut Schmidt in Hamburg geboren.

Als er  1933 gerade mal 15 Jahre alt wurde hat Adolf Hitler die Macht in Deutschland erobert. Eine linke Ikone dieser Zeit war der KPD - Vorsitzende Ernst Thälmann, der als Hamburger insbesondere in der Hansestadt eine große Ausstrahlung auf die Linke im  Lande hatte.

Aber Schmidt bemühte sich Mitglied der Hitlerjugend (HJ) zu werden und er wurde Wehrmachtssoldat in der Armee von Adolf Hitler, die den Kommunismus, das Judentum und die Sowjetunion als Todfeind betrachtet und mörderisch bekämpft hatte. So war er auch am Massenmord an 27 Millionen Russen und vielen Juden in Osteuropa zumindest indirekt als Mitglied dieser Wehrmacht beteiligt. 
Bundespräsident Gauck blendete diese Aspekte bei seiner Rede komplett aus.

Schmidt selber sagte rückblickend, dass er angeblich erst nach 1945 politisch wurde und sich dann der SPD angeschlossen hatte. Jener SPD, die den Kalten Krieg nach 1949 mitgetragen hatte - auch wenn er sich später für eine Entspannungspolitik gegenüber dem Osten des Landes und Europas ausgesprochen hatte, die besonders Willy Brandt vor ihm als Kanzler umsetzte. Er selber wurde von 1974 bis 1982 Kanzler- Nachfolger von Willy Brandt, der Berufsverbote gegen Linke durchgesetzt hatte. Die Verfolgung der politischen Linken, die nicht einmal Müllmann  oder Lokomotivführer werden durften, wurde auch in der Ära Schmidt zunächst fortgesetzt.   

Während Linke politisch nach 1949 verfolgt wurden und  Nazis oftmals mit CDU- Ticket in höchste Positionen von Staat und Gesellschaft integriert wurden, hat sich auch mit den ersten SPD- beteiligten Bundesregierungen daran nichts geändert. Vielmehr hatte die SPD den ersten Regierungseintritt 1966 in einer großen Koalition unter Führung eines CDU-Kanzlers namens Kurt Georg Kiesinger vollzogen, der selber NSDAP- Mitglied im 3. Reich gewesen war.    

Stattdessen formulierte Gauck, dass es Schmidt dann später um Freiheit und Demokratie gegangen wäre. Aber entspricht das wirklich den Realitäten?

In Wahrheit hat er sich an der Hochrüstung  der Nato unter US-Vorherrschaft beteiligt und sogar zugelassen und gegen seine Fraktion im Bundestag durchgesetzt,  dass die USA totbringende  und modernste Atomwaffen gegen den Mehrheitswillen der  Bevölkerung im Lande stationieren konnten.  Aufrüstung ist immer der falsche Weg, aber genau dafür stand Helmut Schmidt.

Der sogenannte Nato-Doppelbeschluß war in Wirklichkeit ein Hochrüstungsbeschluß, der vor allem deutlich machte, dass die Bundesrepublik auch unter Helmut Schmidt nicht wirklich  souverän war und alliierte Vorbehaltsrechte weiterhin Gültigkeit hatten, wie wir heute wissen. So hat der den faktischen Kolonialstatus der Bundesrepublik geduldet und erhalten und deutsche Interessen damals mit Füßen getreten. Das Duckmäusertum gegenüber den USA war auch damals bereits hoch im Kurs.

Obwohl hunderttausende 1981 im Bonner Hofgarten gegen die Nato- Rüstung protestierten, zog es diese Politik gegen den Willen der Menschen durch. Später rühmte er sich damit, dass nicht die Volksbewegung von Hunderttausenden Recht hatte sondern angeblich er als damaliger Kanzler. Diesen Irrglauben hat er nie abgelegt.  Auch das führte zur Entstehung der Bewegung der Grünen.

Vor allem aber war Schmidt für die Westintegration und somit für den Verbleib der Bundesrepublik in der Nato und der EU, was übrigens die Spaltung Deutschlands und Europas vertieft hat und uns zu Komplizen einer damals schon kriegerischen  US- Weltherrschaftspolitik machte, die damals schon zu Fluchtwellen in der Welt hätte führen können. 

Als Architekt des €uro - zusammen mit Giscard d Estaing -  ist er auch dafür mitverantwortlich, dass diese EU als Projekt einer Wirtschafts- und Währungsunion  bei gleichzeitigem Fehlen einer Sozialunion und somit grundsätzlich fehlerhaft konzipiert wurde, was allen Europäern heutzutage womöglich auf die Füße fällt.

Schon als der erste SPD Vorsitzende Schumacher die rein wirtschaftliche europäische Einigung mit der Begründung der 4 K s  ( kapitalistisch, konservativ, klerikal und kartellistisch) ablehnte, war Schmidt schon gegen seine Partei für eine  Wirtschaftsunion als Montanunion für Kohle und Stahl. 

Oskar Lafontaine hebt in einem Nachruf allerdings differenzierend hervor:

Er hat neben Willy Brandt die deutsche Sozialdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg am Stärksten geprägt. Als Bundeskanzler hat er wie kein anderer darauf gedrängt, dass die großen Industriestaaten eine gemeinsame, aufeinander abgestimmte Wirtschaftspolitik machen. Er forderte die Regulierung der Finanzmärkte, stabile Wechselkurse und geißelte als einer der Ersten den Raubtierkapitalismus. Mit dem französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d'Estaing brachte er das europäische Währungssystem auf den Weg.

Im Kampf gegen die 68 er Bewegung hat er den Widerstand der Studenten,  wie vorher auch schon Willy Brandt, provoziert und diese Volksbewegung bekämpft. Rudi Dutschke betrachtete die SPD-Kanzler als politische Gegner, denen man nicht ansatzweise entgegenkam. Das führte zur Radikalisierung der Studentenbewegung und brachte die RAF als den radikalsten linken Flügel der Studentenbewegung hervor, die nur noch den bewaffneten Kampf als letzte Option ansahen, weil sie glaubten, dass der politische Dialog mit den etablierten Parteien inklusive der SPD nicht möglich sei. 

Helmut Schmidt hatte nach anfänglicher Kooperationsbereitschaft nach der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hans-Martin Schleyer keine Kooperationsbereitschaft mehr gezeigt und die Freilassung soganannter "politischer Gefangener" der RAF  im Austausch mit "politischen Gefangenen"  abgelehnt und so den Tod von Schleyer billigend in Kauf genommen.

Prozionistischen Position und  die Solidarität mit dem Apartheidregime in Israel dürfen hier dann auch nicht unerwähnt  bleiben, wie der brutale Einsatz gegen Palästinenser-Kämpfer während der Olympischen Spiele in München, die dort in den 70 er Jahren ein Attentat verübt haben, weil sie gefangene palästinensische Freiheitskämpfer freipressen wollten . Hier hätte er verhandeln müssen statt die gewaltsame Stürmung des Flugzeuges "Landshut" in Mogadischu durchzusetzen, der viele Palästinenser zum Opfer fielen, die sich als Freiheitskämpfer gegen ein Unrechtsregime betrachtet hatten. 

Viele tausende Linke in der  Bundesrepublik sympathierten damals mit der RAF, die eine Zeit für eine deutsche und rote Revolution im Lande für gekommen  sah. Das macht ein Beitrag in einer Sondersendung auf Phönix  ( Zum Tode von Helmut Schmidt) heute deutlich.  Eine Linkspartei gab es damals nicht. So sammelten sich die Linken in K- Gruppen und moskautreue Linke in der DKP. Diese Gruppen repräsentierten damals die außerparlamentarische Linke, links von der SPD. Auch viele Linke, die den militärischen Kampf ablehnten, hatten für den politischen Kampf dieser selbst ernannten marxistischen Kämpfer im Lande durchaus Verständnis.  

Ungeklärt ist bis heute, ob politische Gefangene der RAF im Gefängnis in Stuttgart Stammheim gewaltsam zu Tode kamen. Manche Zeitgenossen hatten der Regierung Schmidt sogar politische Morde von politischen Gefangenen nach der gescheiterten Schleyer-Entführung vorgeworfen, weil im sichersten Gefängnis des Landes politische Führer der RAF in ihren Gefängniszellen erschossen  aufgefunden worden waren. Ebenso hat der Hungertod von Holger Meins viele Menschen erschütttert - auch den Führer  der 68 er Studentenbewegung Rudi Dutschke, der Meins am Grab schwor, dass der politische Kampf weitergehen werde.  

Mit brutalen Polizeistaatsmethoden wurden nicht nur RAF- Mitglieder bekämpft  auch Linke auf Demonstrationen haben selbst in SPD regierten Ländern wie Bremen damals brutale Polizeigewalt erleben müssen.

Die Bewegung gegen Atomkraft hat Ex-Kanzler Helmut Schmidt mit äusserster Brutalität unterdrückt. In Brokdorf kam es 1976 zu einem bis dahin ungekannten Polizeiaufgebot und einer kompletten Abzäunung des Areals und  sogar zum Einsatz von Hubschraubern und Wasserwerfern sowie panzerähnlicher Fahrzeuge gegen die Atomkraftbewegung, die damals von den kommunistischen K-Gruppen - insbesondere dem KBW- und  ersten grün-alternativen Gruppen getragen worden war. Erstmals wurde auch die chemische Keule massiv gegen Demonstranten eingesetzt. Auch wenn insbesondere die CDU-Landesregierung in Kiel das Projekt durchsetzen wollten, beteiligten sich auch Bundesbehörden wie der Bundesgrenzschutz an dieser massivem Polizeioperation.

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Auch Angela Merkel würdigt Helmut Schmidt. Sie kam selber aus Hamburg und siedelte dann bereits 1954 mit einem Jahr in die DDR über, weil ihr Vater als kommunistischer Pfarrer nach dem Tod Stalins  im Osten wirken wollte. Merkel selber machte als FDJ- Kader Karriere und sie brachte es als bekennende Kommunistin  ( die unter Helmut Schmidt als Linke in der BRD  nicht mal Lokomotivführer oder Müllfrau hätte werden können) bis zur rechten Hand des Stasi IM - Top Agenten und Marxismus-Leninismus-Professors Hans Jörg Osten an der Akademie der Wissenschaften der DDR in der Hauptstadt Berlin brachte. 

Das ändert aber an ihrer nur positiven Würdigung des ehemaligen SPD- Bundeskanzlers nichts.

Auch zur Zuwanderung hatte Schmidt fragwürdige Positionen. 2005 warnte er vor zu vielen Zuwandern. 1973 hatte Willy Brandt als SPD- Kanzler bereits einen Anwerbestop für türkische Arbeitskräfte verkündet. 2008 warnte Schmidt gar vor zu vielen Muslimen im Lande. In einer Sendung mit Maischberger verteidigte er teilweise Sarazzin und seine ausländerfeindlichen Äußerungen. Sogar Huntington und sein Werk " Clash of Ziviliation" führte er bei Maischberger als Schreckgespenst an, dass gerne islamophobe und rechtspopulistische Zeitgenossen im antihumanistischem Geiste immer wieder heranziehen.

1982 stürzte die FDP in der SPD/FDP- Regierung dann Helmut Schmidt, indem die vier FDP- Minister die Regierung Schmidt verließen und zur CDU überliefen, so dass 1982 Helmut Kohl Kanzler- Nachfolger wurde und die Repuplik dann seither stramm rechtspopulistisch regiert wurde. Wirtschaftspolitisch setzte sich der Thacherismus und der Neoliberalismus durch.

Positiv ist anzumerken, dass er sich in den letzten Jahren dem Rußland-Bashing entgegenstellte und  dieses klar ablehnte.