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Das Ende des "Qualitätsjournalismus"

ein Kommentar von Ralph T. Niemeyer

In Internetforen bildet sich seit Längerem schon so etwas wie ein Korrektiv zum Qualitätsjournalismus (der "vierten Gewalt"), eine Art "fünfte Gewalt", die nicht bereit ist jede Welle, wie im Fall der vergangenen 7 Tage die der geballten Empörung über den Unglückspiloten, mitzumachen, ohne kritisch zu hinterfragen und nach Beweisen zu verlangen, anstatt blindlings auf die Ehrlichkeit und Unvoreingenommenheit der Ermittler und die sie unterstützenden Herrschaftsmedien zu vertrauen.

Sicher führt es bisweilen zu absurden Verschwörungstheorien, aber im Wesentlichen ist es nützlich, diese 5. Gewalt zu etablieren, denn auch Redakteure müssen sich von selbstherrlichem Verhalten verabschieden.

Redakteure müssen wieder recherchieren, unvoreingenommen an eine Sache herangehen, ein Puzzle von einzelnen stichhaltigen Beweisen wie in einem Mosaik zusammensetzen und können nicht einfach eine absurde rein auf Indizien beruhende Verschwörungstheorie mit allem Nachdruck in die Köpfe einhämmern, ohne zugleich die Fragen zu stellen, warum die wichtige zweite Blackbox, die ja im gleichen Flugzeugteil zu finden wäre, verschwunden ist, was es mit Berichten von der französischen Luftwaffe in der New York Times auf sich hat und warum einige Zeugen Rauch gesehen haben wollen, andere die Meinung vertreten, das Flugzeug sei ohne Explosion am Berg zerschellt (DIE WELT).

Fakt ist, daß die Ungereimtheiten keinen eindeutigen Schluß zulassen, weil es keinerlei Beweise für die offizielle Version gibt. Faule und obrigkeitshörige Journalisten müssen von der 5. Gewalt unter Druck gesetzt werden, damit man der Wahrheit möglichst nahe kommt. Bislang kann man nur von Verschleierungen sprechen.

Die Kollegen wissen in Wahrheit nichts, gerieren sich aber so, als hätten sie eine Kristallkugel. Besonders im Fernsehen werden Nachrichten mit Kommentaren vermischt.

Ich habe 1987 die Barschel - Affäre hautnah miterlebt und werde auch heute noch immer wieder in regelmäßigen Abständen dazu befragt.

Was auffällt, ist die Tatsache, daß sich solche Ereignisse über den Lauf der Jahrzehnte anders und nüchterner einordnen lassen, als dies im ersten Affekt durch viele Menschen immer wieder geschieht. Damals ging man von einer Selbstmordtheorie aus und jeder, der etwas anderes auch nur laut andachte wurde mit ähnlicher beinahe freudiger Häme überzogen, ähnlich wie momentan die Qualitätsjournalisten kritische Fragen abbügeln.

Ich war einer der letzten Journalisten, der mit Herrn Barschel gesprochen hatte und wurde Zeuge, wie dieser mit meinem inzwischen verstorbenen Kollegen einen Termin in Genf vereinbarte, um Entlastungsbeweise vorzulegen. Die damals ermittelnde Untersuchungsrichterin Nicole Nardin war an meiner Aussage sehr interessiert. Sie wurde, weil mit 28 Jahren angeblich zu jung, von einem alten Hasen aus Bern abgelöst, bevor meine Aussage protokolliert werden konnte. Justizbundesrätin war eine Frau Kopp, deren Ehemann später wegen Geldwäsche für den Waffenhändler Kashoggi verurteilt wurde. Sie war befangen und hätte zuücktreten müssen, wenn auch nur der Mindeststandard einer kriminaltechnischen Untersuchung eingehalten werden hätte sollen. 

Das alles interessierte Stern, Spiegel, Springer und alle anderen Qualitätsmedien 1987 nicht. Erst 25 Jahre später wurde ich durch Herrn Kalinka, der früher der Vorsitzende des Kieler Untersuchungsausschuß gewesen war, erneut befragt, plötzlich hatte auch ein Journalist von DIE WELT Interesse, aber schon aus Prinzip rede ich nicht mit solchen Medien, bevor nicht alle Untersuchungen abgeschlossen sind.

So ist es seriös, alles andere ist Effekthascherei. Inzwischen geht man bei Herrn Barschel's Tod von ungeklärtem Fremdverschulden aus. Kurz gesagt: hätte jemand 1963 die Hintergründe der Ermordung von Präsident Kennedy in Frage gestellt, wäre er mit Schimpf und Schande verjagt worden. Später durfte dann Oliver Stone einen preisgekrönten Film über genau diese Tragödie mit dem Anspruch nachzuweisen, daß es sich um ein Komplott gehandelt hat, drehen.

Ich sage nicht, daß der Co Pilot möglicherweise der allein Verantwortliche sein könnte, aber ich würde ebensowenig die anderen Möglichkeiten bis hin zu einem militärischen Unfall (ähnlich des Beinahe-Unfalles der LH 1172 zwei Wochen zuvor in Nantes) ausschließen. Gerade wir Journalisten sollten wirklich ergebnisoffen bleiben, denn Staatsanwälte irren sich in einer großen Zahl ihrer Fälle, wie die Geschichte zeigt.

Ein besonderer in Hollywood-Szenarien gerne benutzter Kniff ist der von "Twists" und "Turns", die dem Drama unerwartete Wendungen geben. Während die Ex-Freundin des Unglückspiloten gegen Geldzahlungen der BILD-Zeitung Interviews gibt und die Sache bestmöglich ausschmückt, wird darüber spekuliert, ob sie schwanger sei. Die schon bestehende Verwirrung des Publikums wird dann noch verstärkt durch vermutlich echte TV-Berichterstattungen in Provinzsendern, die falsche Fährten legen, um die üblichen Verschwörungstheoretiker an der Nase herumzuführen, um dann alle von der offiziellen Version abweichenden Vorstellungen zum tatsächlichen Hergang in Bausch und Bogen in den Bereich der Fabeln zu verbannen.

Nur so ist es erklärlich, daß CBS Minnesota in einem vermutlich echten 37 Sekunden langen Teaser ("Verführer") behauptet, der Co-Pilot des Germanwings-Unglücksfluges sei gar nicht an Bord gewesen, sondern liege tot im Kofferraum eines Autos am Flughafen Barcelona.

Wie im Falle von Charlie Hebdo oder dem 11. September 2001 werden so falsche Spuren durch angesehene Medien gelegt, die die Verschwörungstheoretiker dankbar aufsaugen und sich daraus Bestätigungen für ihre generelle Weltsicht konstruieren. Durch die den Herrschaftszirkeln hörige Qualitätsmedien wird dann dezidiert jede kleine Ungereimtheit als "Verschwörungstheorie" abgehandelt und der Verbreiter solcher in Internetforen diskutierten Meinungsäußerungen von Trollen abgekanzelt.

Die Journalisten der Qualitätsmedien sind oft erschüttert, daß sie von besonders wütenden Mitmenschen als "Lügenpresse" bezeichnet werden, aber sie tun auch alles dafür, daß die Menschen, die spüren, daß ihnen etwas vorgegaukelt wird, sich in haltlose Verschwörungstheorien über die Federal Reserve, Rothschilds, Chemtrails und 9/11 flüchten. Echter Journalismus würde diese Anzeichen des Vertrauensverlustes ernst nehmen und nicht belächeln nach dem Motto: Niemand glaubt der BILD und deren Redakteure wissen, daß man ihnen nicht glaubt, also alles im Lot.

 

Die Ablenkung von den eigentlich relevanten Fragen, wie in diesem Falle nach der Logik, wieso die zweite, möglicherweise Aufschluß gebende Blackbox nicht gefunden wird, obwohl sie im selben Flugzeugteil untergebracht war, wie der Stimmrecorder, also weder wesentlich stärker beschädigt noch komplett vernichtet sein dürfte und zudem in einem überschaubaren Gebiet auffindbar sein müßte, ist damit perfekt gelungen.

Alleine das sollte einen nachdenklich stimmen, wenn Qualitätsmedien wie CBS plötzlich mit derart abstrusen Theorien aufwarten.

 

hier das vermutlich echte CBS-Video mit dem gefälschten Nachrichtengehalt:

https://youtu.be/1l80NUi4p60