Linker Liebknecht-Kreis der Linkspartei Sachsen etabliert sich 

Linke Linke fordert schärferes sozialistisches Profil 

Weit gefährlicher als theoretische Angriffe sind praktische Verleugnungen unserer Prinzipien.

Volker Külow ( Linke Leipzig) referierte den  Gründungsaufruf, der für mehr sozialistischen Pluralismus in der sächsischen Linken eintritt und zugleich die Schärfung des Profils der Landespartei »als kämpferische und deutlich vernehmbare Opposition mit linkssozialistischer Orientierung« fordert.

Auszug

Eine Reihe von parteiinternen Ereignissen der letzten Wochen, nicht zuletzt die Erklärung von Sahra Wagenknecht zu Vorgängen in der Bundestagsfraktion, haben deutlich gemacht: Der Zustand unsere Partei, auch ihrer Führungsgremien, lässt zu wünschen übrig. Genossinnen und Genossen mit Reputation wie Dora Heyenn in Hamburg und Manfred Sohn in Niedersachsen werden fast wie politische Gegner behandelt. Der Kreisvorstand von Stralsund tritt nahezu geschlossen zurück. Es geht bei diesen Dingen nur vordergründig um Personalfragen. Primär geht es um inhaltliche Probleme und tiefgreifende Differenzen. Das Streiten um tragfähige Positionen ist notwendig. Aber der Streit führt bei uns selten zu gemeinsamen Positionen.

Die Partei dividiert sich auseinander, weil sich unter dem Druck vor allem medialer Kampagnen und Anpassung einander unvereinbare Positionen verhärten und Konflikte zuspitzen. Die Partei Die Linke verliert an solidarischem Zusammenhalt. Es ist in der Hauptsache ein Streit um zwei Linien der Politik, die nicht miteinander vereinbar sind.

Unverwechselbare Alleinstellungsmerkmale, wie sie im Erfurter Grundsatzprogramm aus dem Jahr 2011 stehen, werden verwässert: Antikriegspartei, Partei der sozialen Gerechtigkeit, Partei der Aufklärung über die gesellschaftlichen Zustände und last but not least Partei einer gerechten Sicht auf den Sozialismusversuch DDR. Es ist sicher ein gewagter Vergleich, aber er drängt sich auf: Während die SPD seinerzeit über 20 Jahre brauchte, um sich vom Erfurter Programm von 1891 zu verabschieden, geht es bei Die Linke augenscheinlich heutzutage wesentlich schneller. Polemisch lässt sich sogar fragen, ob dieses Programm in bestimmten Teilen der Partei überhaupt jemals angekommen ist.

Die Verteidigung unserer programmatischen Grundsätze von Erfurt ist aber unabdingbar, es ist die Voraussetzung unserer weiteren Existenz als sozialistische Partei. Wenn wir sie aufgeben, werden wir zu einer zweiten Sozialdemokratie in Deutschland, die bekanntlich nicht gebraucht wird. Die Bundesrepublik benötigt vielmehr eine solidarische, kämpferische sozialistische Partei, die vorrangig für die Interessen der abhängig Beschäftigten und Prekarisierten kämpft. Von dieser Hauptfunktion ist derzeit unser Erscheinungsbild aber zu wenig geprägt. Sozialistischer Pluralismus ist ein wichtiges Prinzip unserer Partei. Politische Beliebigkeit, wie sie sich ausbreitet, ist davon das genaue Gegenteil. Wenn sie an die Stelle klarer Aussagen und an die Stelle unserer programmatischen Grundsätze tritt, bewirkt sie die Zerstörung der Linken als sozialistische Kraft. Und das wäre verheerend angesichts der gegenwärtigen internationalen und nationalen Rahmenbedingungen.

Verweigerung der Debatte

Im Landesverband der Linken im Freistaat Sachsen laufen die Entwicklungen in besonderer Weise falsch. Was beunruhigt uns seit längerer Zeit? Erstens beunruhigen uns die Verflachung unseres linken Profils und, als Resultat dessen, der abnehmende politische Einfluss unserer Partei im gesellschaftlichen Diskurs und bei Wahlen. Wir sind der Auffassung, dass der Landesvorstand auf eine Reihe strategischer Herausforderungen im Zusammenhang mit der Stabilität der CDU-Herrschaft in Sachsen falsche Antworten gegeben hat.

In der Opposition gegen diese Herrschaft sind wir nicht erstarkt – ganz im Gegenteil: Über zehn Jahre hinweg hat die Partei Die Linke in Sachsen von Wahl zu Wahl deutlich Prozentpunkte und geradezu dramatisch Wählerinnen und Wähler verloren. Bereits bei den Landtagswahlen 2009 haben wir gegenüber denen von 2004 drei Prozentpunkte und 120.000 Wählerstimmen eingebüßt. 2014 verloren wir gegenüber 2009 noch einmal 1,7 Prozent und 60.000 Stimmen. Verluste hatten wir in fast allen Berufsgruppen und Jahrgängen zu verzeichnen.

Der Landesvorstand hat auf diese sich schon im Vorfeld der Landtagswahlen 2014 abzeichnende negative Entwicklung in völliger Verkennung der Ursachen mit einer Verflachung statt mit einer Schärfung unseres linken, sozialistischen Profils reagiert. Sie erfolgte in fünffacher Hinsicht: Erstens setzte der Landesvorstand auf »stille Opposition« und reduzierte die Kritik an der CDU-geführten Landesregierung. Es gab zweitens ein wenig profiliertes Wahlprogramm und eine diffuse Strategie, in der es von Allgemeinplätzen wimmelte. Unsere Kernbotschaft im Wahlkampf war ein bedingungsloses Ja zu »Rot-Rot-Grün«; sogar auf das Amt des Ministerpräsidenten wollte man verzichten. Drittens wurden vor und nach der Landtagswahl Positionen vertreten bzw. verkündet, die im Erfurter Programm keine Grundlage haben. Die verfassungsrechtliche Verankerung der Schuldenbremse fand Zustimmung. Es gab ein Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft als angeblich tragendem Prinzip im 21. Jahrhundert. Unsere Partei sollte darüber hinaus das Etikett »Wir sind die neue Mittelstandspartei« erhalten. Viertens fabulierte der Landesvorstand über eine parlamentarische Mehrheit bzw. eine gegebene »Machtalternative« in Sachsen für eine Regierung von Die Linke, SPD und Grünen nach den Landtagswahlen. Das war klare Realitätsverweigerung. Tatsächlich existierte zu keinem Zeitpunkt eine Wechselstimmung in Sachsen. Stanislaw Tillich lag nach Umfragen vor der Landtagswahl bei über 60 Prozent. Fünftens wurden Kritikern dieses Kurses aussichtsreiche Plätze auf der Landesliste verwehrt. Es bestätigt sich der Hinweis von Karl Liebknecht: »Weit gefährlicher als theoretische Angriffe sind praktische Verleugnungen unserer Prinzipien.«

Was beunruhigt zweitens? Seit den Landtagswahlen sind wir damit konfrontiert, dass alle Versuche von Genossinnen und Genossen, diese Fehlentwicklungen zu thematisieren und zu korrigieren, weitgehend abgeblockt wurden. Eine kritische Analyse der Wahlergebnisse und des Wahlkampfes im Landesvorstand im von ihm selbst beschlossenen Verfahren fand bislang kaum statt. Die bisherige Auswertung insbesondere in Form der drei Regionalkonferenzen in Dresden, Chemnitz und Leipzig trug weitgehend Alibicharakter. Sie waren eindeutig angelegt als Veranstaltungen zur Legitimation der gescheiterten Strategie des Landesvorstandes. Kritische Genossinnen und Genossen konnten ihre Meinung zwar sagen, hatten aber durch die Dramaturgie und die zahlreich mitgereisten »Schlachtenbummler« keine echte Chance, wirklich Gehör zu finden. Nachdrücklich wurden sie zumeist belehrt, wie sie die Dinge zu sehen haben.

Mehr innerparteiliche Demokratie

Liebe Genossinnen und Genossen, all das macht deutlich: Innerparteiliche Demokratie und deren Wahrnehmung im Interesse einer sozialistischen Erneuerung der Linken in Sachsen sind zum Gebot der Stunde geworden. Innerparteiliche Demokratie bedeutet Rechte und Regeln, deren Anwendung dafür sorgt, dass zum einen der eigentliche Souverän in der Partei tatsächlich die Mitgliedschaft ist und zum anderen eines gewährleistet wird: die programmatischen Grundsätze sind bindend für alle. Auch für den Landesvorstand und die Landtagsfraktion. In unserem Statut sind Rechte, Regeln und auch Strukturen verankert, die dies ermöglichen. Wir wollen sie mit Leben erfüllen. Einen Selbstregulierungsmechanismus zur Einhaltung unserer programmatischen Grundsätze gibt es allerdings nicht. Alles hängt davon ab, ob die Basis sie verteidigt.

Gründungsdokumente des Liebknecht-Kreises Sachsen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Leipzig, 14. März 2015

Am Samstag konstituierte sich in Leipzig nach mehrmonatiger Vorbereitungszeit der Liebknecht-Kreis Sachsen als Zusammenschluss innerhalb des sächsischen Landesverbandes der Partei Die Linke. Über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer - darunter mehrere Bundes- und Landtagsabgeordnete - aus fast allen Kreisverbänden beschlossen einen Gründungsaufruf, der für mehr sozialistischen Pluralismus in der sächsischen Linken eintritt und zugleich die  Schärfung des Profils der Landespartei „als kämpferische und deutlich vernehmbare Opposition mit linkssozialistischer Orientierung“ fordert. 

Ehrengast Hans Modrow und Gastgeber
Dr. Volker Külow


 

 

 

 

 

 

 

 

 

In ihren einführenden Diskussionsbeiträgen skizzierten Hans Modrow, Vorsitzender des Ältestenrates der Partei, und Volker Külow, Vorsitzender der Leipziger Linken, die derzeitigen außen- und innenpolitischen Rahmenbedingungen für das Wirken der Partei und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen für den weiteren Kurs des mitgliederstärksten Landesverbandes. 

Die Arbeit des Liebknecht-Kreises wird künftig von einem quotieren zwölfköpfigen SprecherInnenrat geleitet.

Gründungsdokumente 
(bitte jeweils anklicken):