Linker "Russland-Versteher" Gehrcke (MdB) will Putin zum Tag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai einladen. 

Linker Fraktionschef Gregor Gysi findet diesen Vorschlag gut 

Nach Ansicht von Wolfgang Gehrcke, Außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, soll Wladimir Putin aus Anlass des 70. Jahrestages des Kriegsendes im Bundestag eine Rede halten. „Die Mehrheit hat diesen meinen Vorschlag positiv aufgenommen, die anderen sind entsetzt gewesen“, so Gehrcke, schreiben russische Medien.

„Ich bin Russland-Versteher. Ich möchte verstehen, warum sich Russland so und nicht anders in vielen Fragen entscheidet“, sagte er in einem Interview mit Sputnik-Korrespondent Nikolaj Jolkin. „Und wenn man gerade überzeugt ist, dass der russische Präsident eine große Bedeutung hat, muss man ihn erst recht verstehen. Das heißt, man muss lesen, was er sagt, man muss sich damit auseinandersetzen. Man muss nicht alles gut finden. Ich glaube, dass Putin ganz erschrocken wäre, wenn alle ihm zustimmen würden. Auch der russische Präsident braucht contra, und ich bin ein geborener Oppositionspolitiker. Und wenn man in dieser Art und Weise miteinander umgeht, lernt man gegenseitig.“


Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat laut dem deutschen Botschafter in Moskau, Rüdiger von Fritsch, die Einladung von Wladimir Putin erhalten, an den Gedenkfeierlichkeiten zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Moskau teilzunehmen. Wolfgang Gehrcke appellierte an sie: „Fahren Sie nach Moskau, dokumentieren Sie an diesem Tag, dass wir aus unserer Geschichte gelernt haben. Zum 40. Jahrestag der Befreiung hat der Bundespräsident von Weizsäcker durchgesetzt, dass in Deutschland nicht von einer Niederlage gesprochen worden ist, sondern von einer Befreiung. Ich habe in meiner Politik immer vertreten, dass es wegen der sechs Millionen ermordeten Jüdinnen und Juden ein besonderes deutsches Verhältnis zu Israel gibt und wegen der 27 Millionen ermordeten sowjetischen Bürger ein besonderes Verhältnis zu Russland als Teil der damaligen Sowjetunion. Wenn man das nicht versteht, dokumentiert und innerlich aufnimmt, dann wird man nicht weiterkommen. Und deswegen möchte ich gerade an diesem Tag Signale der Verständigung und Signale des Verstehens geben, denn „Verständigung“ kommt ja vom „Verstehen“, dass wir als Deutsche verstehen, was da passiert ist, und dass wir daraus gelernt haben.“

„Es wäre ganz gut, wenn die Bundeskanzlerin nach Moskau fahren würde, und wenn Gäste aus Russland nach Berlin kommen würden. Es wird in Deutschland in sehr vielen Städten Veranstaltungen und Demonstrationen geben. Viele gehen zu sowjetischen Friedhöfen, legen Blumen nieder. So eine Welle des Verständnisses zueinander in Deutschland wäre mir sehr recht.“

 

Wegen des Krieges in der Ukraine stößt Gehrckes Vorschlag auf Ablehnung der Regierungsparteien, SPD und CDU/CSU, bekommt aber Unterstützung von seinem Chef Gregor Gysi. Der Nachrichtenagentur AFP sagte er: "Es wäre mehr als angemessen, wenn Deutschland anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung die Staatsoberhäupter von Russland, den USA, Frankreich, Großbritannien, der deutschen Nachbarstaaten und weiterer europäischer Länder einladen würde. Sie sollten gemeinsam dieses,welthistorischen Ereignisses‘ gedenken.“

Fraktionsvize Gehrcke hatte sich nicht nur für eine Einladung Putins zum Gedenken an das Kriegsende ausgesprochen, sondern auch für eine Gedenkrede plädiert. Im Gegenzug könne ja Bundespräsident Joachim Gauck nach Russland reisen, um an den Feierlichkeiten am 9. Mai auf dem Roten Platz in Moskau teilzunehmen oder im russischen Parlament eine Rede zu halten, sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".  

Dieser Vorschlag stößt auch innerhalb des rechten Flügels der Linkspartei auf Skepsis. Der Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags, Stefan Liebich, sagte am Freitag der Online-Ausgabe der "Berliner Zeitung", der Vorschlag käme für ihn etwas überraschend.

Liebich sagte, er würde das gern in der Fraktion diskutieren und verwies darauf, dass Deutschland von den Alliierten befreit worden ist. "Man müsste dann also mindestens noch US-Präsident Barack Obama und den französischen Staatschef François Hollande einladen", sagte er.