Griechenland bleibt trotz deutscher Lügenmedien-Verzerrung bei der Forderung nach Schuldenerlass 

aus der JW von Heike Schrader - Klarstellung deutscher Medienlügen 

Glaubt man der deutschen bürgerlichen Presse, ist die Linksregierung in Griechenland nur wenige Tage nach der Wahl bereits eingeknickt: »Athen fordert Schuldenschnitt nicht mehr«, verlautbarte Focus onlineam Dienstag morgen. In der Süddeutschen Zeitung und der Welt hieß es wortgleich »Griechenland rückt vom Schuldenschnitt ab«, und auch die Wirtschaftswoche titelte »Athens Finanzminister rückt von Forderung nach Schuldenschnitt ab«. Alle Schlagzeilen beziehen sich auf ein Interview, das der neue griechische Finanzminister am Montag der Financial Times (FT) gegeben hatte. Darin spricht Gianis Varoufakis allerdings keineswegs davon, dass seine Partei von der Forderung nach einer für Griechenland tragbaren Lösung der Schuldenfrage abweicht. Um den aufgeladenen Begriff »Schuldenschnitt« zu vermeiden, benutze er lieber die Formulierung »smart dept engineering« (intelligentes Schuldenmanagement) hatte Varoufakis dem Finanzblatt gegenüber erklärt. Unter diesem versteht der frühere Hochschullehrer eine Umschuldung (menu of dept swaps), bei der die griechischen Staatsschulden durch zwei Arten neuer Verbindlichkeitspapiere abgelöst werden sollen. Zum einen durch Anleihen, deren Rückzahlung an die Wirtschaftsleistung gekoppelt ist. Diese würden erst dann bezahlt, wenn Griechenland ein so hohes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts verzeichnet, dass von der Rückzahlung andere Staatsausgaben beispielsweise für Bildung und Gesundheitsfürsorge nicht beeinträchtigt werden. Und zum anderen durch Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit, sogenannte »perpetual bonds« (»ewige Anleihen«). Bei diesen muss der Schuldner das Kapital nur verzinsen, aber nie zurückzahlen (was ja Staaten erfahrungsgemäß ohnehin kaum tun). Er werde den Partnern sagen »helft uns, unser Land zu reformieren und gebt uns finanziellen Spielraum, dies zu tun, andernfalls werden wir weiter ersticken«, hatte Varoufakis im Interview mit der in London erscheinenden FT erklärt.
Nach dem Sturm im internationalen und insbesondere im deutschen Blätterwald sah sich die griechische Regierung zu einer Klarstellung gezwungen. Bei den Äußerungen des Finanzministers handele es sich keinesfalls um einen »Rückzieher«, erklärte Regierungssprecher Gavriil Sakelaridis am Dienstag morgen gegenüber dem griechischen Fernsehsender ANT1. Ziel sei es nach wie vor, ein Schuldenniveau herzustellen, das auch bedienbar sei. »Dies kann technisch auf verschiedene Arten erreicht werden«, sagte Sakelaridis. Eine davon sei die von Varoufakis vorgeschlagene. »Was uns in diesem Moment interessiert, ist, dass die öffentlichen Schulden tragbar werden, dass die griechische Gesellschaft Luft zum Atmen bekommt und das reale Wirtschaftswachstum gestärkt wird«, fasste der Regierungssprecher die nach wie vor geltenden Forderungen der Linksregierung in Athen zusammen.

Auch Varoufakis legte am Dienstag morgen nach. »Wenn es nötig ist, Euphemismen und Finanzierungsinstrumente zu benutzen, um Griechenland aus der Schuldenknechtschaft herauszuführen, dann werden wir dies tun«, erklärte Varoufakis. »Das Wesentliche bleibt dasselbe«, stellte er klar, »die griechischen Staatsschulden werden tragbar werden.« Er schloss mit den Worten, »die Regierung und der Finanzminister weichen nicht zurück, so sehr sich auch einige über unsere Entschlossenheit grämen mögen«.

Nicht alle EU-Politiker halten die Wortklauberei der Medien für einen geeigneten Umgang mit der neuen Athener Politikergeneration. Zumindest verbal teilt auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einige Handlungsansätze von Ministerpräsident Alexis Tsipras und dessen Finanzminister: Der SPD-Chef forderte am Dienstag in Bild die EU-Mitgliedstaaten auf, Konten griechischer Steuerbetrüger einzufrieren. »Wenn jetzt die neue griechische Regierung ernst macht mit der Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung, dann sollte die gesamte Europäische Union das aktiv unterstützen«, sagte Gabriel. Dazu zähle »bei schweren Steuerdelikten griechischer Staatsbürger auch das Einfrieren von Vermögen und Konten der Superreichen im EU-Ausland, bis durchgesetzt ist, dass alle Steuerpflichtigen in Griechenland ihre Steuern bezahlt haben«.

Die Bekämpfung von Steuerflucht und -hinterziehung der Reichen und Superreichen zählt zu den wichtigsten Vorhaben der neuen griechischen Regierung. Auch die seit Freitag in Athen nicht mehr geduldete Troika dürfte ausgedient haben. Nachdem am Montag bereits Gerüchte kolportiert worden waren, dass man auch in Brüssel mit dem Kontrollgremium aus Vertretern der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission nicht zufrieden sei, hatte es nur aus Berlin Einwände gegeben. »Es gibt aus Sicht der Bundesregierung keinen Anlass, von diesem bewährten Mechanismus abzuweichen«, sagte Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag. Allerdings scheint die große, mächtige Führungsmacht der EU damit ziemlich allein zu stehen. (mit: dpa, Reuters)

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