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27.01.2015 Jutta Krellmann

Post: Vom Staatsunternehmen zum »Modell Amazon«

Hat die Bundesregierung zu den Arbeitsbedingungen bei der Deutschen Post befragt: Jutta Krellmann
 

Die Deutsche Post hat seit dem Börsengang stetig steigende Gewinne verzeichnet und schüttet ihren Aktionären regelmäßig ansehnliche Dividenden aus. Dafür hat die Post stetig die Portogebühren erhöht, ihr Geschäft insbesondere mit Paketen boomt. Jutta Krellmann hat für die Fraktion bei der Bundesregierung nachgefragt, inwieweit auch die Beschäftigten vom Höhenflug des Unternehmens profitieren. Die Antwort bestätigt, was allerorten sichtbar ist: Die Gewinne werden auf Kosten der Beschäftigten gemacht – ganz nach dem Motto »Vom Staatskonzern zum Modell Amazon«.

 

Dem ehemaligen Staatsunternehmen Deutsche Post sind die Privatisierung und der Börsengang gut bekommen, auch die Aktionäre können sich freuen. Allein im Jahr 2013 wurden 967 Millionen Euro als Dividenden ausgeschüttet. Rund die Hälfte der Gewinne, manchmal auch mehr, wird an die Aktionäre weitergegeben. Die Ausschüttungsquote lag von 2011 bis 2013 sogar über dem Durchschnitt der DAX-Unternehmen. In den vergangenen zehn Jahren wurden insgesamt mehr als acht Milliarden Euro als Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet.

Die Beschäftigten der Deutschen Post AG bekommen die Folgen zu spüren. Für gute Arbeitsbedingungen bleibt kein Geld mehr übrig. Personalabbau, steigender Krankenstand, Arbeitsverdichtung, Missbrauch von Befristungen – all das ist die Realität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Von 2004 bis 2013 sind in Vollzeitkräften gerechnet knapp 20.000 Stellen bei der Deutschen Post AG abgebaut worden, der Krankenstand steigt kontinuierlich und jeder zehnte Beschäftigte hat nur einen befristeten Arbeitsvertrag. 
 
Zum 1. Januar 2015 hat die Post zum dritten Mal infolge die Portogebühren erhöht. Nicht nur die Beschäftigten bezahlen mit schlechten Arbeitsbedingungen für die hohen Dividenden der Aktionäre, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger mit immer höheren Portogebühren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Staat bis Ende 2012 über die KfW mit 25,5 Prozent der Aktien noch eine Sperrminorität besaß. Seit 2013 hält die KfW 21 Prozent der Aktien der Deutschen Post AG.  
 
Insgesamt ist der Wirtschaftszweig der Post-, Kurier- und Expressdienste durch zunehmend prekäre Arbeitsbedingungen geprägt. So ist die Zahl der Befristungen innerhalb von 10 Jahren um 28 Prozent angestiegen. Der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten hat sich ebenfalls erhöht und liegt in diesem Wirtschaftszweig über dem Durchschnitt: mittlerweile arbeitet jede und jeder vierte Beschäftigte zu einem niedrigen Lohn. Auch die Zahl der Minijobbenden ist von 2007 bis 2013 um 8,5 Prozent gestiegen. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen sind im Bereich von Postdienstleistungen die Männer stärker von prekären Arbeitsbedingungen betroffen. Sie arbeiten häufiger befristet und niedrig entlohnt als Frauen.
 
Zudem ist in den Wirtschaftsgruppen „Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern“ und „Sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste“ eine deutliche Umverteilung von Vollzeitarbeit hin zu mehr Teilzeitbeschäftigung zu beobachten, von der ebenso vor allem Männer betroffen sind. Von 2004 bis 2013 ist das Arbeitszeitvolumen der Vollzeitbeschäftigten um 19,8 Prozent zurückgegangen, während das der Teilzeitbeschäftigten um 18,3 Prozent gestiegen ist. Bei den Männern ist das Arbeitszeitvolumen der Vollzeitbeschäftigten rückläufig, während sich das der Teilzeitbeschäftigten fast verdoppelt hat. Bei den Frauen sind sowohl das Arbeitszeitvolumen der Vollzeit- als auch der Teilzeitbeschäftigten gesunken. 
 
Insgesamt hat das Arbeitszeitvolumen in den genannten Wirtschaftsgruppen von 2004 bis 2013 um 13 Prozent abgenommen. Da die Sendungsmengen im lizenzpflichtigen Briefbereich seit 2004 aber nur leicht rückläufig sind, im Bereich nicht lizenzpflichtiger Kurier-, Express- und Paketdienstleistungen dagegen eine stetige Steigerung zu erkennen ist, ist das ein deutlicher Hinweis auf Arbeitsverdichtung. Diese These wird auch durch den steigenden Krankenstand bei der Deutschen Post AG gestützt. 
 
Ergebnisse im Einzelnen: 
 
  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Wirtschaftszweig 53 (Post-, Kurier- und Expressdienst) ist seit 2007 von 201.552 auf 227.832 gestiegen, was einem Anstieg um 13 Prozent entspricht. Besonders deutlich ist der Anstieg bei Beschäftigten, die 55 Jahre und älter sind: hier hat sich die Zahl von 18.422 auf 37.063 mehr als verdoppelt (vgl. Antwort auf Frage 1).
  • Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Beschäftigten bei der Deutschen Post AG (freiwillige Angaben) seit 2004 rückläufig und seit 2007 nahezu konstant. In Vollzeitkräfte umgerechnet gab es im Jahr 2004 163.621 Mitarbeiter, im Jahr 2007 144.784 und im Jahr 2013 144.388. Von 2004 bis 2013 ist somit ein Rückgang von knapp 20.000 Beschäftigten oder knapp 12 Prozent zu verzeichnen (vgl. Tabelle A1 im Tabellenanhang).
  • Der Krankenstand bei der Deutschen Post AG steigt seit dem Jahr 2006 kontinuierlich an. In 2004 lag er bei 5,6 Prozent, in 2006 bei 5,1 Prozent und im Jahr 2013 bei 8,4 Prozent (vgl. Tabelle A1 im Tabellenanhang).
  • Die Sendungsmengen sind im lizenzpflichtigen Briefbereich seit 2004 leicht rückläufig. Im Bereich nicht lizenzpflichtiger Kurier-, Express- und Paketdienstleistungen liegen statistisch vergleichbare Zahlen erst ab 2012 vor, grundsätzlich lässt sich in diesem Bereich aber eine stetige Steigerung der Umsatz- und Sendungsmengen erkennen (vgl. Antwort auf Frage 2).
  • Die Zahl und der Anteil der befristet Beschäftigten in der Wirtschaftsgruppe 641 (Postverwaltung und private Post- und Kurierdienste) der WZ 2003 (2004-2008) bzw. der Wirtschaftsgruppe 531 (Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern) und 532 (Post-, Kurier- und Expressdienste) der WZ 2008 (ab 2009) ist deutlich angestiegen. Im Jahr 2004 waren 25.000 befristet beschäftigt, im Jahr 2013 32.000. Das entspricht einem Anstieg um 28 Prozent. Im Jahr 2004 lag der Anteil der befristeten an allen Beschäftigten bei 8 Prozent, im Jahr 2013 bei 11,1 Prozent (vgl. Antwort auf die Fragen 3 und 4). 
  • Der Anteil der befristet Beschäftigten ist bei den Männern höher als bei den Frauen: 12,8 Prozent der Männer sind 2013 befristet beschäftigt, bei den Frauen sind es 8,8 Prozent (vgl. Antwort auf die Fragen 3 und 4). 
  • Bei der Deutschen Post AG sind derzeit rund 14.700 Mitarbeiter von insgesamt 180.000 (im betreffenden Unternehmensbereich in Deutschland) befristet beschäftigt (vgl. Antwort auf die Fragen 3 und 4).
  • Der Anteil der Niedriglohnbeziehenden (Vollzeitbeschäftigte ohne Auszubildende) ist im Wirtschaftszweig 53 (Post-, Kurier- und Expressdienste) von 23,2 Prozent im Jahr 2008 auf 25,6 Prozent im Jahr 2013 angestiegen (vgl. Antwort auf die Fragen 8 und 9). Zum Vergleich dazu liegt der Niedriglohnanteil in der Gesamtwirtschaft im Jahr 2013 bei 20,4 Prozent (vgl. Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit – Entgeltstatistik). 
  • Bei den Männern ist der Niedriglohnanteil mit 28,5 Prozent im Jahr 2013 höher als bei den Frauen mit 18,9 Prozent (vgl. Antwort auf die Fragen 8 und 9). 
  • Im Jahr 2013 lag das Konzernjahresergebnis der Deutschen Post AG bei 2.091 Mio. Euro. Seit 2004 gab es lediglich 2005 und 2010 höhere Ergebnisse. Im Jahr 2013 wurden 967 Mio. Euro als Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet, eine höhere Ausschüttung gab es nur im Jahr 2007 (vgl. Antwort auf Frage 12). 
  • In der Arbeitnehmerüberlassungsstatistik (ANÜSTAT) wird seit Ende 2011 auch das Tätigkeitsfeld der eingesetzten Leiharbeiter erfasst. Post- und Zustellbetriebe werden der Tätigkeit „Verkehr, Logistik (außer Fahrzeugführer)“ zugeordnet. Im Jahr 2011 waren in diesem Tätigkeitsfeld 152.327 Leiharbeitskräfte eingesetzt und im Jahr 2013 160.031 (vgl. Antwort auf Frage 13). 
  • Die Zahl der geringfügig Beschäftigten im Wirtschaftszweig 53 (Post-, Kurier- und Expressdienste) ist von 2007 bis 2013 gestiegen. 2007 waren es 172.422 Minijobbende und im Jahr 2013 187.118, was einem Anstieg um 8,5 Prozent entspricht. Bei den Männern gab es 2007 87.863 Minijobber und 2013 101.471 (Anstieg um 13,4 Prozent). Besonders deutlich ist der Anstieg aber bei geringfügig Beschäftigten, die 55 Jahre und älter sind: ihre Zahl ist von 44.810 um 28,3 Prozent auf 57.477 gestiegen. 30,7 Prozent der Minijobbenden in diesem Wirtschaftszweig sind 55 Jahre und älter (vgl. Antwort auf Frage 18). 
  • Etwa 76 Prozent des Arbeitsvolumens für die abhängig Beschäftigten in den Wirtschaftsgruppen „Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern“ und „Sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste“ wurde im Jahr 2013 von Vollzeitbeschäftigten und 24 Prozent von Teilzeitbeschäftigten erbracht. Im Jahr 2013 ging das jährliche Arbeitszeitvolumen um 4,5 Prozent zurück, was allein am Rückgang der Vollzeitbeschäftigung lag. Deren Arbeitszeitvolumen ist um 6,7 Prozent zurückgegangen, während das der in Teilzeit Beschäftigten um 3,6 Prozent zugenommen hat (vgl. Antwort auf Frage 19).
  • Von 2004 bis 2013 ist das Arbeitszeitvolumen der Vollzeitbeschäftigten um 19,8 Prozent zurückgegangen, während das der Teilzeitbeschäftigten um 18,3 Prozent gestiegen ist (vgl. Antwort auf Frage 19).
  • Bei den Männern ist das Arbeitsvolumen von Vollzeitbeschäftigten von 2004 bis 2013 um 14,8 Prozent gesunken, aber das der Teilzeitbeschäftigten um 87,6 Prozent angestiegen. Bei den Frauen ist sowohl das Arbeitsvolumen der Vollzeitbeschäftigten (-30,4 Prozent) als auch das der Teilzeitbeschäftigten (-5,6 Prozent) gesunken. Insgesamt auf alle Beschäftigten ist das Arbeitsvolumen gesunken, aber es gibt diesen enormen Anstieg bei der Teilzeitbeschäftigung von Männern (vgl. Antwort auf Frage 19). 
  • 63,8 Prozent der abhängig Beschäftigten in den Wirtschaftsgruppen „Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern“ und „Sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste“ arbeiten im Jahr 2013 samstags. 22,9 Prozent der Beschäftigten arbeiten abends und 15,6 Prozent nachts. 9,2 Prozent arbeiten in Schicht (vgl. Antwort auf Frage 20). 
  • Insgesamt wurden in im Jahr 2013 in den Wirtschaftsgruppen „Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern“ und „Sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste“ Überstunden in Höhe von 6.808.000 Stunden geleistet, davon 53 Prozent bezahlte Überstunden. Die Gesamtzahl der Überstunden entspricht rein rechnerisch 3.000 Vollzeitäquivalenten (vgl. Antwort auf Frage 22). 
 
linksfraktion.de, 27. Januar 2015