Studie: Israelfreunde sind antisemitscher als Palästinafreunde 

Interview mit Rolf Verleger - Auszug aus den Nachdenkseiten 

..Die, wie Sie sie nennen, „Israelfreunde“ sind laut den Befragungen antisemitischer als die „Palästinafreunde“?

Verleger: Ja, so kam es heraus: Die “Israelfreunde” in der deutschen Bevölkerung liegen in der Mitte zwischen den “Rechten”, die relativ viele Vorbehalte gegen Juden haben, und den “Palästinafreunden”, die wenige Vorbehalte gegen Juden haben.

Ähnlich verhält es sich bezüglich der Kenntnisse und der emotionalen Betroffenheit durch den Konflikt: Die “Israelfreunde” liegen in der Mitte zwischen “Rechten”, die der Konflikt wenig interessiert, und den “Palästinafreunden”, denen der Konflikt persönlich nahe geht. Mit einem Wort: Die “Israelfreunde” sind die laue Mitte.

Und wie erklären Sie sich das? Dass die Verteidiger und Beschützer Israels „antisemischer“ als ausgerechnet die „Palästinafreunde“, denen ja tagtäglich Antisemitismus testiert wird, sind?

Verleger: Die “Palästinafreunde” vertreten tatsächlich am deutlichsten die Auffassung, dass alle Menschen gleich sind. “Israelfreund” zu sein kann dagegen mit der Einstellung einhergehen, dass Juden anders sind als andere Menschen. Wer diese Einstellung extrem hat, würde in dieser Studie als “Rechter” eingruppiert werden. Aber in milderer Form denken auch “Nicht-Rechte” solche Dinge, beispielsweise also, dass man Israel unterstützen muss, weil “wir” “den Juden” noch etwas schuldig sind. In einem solchen Gedanken – “wir” und “die Juden” – steckt ja eine große Verallgemeinerung, die genauso von Leuten gemacht würde, die ausdrückliche Vorbehalte gegen “die Juden” haben. Solch Philosemitismus ist manchmal die Kehrseite von Antisemitismus.

Und was bedeutet ihr Ergebnis mit der „Gewaltbereitschaft“? Welches Bild zeichnete sich da im Detail?

Verleger: Bei den “Palästinafreunden” dominiert hier eine Einstellung, die weder bei “Rechten” noch bei “Israelfreunden” eine Rolle spielt: Ihre Ansicht darüber, ob der Nahostkonflikt friedlich oder gewaltsam lösbar ist, ist nicht eindeutig. Vielmehr liegt sie mehrheitlich auf der Kippe, nach dem Motto: Eigentlich sind wir gegen Gewalt, aber was bleibt den Palästinensern denn bei diesen andauernden israelischen Rechtsbrüchen und dem Mitläufertum unserer Politiker noch übrig als Gewalt? Dagegen ist die mehrheitliche Einstellung bei “Israelfreunden”, dass der Konflikt durch Israel mit Gewalt gelöst werden muss. “Israelfreunde” haben dabei weniger Skrupel gegen Gewalt als “Palästinafreunde”.

Und wie verteilen sich diese drei Gruppen innerhalb der deutschen Parteienlandschaft?

Verleger: Dazu kann die Studie tatsächlich auch etwas sagen, denn die Befragten sollten auch angeben, welche Partei sie als nächstes wählen würden.

Von den wenigen NPD-Anhängern waren 85 Prozent unserer Gruppe der “Rechten” zuzuordnen – was zeigt, dass diese Klassifizierung auch passend ist–, 15 Prozent den “Israelfreunden” und kein einziger den “Palästinafreunden”.

Die CDU-Anhänger teilten sich zu je einem Drittel in “Rechte”, “Israelfreunde” und “Palästinafreunde”. Und bei den vier anderen hier vertretenen Parteien – SPD, FDP, Grüne, Linke –waren die “Palästinafreunde” in der Mehrheit, am deutlichsten bei den Grünen mit 57 Prozent, gefolgt von der Linken mit 51 Prozent und dann der SPD und FDP mit je 45 Prozent.

“Rechte” gab es überdies mit 13 Prozent am wenigsten bei den Grünen-Wählern und mit 36 Prozent am meisten bei der CDU, bei den anderen jeweils um 20 Prozent. “Israelfreunde” gibt es bei allen Parteien um die 30 Prozent.

Insgesamt ist also die Anhängerschaft aller Parteien in dieser Frage tief gespalten.

Wenn ich das jetzt richtig verstehe, bedeutet das auch, dass bei den Wählern der Grünen und der Linken anteilig die wenigsten Antisemiten vorfindbar sind?

Verleger:Ja, offenbar. Im Einzelnen: Der Anteil der “Rechten” bei Wählern der Grünen 13 Prozent, der FDP 19 Prozent, der Linken 21 Prozent, der SPD 25 Prozent, der CDU 32 Prozent, der NPD 85 Prozent. Das war 2010, und ich sehe keinen Grund, warum sich das dramatisch geändert haben sollte.

Das widerspricht aber recht deutlich dem, was medial verbreitet wird…

Verleger: So ist es. Denn die vermeintlich antisemitischen „Palästinafreunde“ sind in aller Regel jene, deren Denken am geringsten von antisemitischen Vorurteilen bestimmt ist.

Die Kluft zwischen Realität und dem, was Politik und die großen Medien propagieren, zeigt sich darüber hinaus darin, dass die offizielle Position, die behauptet, Israel würde zum Schutz der Menschenrechte und zur Ermöglichung einer friedlichen Lösung des Konfliktes unterstützt, in der realen Meinungswelt der Bevölkerung gar nicht vorhanden ist. Denn die jetzige Politik der israelischen Regierung verstößt in vielerlei Hinsicht gegen die Menschenrechte und lässt sich – und das wissen auch die Unterstützer Israels, wie unsere Ergebnisse zeigen – nur mit Gewalt durchsetzen. Die veröffentlichte Meinung ist in dieser Frage hohl und unglaubwürdig und agiert zudem gegen die Mehrheit der tatsächlichen Einstellungen in der Bevölkerung.

Und wie bewerten Sie es, dass trotz dieser Sachlage medial der “linke Antisemitismus” als großes gesellschaftliches Problem thematisiert wird?

Verleger: Nun, das ist wohl im Wesentlichen ein Propagandamärchen. Denn Meinungsverschiedenheiten zwischen der Minderheit der “Israelfreunde” und der Mehrheit der “Palästinafreunde” gibt es in der Anhängerschaft aller Parteien.

Die Linke diskutiert diese Fragen dank des Engagements einiger Menschenrechtsaktivisten jedoch am offensten. Und diesen Spiegel wollen sich die Führungen der anderen Parteien offenbar nicht vorhalten lassen und stellen ihrerseits die Linke als Sündenbock hin und sich selbst damit als “außenpolitisch reif” dar; soll heißen, sie unterstützen Israel in seiner Missachtung elementarer Rechte der Palästinenser. Die Anhängerschaft von SPD und Grünen – und weniger ausgeprägt auch der CDU – unterstützt Israel aber in Wirklichkeit genauso wenig wie die der Linken – im Gegensatz zu ihren Parteiführungen.

Indem die großen Medien diesen angeblichen Antisemitismus, der sich bei “überzogener” Kritik gegen Israel zeige, der Linken zuschreiben, stellen sie die Linke in die Böse-Buben-Ecke – Schlagwort “außenpolitisch unreif” – und signalisieren gleichzeitig der Anhängerschaft der anderen Parteien, die dasselbe denken, “so zu denken gehört sich nicht”.

 

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