Sahra Wagenknecht (Linke MdB): Die 315 Mrd. € Investitionslüge der EU

SAHRA WAGENKNECHT

Die EU ist in einer Sackgasse. Die Zinsen sind so niedrig wie nie, doch Unternehmen und Banken horten lieber Geld als es zu investieren. Der private Konsum leidet unter Massenarbeitslosigkeit und sinkenden Reallöhnen in großen Teilen Europas.

Bleibt als letzte Hoffnung, dass die Regierungen die Wirtschaft ankurbeln indem sie Investitionen anschieben. Doch die Staaten sind infolge der Bankenrettung hoch verschuldet und werden zu drastischen Kürzungsprogrammen genötigt oder zwingen sich freiwillig Schuldenbremsen und schwarze Nullen auf.

Europa spart sich kaputt

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, dass in den Ländern der EU bereits im Jahrzehnt vor der Krise gut 6 Billionen Euro weniger investiert wurden als in den anderen Ländern der OECD. Dieser Rückstand hat sich weiter verschärft: Seit 2007 sind die Investitionen in der EU um 15 Prozent gesunken.

Deutschland zehrt bereits seit zwölf Jahren von seiner Substanz, d.h. es wird mehr abgeschrieben als öffentlich investiert. Von Finanzminister Schäuble einmal abgesehen gibt es kaum noch Politiker, die leugnen, dass der Investitionsstau zu einem Problem geworden ist.

Gewerkschaften fordern einen neuen Marshallplan für Europa und auch Unternehmensverbände beklagen sich über marode Straßen und fordern mehr Geld für Bildung, Forschung und Entwicklung.

Die 315 Milliarden Euro schwere „Investitionsoffensive"

Nun hat die EU auf den Druck reagiert und kündigt eine 315 Milliarden Euro schwere „Investitionsoffensive" an. Da diese allerdings kein Geld kosten darf, verhält es sich mit diesem Investitionsprogramm wie mit dem Scheinriesen aus dem Buch über Jim Knopf, den Lokomotivführer: Je näher man es anschaut, desto kleiner wird es.

Meist wird nur berichtet, dass der Investitionsplan von EU-Kommissionspräsident Juncker für die nächsten drei Jahre zusätzliche Investitionen in Höhe von 315 Mrd. Euro vorsieht. Dem liegt allerdings nur ein 21 Mrd. Euro schwerer Garantiefonds zugrunde, der zu gut drei Vierteln aus anderen EU-Programmen gespeist wird. Aus einer 315 Milliarden schweren „Investitionsoffensive" wird bei genauerem Hinsehen also ein öffentliches Investitionsprogramm im Umfang von 1,67 Mrd. Euro im Jahr!

Es bleibt das Geheimnis von Kanzlerin Merkel, EU-Kommissionschef Juncker, EU-Parlamentspräsident Schulz und allen anderen, die die 315-Milliardenlüge bereitwillig verbreiten, wie aus 5 Milliarden an zusätzlichem Geld 315 Milliarden an zusätzlichen privaten Investitionen herbeigehebelt werden sollen.

Die Zerstörung des luxemburgischen Geschäftsmodels

Europa braucht ein öffentliches Investitionsprogramm im Umfang von mindestens 500 Milliarden Euro. Statt wie geplant eine Billion Euro in die Finanzmärkte zu pumpen, was nur die Derivatemärkte hochpusht, sollte die Europäische Zentralbank lieber für ein solches Programm die nötige Anschubfinanzierung leisten.

Längerfristig müssten außerdem Steueroasen geschlossen sowie Konzerne und Millionäre an der Finanzierung des Programms beteiligt werden. Mit einer Kanzlerin Merkel und einem EU-Kommissionspräsident Juncker ist dies freilich kaum zu machen.

Schließlich würde dies das luxemburgische Geschäftsmodell zerstören, von dem nicht zuletzt deutsche Konzerne profitieren.