89 er Wende-Resultat: Rassisten demonstrieren in Dresden wieder gegen Islamisierung 

Reaktionäre Montagsdemos gegen Islamisierung 

Bereits zum sechsten Mal in Folge marschierten am Montag abend Bürger durch Dresden, um vor einer »Islamisierung« zu warnen. Nach Polizeiangaben beteiligten sich rund 5.500 Menschen an dem Protestzug, zu dem die Gruppe »PEGIDA« (»Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes«) aufgerufen hatte. Nach dem Start der »Montagsdemos gegen Islamisierung«, die vor sechs Wochen mit 300 Teilnehmern begonnen hatten, ist dies – nach ca. 3.700 Demonstranten in der vergangenen Woche – noch einmal eine beträchtliche Steigerung. Ausgehend vom ehemaligen Robotron-Gelände zog die Demonstration an einer Gegenkundgebung vor dem Zwinger vorbei, deren Organisatoren nur knapp 1.000 Menschen mobilisieren konnten. Auch eine weitere Protestveranstaltung gegen den Aufmarsch in der Dresdner Neustadt hatte wenig Zulauf.

 

Droht die »Islamisierung« Sachsens, gar die Einführung der Scharia im schönen Elbflorenz? Wohl kaum: Das einzige »Minarett« in der Stadt ist der Schornstein der vor über 100 Jahren im Stil einer Moschee errichteten einstigen Tabakfabrik »Yenidze«. Migranten machen nur rund fünf Prozent der Stadtbevölkerung aus, von ihnen kommen wiederum nur wenige aus muslimisch geprägten Ländern. Ähnlich sieht es in weiten Teilen Ostdeutschlands aus. Dies ist auch ein Resultat rassistischer Pogrome in den 90er Jahren. »Heimatschutz statt Islamisierung«, war auf einem der wenigen mitgeführten Schriftbänder der »PEGIDA«-Demonstration zu lesen. Da keine Übernahme der Stadt durch Imame und Kalifen droht, scheint etwas anderes die wachsende Zahl der Teilnehmer umzutreiben.

Die Veranstalter der Dresdner Aufzüge lehnen sich in ihrer Wortwahl unter anderem der der »neuen Montagsdemos« an, die im Frühjahr vor allem in Berlin ähnliche Zuwachsraten zu verzeichnen hatten. Ein »Orga-Team«, wie es unter dieser Bezeichnung auch bei den mittlerweile abgeebbten »Montagsdemos 2.0« in Erscheinung trat, zeichnet verantwortlich. Auch der Termin ist bewusst gewählt. Der Anmelder Lutz Bachmann ist politisch bislang nicht aufgefallen.

Unter den Ordnern befinden sich zwar einschlägige Gestalten, die teilweise bereits in der Fußball- oder rechten Kameradschaftsszene in Erscheinung traten, wie Teilnehmer der Gegenkundgebungen berichteten. Im Gegensatz zu den »HoGeSa«-Demonstrationen (»Hooligans gegen Salafisten«, der vergangenen Wochen in Köln und Hannover dominieren allerdings keine gewaltbereiten Fußballfans das Geschehen. Doch auch die Analogie der Abkürzungen »gegen Salafisten« bzw. »Islamisierung« dürfte kein Zufall sein: Die Dresdner Veranstalter nutzen das Mobilisierungspotential solcher »neuen« Bewegungen, die bundesweit seit Jahresbeginn unter vielfältigen Labels auftreten.

Auf der Gegendemonstration in der Dresdner Altstadt wurde das Geschehen als »verkappter Rassismus« kritisiert; »Islamisierung« sei nur eine Chiffre, gemeint seien Ausländer insgesamt. Die etablierte Politik zumindest lässt sich solche Anstöße »von der Basis« nicht zweimal geben. Mit »Sondereinheiten« will Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) gegen »mehrfach straffällig gewordene Asylbewerber« vorgehen (siehe jW vom Dienstag). Diese Intensivtäter »vergifteten« die Stimmung in der Gesellschaft, sagte Ulbig am Montag. Die Arbeitsteilung zwischen Straße und Politik funktioniert, auch 20 Jahre nach Hoyerswerda und Rostock: War mit den Pogromen damals die faktische Abschaffung des Asylrechtes legitimiert worden, wird heute gemeinsam mit »PEGIDA« gegen ein Phantom Stimmung gemacht – zu Lasten von Menschen, die eine Zuflucht vor Armut, Krieg und Katastrophen suchen, berichtet JW.