Kiew bekennt sich zum Krieg gegen das eigene Volk 

Volksrepublik Donezk wirft Kiew erneute Kampfhandlungen vor 

OSZE: Milizen bringen neue Gebiete in Ost-Ukraine unter Kontrolle

Kiew hat sich zum “Partisanenkrieg” auf dem Territorium der Volksrepubliken Donezk und Lugansk im Osten der Ukraine bekannt. „Unsere Einheiten führen Kampfoperationen im Hinterland des Feindes erfolgreich durch“, teilte Sorjan Schkirjak, Berater des ukrainischen Innenministers, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Kiew mit.

 

Die Volkswehr selbst bestätigte Aktivitäten solcher Gruppen in Donezk. „Wir bezeichnen sie aber nicht mit dem edlen Wort ‚Partisanen‘, sondern eher als Diversanten“, sagte ein Vertreter der Kommandantur in Donezk in einem RIA-Novosti-Gespräch. „Besonders aktiv waren die Diversanten im vergangenen August. Sie pendelten in Pickup-Wagen durch Donezk, nahmen Wohnviertel und Positionen der Volkswehr unter Mörserbeschuss und verschwanden sofort… Vor kurzem wurde einer Diversionsgruppe das Handwerk gelegt, die mit einem Mülltransporter durch die Stadt fuhr: Der Mörser war im Kippkasten des Fahrzeugs versteckt“, sagte der Sprecher.

Kiew hat allein in der letzten Woche schwere Kampftechnik im Wert von einer Milliarde Griwna (rund 65 Millionen US-Dollar) für den Einsatz in der Donbass-Region gekauft. Das teilte Sorjan Schkirjak, Berater des ukrainischen Innenministers, am Donnerstag in Kiew mit.

„In nächster Zeit wird diese Technik an die Frontlinie verlegt und soll zum Schutz der Ukraine beitragen“, sagte er.

Am 5. September hatten die ukrainische Armee und die Volksmilizen in den selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk eine Waffenruhe ausgehandelt, die aber äußerst brüchig ist. Nach den Wahlen in Donezk und Lugansk am 2. November, die von Kiew nicht anerkannt werden, wurde der Beschuss von Städten und Siedlungen in der Donbass-Region durch die ukrainische Armee intensiver. Die verfeindeten Seiten werfen einander vor, die Minsker Vereinbarungen verletzt zu haben, berichtet RIA.

Der ukrainische Präsident Pjotr Poroschenko hat laut seinem Pressedienst bei einem Telefongespräch mit dem finnischen Staatschef Sauli Niinistö erneut von einer Konzentration russischer Militärtechnik im Raum der russisch-ukrainischen Grenze gesprochen.

„Präsident Poroschenko äußerte tiefe Besorgnis darüber, dass von der Seite der russischen Grenze Truppen und schwere Waffen in großem Umfang eintreffen“, teilte der Pressedienst am Donnerstag mit.

Die Präsidenten erörterten zudem die Ergebnisse der Sitzung des UN-Sicherheitsrats, die angesichts der Ukraine-Krise am Mittwoch einberufen wurde.

Poroschenko forderte außerdem Finnland auf, das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU möglichst schnell zu ratifizieren.

Der finnische Präsident lobte seinerseits den Ablauf der Wahl zum ukrainischen Parlament am 26. Oktober. Er bekräftigte auch seine Unterstützung für die Minsker Vereinbarungen zur friedlichen Beilegung in der Ostukraine. Dies sei ein Weg, an den sich alle Seiten halten sollten, betonte er.

Rund zwei Monate nach Beginn der Waffenruhe in der Ostukraine wirft die Führung der von Kiew abtrünnigen Donezker Volksrepublik (DVR) der Regierungsarmee vor, wieder groß angelegte Kampfhandlungen begonnen zu haben.

„Es ist jetzt ein regelrechter Krieg. Man greift uns an, wir wehren uns", sagte DVR-Vizepremier Andrej Purgin am Donnerstag RIA Novosti am Telefon. Die Waffenruhe sei auch früher an 75 Prozent der Trennlinie nicht eingehalten worden. „Jetzt wird aber auch dort gekämpft, wo früher nicht gekämpft wurde.“ Purgin machte das Militär für die Verletzung des Waffenstillstandes verantwortlich. Nach Angaben der Volksmilizen war eine ukrainische Panzerkolonne am Donnerstag nach Jassinowataja, einem nördlichen Vorort von Donezk, vorgedrungenund hatte umliegende Viertel beschossen. Mindestens zwei Zivilisten wurden getötet, sieben weitere verletzt. Die Milizen konnten den Angriff nach eigenen Angaben abwehren und fünf Panzer und Schützenpanzer zerstören.

Der militärische Konflikt in der Ost-Ukraine hatte im April begonnen. Die ukrainische Regierung schickte Panzer, Kampfjets und Artillerie gegen die östlichen Kohlebergbau-Gebiete Donezk und Lugansk, weil diese den nationalistisch geprägten Februar-Umsturz in Kiew nicht anerkannt und unabhängige „Volksrepubliken“ ausgerufen hatten. Bei blutigen Gefechten zwischen Militär und Volksmilizen kamen laut UN-Angaben mehr als 4000 Zivilisten ums Leben. Hunderttausende Menschen sind nach Russland geflohen. Zudem gibt es mindestens 430.000 Binnenvertriebene und schwere Zerstörungen in Wohngebieten.

Am 5. September einigten sich die ukrainische Regierung und die Führungen der abtrünnigen Regionen bei Friedensgesprächen in Minsk auf einen Waffenstillstand, Gefangenenaustausch und weitere Schritte zu einer friedlichen Konfliktlösung. Die Waffenruhe wurde jedoch immer wieder gebrochen.

Seit Beginn der Waffenruhe in der Ost-Ukraine haben die Volksmilizen nach Angaben der OSZE neue Gebiete unter ihre Kontrolle gebracht. Die Regierungstruppen haben indes nur an einem Frontabschnitt vorwärts kommen können, teilte OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier am Mittwoch mit.

„Wenn man die Situation vom September mit dem heutigen Stand vergleicht, ist ein Durchbruch der Separatisten erkennbar. Diese haben zusätzliche Territorien unter ihre Kontrolle gebracht“, sagte Zannier. Es handle sich um einige Kilometer bis einige Dutzend Kilometer, die nach Angriffen auf Kontrollposten erobert worden seien.

Aber auch die ukrainische Regierungsarmee habe an mindestens einem Abschnitt zusätzliches Gebiet erobern können. „Doch in den meisten Fällen wurde die Grenze zugunsten der Aufständischen verschoben.“ Zannier beschuldigte die Leitung der abtrünnigen Regionen, den OSZE-Beobachtern die Arbeit zu erschweren.