USA drücken Ölpreis auf dem Weltmarkt, um Rußland in den Ruin zu treiben

Daraus könnte aber ein Eigentor für die US Regierung werden 

Langzeit Chart der Ölpreise auf dem Weltmarkt

Das kürzlich bekannt gewordene geheime amerikanisch-saudi-arabische Abkommen, den asiatischen Markt mit verbilligtem saudischen Öl zu überschwemmen macht deutlich, dass die Abteilung für finanzielle und ökonomische Kriegsführung im Washingtoner Finanzministerium die Achillesferse der russischen Wirtschaft, den Öl- und Gassektor, aufs Korn nimmt. Es soll der Preis für Öl und Gas auf dem Weltmarkt gedrückt werden und so Rußland wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden. Tatsächlich kam es schon zum Absturz des Rubel-Kurses. 

Mittlerweile berichtet sogar die New York Times über die geheime Strategie der Obama-Regierung, Russland in den Bankrott zu treiben, indem man den Busenfreund Saudi-Arabien dazu bringt, den Ölpreis weltweit in den Keller zu treiben. Allerdings sieht es immer mehr so aus, als hätten die konservativen Russlandhasser und Möchtegern-Kalten-Krieger um Barack Obama damit ein fettes Eigentor geschossen.

 

Der Kollaps der US-Ölpreise seit September könnte schon bald die gesamte Schieferöl-Blase zum Platzen bringen. Damit wäre die Illusion dahin, die Vereinigten Staaten könnten Saudi-Arabien und Russland als größte Ölproduzenten der Welt ablösen. Aber genau diese Illusion, die durch eine vom Energieministerium veröffentlichte gezinkte  Reserven-Einschätzung genährt wurde, war eine wichtige Stütze von Obamas geopolitischer Strategie.

Schon bald wird sich das finanzielle Schneeballsystem hinter der in den letzten Jahren gestiegenen Ölförderung in den USA in Nichts auflösen. Der Absturz des Ölpreises um 23 Prozent seit dem Geheimtreffen zwischen John Kerry und König Abdullah von Saudi-Arabien entzieht der Schieferöl-Förderung die wirtschaftliche Grundlage. Kerry und König Abdullah hatten sich Anfang September auf einen Ölpreis-Krieg gegen Russland geeinigt.

Gerade haben Wall-Street-Analysten bei Goldman Sachs ihre Prognose für 2015 für die Preisentwicklung US-amerikanischen Erdöls veröffentlicht. Danach wird der Richtwert, der so genannte WTI (West Texas Immediate),auf 70 Dollar für das Barrel sinken. Im September 2013 lag der WTI bei über 106 Dollar pro Barrel. Das bedeutet einen Preiseinbruch von 34 Prozent innerhalb weniger Monate.

Warum ist das für die Schieferölproduktion in den USA so wichtig? Weil sich Schieferöl oder Tight Oil, wie es die Industrie nennt, sehr viel schneller erschöpft.

Schätzungen zufolge stammen heute 55 Prozent des geförderten Erdöls in den USA und der gesamte Zuwachs der Förderung der letzten paar Jahre aus dem Fracking von Schieferöl. Stockt die Finanzierung wegen wirtschaftlicher Risiken inmitten fallender Ölpreise, werden die Betreiber gezwungen, neue Bohrungen, ohne die sich das Förderniveau nicht aufrechterhalten lässt, einzustellen.

 

Der kanadische Erdölgeologe David Hughes, der seit 30 Jahren für den Geological Survey of Canada tätig ist, präsentiert jetzt eine umfassende neue Analyse. Die darin verwendeten Daten aus der bestehenden Schieferölförderung, die zum ersten Mal veröffentlicht werden (Schieferöl wird ja noch nicht sehr lange gefördert), zeigen einen dramatischen Rückgang des Fördervolumens aus amerikanischen Schieferölvorkommen:

Die Dreijahres-Erschöpfungsrate der sieben Schieferölbecken, die für den Bericht erfasst wurde, reicht von 60 Prozent bis 91 Prozent. Das heißt, um diesen Prozentsatz ist die Menge des aus diesen Lagerstätten geförderten Erdöls in den letzten drei Jahren zurückgegangen. Also wurden in den ersten drei Jahren auf der Anlage nur 43 bis 64 Prozent des Gesamtpotenzials (Estimated Ultimate Recovery) gewonnen. Die Produktivität ist auf vier der sieben Schiefergasbecken bereits ins Endstadium der Erschöpfung eingetreten, das gilt für den Haynesville-Schiefer, den Fayetteville-Schiefer, den Woodford-Schiefer und den Barnett-Schiefer.

Ein Rückgang der täglichen Ölförderung von 60 bis 91 Prozent in diesen besten Schieferölregionen bedeutet, dass die Fördergesellschaften tiefer bohren müssen, um die Förderung aufrecht zu erhalten, gar nicht zu reden von einer Steigerung. Das kostet Geld, und zwar sehr viel Geld. Laut Hughes hat Obamas Energieministerium völlig unkritisch viel zu optimistische Zahlen übernommen, die ihm von den Unternehmen übermittelt wurden, die das Märchen vom Schieferöl in Amerika verbreiten. Seine eigenen Berechnungen ergeben für 2040 eine Schieferölförderung von lediglich zehn Prozent des Werts, den das Energieministerium zugrunde legt.

 

Hughes beschreibt das Dilemma der Schieferölgesellschaften als »Bohr-Tretmühle«. Sie müssen immer mehr Löcher bohren, nur um die Produktion auf dem gegenwärtigen Stand zu halten. Bisher haben sich die Ölgesellschaften zur Maximierung der Produktion die aussichtsreichsten Regionen, die so genannten »Sweet Spots«, vorgenommen. Aber jetzt, wo die Förderung endgültig zurückgeht, sind sie gezwungen, auch an Stellen mit geringerem Potenzial zu bohren. Hughes: »Wenn die Zukunft der Erdöl- und Erdgasförderung in den USA von Vorkommen in den tiefen Schieferlagern abhängt, … steht uns eine große Enttäuschung bevor.«

 

Einbrechender Ölpreis

 

Hughes beschreibt den Zustand der Schieferölförderung vor dem Beginn des von Kerry und Abdullah eingeleiteten Ölpreiskriegs. Seither sind die amerikanischen WIT-Preise in nur sechs Wochen um 25 Prozent gefallen, und der Absturz setzt sich fort. Andere große Ölförderländer wieRussland und der Iran überschwemmen ebenfalls den Weltmarkt mit Öl, um ihre Staatseinnahmen zu erhöhen. Die Folge ist eine globale Ölschwemme, die die Preise weiter ins Wanken bringt.

 

Der amerikanische Boom bei Schieferöl und -gas in den letzten Jahren wurde möglich durch die Nullzinspolitik derFederal Reserve und riesige spekulative Investitionen durch hungrige Firmen und Fonds an der Wall Street. Wenn sich die Förderstellen nun extrem rapide erschöpfen, stürzt bei einem Markteinbruch auch das ganze Wirtschaftsgebäude der Kreditvergabe an Schieferöl-Förderunternehmen in sich zusammen. Geld verschwindet plötzlich, überschuldete Ölgesellschaften geraten in ernste Schwierigkeiten.

Laut Philip Verleger, ehemals Direktor von Präsident Carters Office of Energy Policy und heute Berater in Energiefragen, würde die Produktion in der wichtigen Bakken-Formation in North Dakota bei einem Ölpreis von 70 Dollar pro Barrel um 28 Prozent auf 800 000 Barrel täglich zurückgehen; im Juli waren es noch 1,1 Millionen Barrel pro Tag gewesen. »In dem Maße, wie die Preise sinken, sinkt auch der Cash Flow, das Geld für weitere Bohrungen wird völlig versiegen; wir werden also einen deutlichen Rückgang der Bohrungen erleben«, sagte Verleger.Zusammen mit den finanziellen Einbußen für den russischen Staat infolge des gesunkenen Verkaufs von Erdgas an die Ukraine und der Aussicht, dass der Transit von russischem Gas, das für den riesigen EU-Markt bestimmt ist, in diesem Winter finanziell weniger lukrativ gemacht werden kann, während die gelagerten Vorräte der EU langsam zur Neige gehen, wird Moskau durch den Druck auf den Ölpreis gleich doppelt getroffen. Denn mehr als die Hälfte der russischen Staatseinnahmen stammen aus dem Export von Erdöl und Erdgas.

 

Die von den USA und Saudi-Arabien betriebene Manipulation des Ölpreises zielt darauf ab, gleichzeitig mehrere starke Opponenten der globalen amerikanischen Politik zu destabilisieren. Unter anderem ist sie gegen den Iran und Syrien gerichtet, beide Verbündete Russlands gegen das Bestreben der USA, als alleinige Supermacht die Welt zu beherrschen. Die Strategie ähnelt der, die die USA schon 1986 gemeinsam mit Saudi-Arabien verfolgten, als sie die Welt mit saudischem Öl überschwemmten, was den Ölpreis unter zehn Dollar pro Barrel drückte und die Wirtschaft des damaligen Sowjet-Verbündeten Saddam Hussein im Irak und letztendlich die sowjetische Wirtschaft ruinierte und den Weg für den Fall der Sowjetunion ebnete.

 Am 12. September, einen Tag nach den Geheimgesprächen zwischen US-Außenminister Kerry und den Saudis, kündigte Obamas Finanzministerium neue Sanktionen gegen die russischen Unternehmen Gazprom, Gazprom Neft, Lukoil, Surgutneftegas und Rosneft an. Danach ist es westlichen Firmen verboten, diese Unternehmen bei Erkundung oder Förderung von Erdöl und Erdgas im Meer oder in der Arktis und bei Schiefer-Projekten zu unterstützen.

 

Durch die US-Sanktionen vom September werden die Bohrungen des US-Konzerns ExxonMobil in der russischen Arktis, die im August gemeinsam mit Rosneft begonnen wurden, einstweilen gestoppt.

Auch andere Projekte vonRosneft und Gazprom Neft mit Exxon, Royal Dutch Shell,der norwegischen Statoil und der italienischen ENI sind von den Sanktionen betroffen.

 

Ein Großprojekt, das nun für russische Firmen sehr schwierig werden wird, ist die geplante Erkundung riesiger Schieferölvorkommen in der Baschenow-Formation unterhalb bestehender westsibirischer Ölfelder. Schätzungen zufolge lagern hier bis zu einer Billion Barrel Öl – viermal so viel wie die Vorkommen Saudi-Arabiens. Rosneft und Gazprom Neft arbeiteten in Baschenow gemeinsam mit Exxon und Shell, die mit der amerikanischen Fracking-Technik zur Förderung von Schiefergas oder -öl vertraut sind.

Im Zentrum des Kriegs gegen Gazprom, Rosneft und andere strategisch wichtige russische Energiekonzerne steht eine Abteilung innerhalb des US-Finanzministeriums, die nach dem 11. September 2001 geschaffen wurde, das so genannte Office of Terrorism and Financial Intelligence (TFI,Abteilung für Terrorismus und Finanz-Intelligence) mit 730 Mitarbeitern. Chef ist Daniel Glaser, der Leiter des Ressorts Terrorfinanzierung. In seiner nur wenig bekannten Abteilung wurden auch Sanktionen gegen den Iran erdacht, darunter die, iranischen Banken die Nutzung des SWIFT zu untersagen, ein vernichtender Schlag für den Iran.

 

Die Abteilung hat vollen Zugang zum Interbanken-Zahlungssystem SWIFT in Brüssel, das von allen internationalen Unternehmen und Privatleuten auf der Welt genutzt wird. Sie verfolgt die finanziellen und banktechnischen Verbindlichkeiten eines Beobachteten, sei es ein angeblicher Terrorist im Jemen oder in diesem Fall das Netz von wichtigen Personen in Putins Umfeld. Sie verfolgt Bartransfers, friert Bankkonten ein und stellt Finanziers und Geldwäscher bloß.

 

Ein Unternehmen, das vom Finanzministerium auf die schwarze Liste gesetzt wird, kann kein Geschäft mehr in US-Dollar abwickeln, über den 87 Prozent aller Transaktionen abgerechnet werden. Ausländische Banken »dollarisieren« normalerweise Zahlungen, indem sie die Transaktion über US-Banken abwickeln. Diese müssen jede Zahlung blockieren, wenn eine Person oder ein Unternehmen beteiligt ist, die oder das auf der schwarzen Liste steht. Die Abteilung des Finanzministeriums soll »überall dazwischenfunken« und »schlechte Akteure vom internationalen Finanzsystem ausschließen«, sagt David Cohen, der Ministerialbeamte, der Glasers Abteilung vorsteht. Wladimir Putin und russische Energiegesellschaften sind von der Obama-Regierung und den neokonservativen Kriegsfalken zu »schlechten Akteuren« erklärt worden.

 

Kein Wunder, dass Russland seit einigen Wochen nach Wegen sucht, das Dollar-System zu umgehen. Am 25. Oktober sprach Putin die Lage in einer Rede vor dem Valdai-Forum ganz offen an:

… die politisch motivierten Sanktionen haben den Trend verstärkt, die wirtschaftliche und finanzielle Souveränität zu stützen; und Länder oder regionale Gruppen von Ländern suchen nach Wegen, sich selbst vor den Risiken des Drucks von außen zu schützen. Wir sehen bereits, dass immer mehr Länder nach Wegen suchen, sich weniger abhängig vom Dollar zu machen und deshalb alternative Finanzierungs- und Zahlungssysteme sowie Reservewährungen aufbauen. Ich glaube, dass unsere amerikanischen Freunde ganz einfach den Ast absägen, auf dem sie sitzen.