Linke Kerstin Kaiser kritisiert Kniefall vor der SPD in Brandenburg  

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In einem Beitrag für das ND kritisiert die linke brandenburgische Landtagsabgeordnete Kaiser den Koalitionsvertrag mit der SPD für eine zweite rot-rote Regierungszeit, der von der Basis der Mitglieder von Linken und SPD  noch abgesegnet werden muß. 

Insbesondere die programm-widrigen Positionen zum Verfassungsschutz werden von Kaiser hart kritisiert. Aber auch das die Braunkohleverstromung eine Zukunftstechnologie sei, kritisiert sie scharf.  Sie schreibt: 

"Im Entwurf des Koalitionsvertrages auf S. 40 wird nach den wichtigen Bekenntnissen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, zum Handlungskonzept «Tolerantes Brandenburg» und zur Stärkung der Zivilgesellschaft unerwartet ein Loblied auf den VS angestimmt: «Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des...Verfassungsschutzes leisten dazu einen wichtigen Beitrag. Der Verfassungsschutz ist seit Bestehen unseres Landes stärker als anderswo in die demokratischen Strukturen integriert...» - Wie bitte? - möchte man sofort dazwischenfragen.

Aber leider folgt noch eine zweite Strophe: «Sollten sich in Auswertung der Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU-Skandal und des NSU-Prozesses in München Erkenntnisse ergeben, die Konsequenzen für die künftige Arbeit...der Landesämter für Verfassungsschutz....haben, wird die Koalition das berücksichtigen.»

Nochmal: Wie bitte? Auf welchem Planeten haben die AutorInnen dieser Vertragspassage denn im letzten Jahr gelebt? Und was wollen sie eigentlich tun, außer auf die Arbeitsergebnisse anderer zu warten. Schlimmer noch: Erkenntnisse und Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse im Bundestag sowie in Sachsen, Berlin und Thüringen liegen doch längst auf dem Tisch und werden landauf landab öffentlich diskutiert. Nicht allein DIE LINKE ringt in Bund und Ländern um deren Umsetzung. Auch in Brandenburg gab es dazu Veranstaltungen. In weiteren Bundesländern werden jetzt noch Untersuchungsausschüsse diskutiert bzw. eingerichtet.

Unsere Landesregierung hatte sich bei dem Thema - gelinde ausgedrückt - stark zurückgehalten. Was zu den möglichen Verwicklungen des Brandenburger VS über seinen V-Mann «Piato» in die Anfänge des NSU öffentlich wurde, entstammt leider nicht der kritischen oder offensiven Aufarbeitung der Behörde selbst, wurde ihr von außen angetragen und verschwand in der Schublade. Auf dem linken Landesparteitag Anfang 2014 wurde immerhin festgestellt, dass wir dieses Thema in Brandenburg vernachlässigt haben. Im diesjährigen Wahlprogramm steht, dass DIE LINKE den VS als Nachrichtendienst langfristig auflösen will. Kurzfristig plädieren wir z.B. für die Überprüfung seiner Arbeit, die Abschaltung der V-Leute und die Beendigung seines Einsatzes im Schulunterricht. Nichts davon steht im Koalitionsvertrag. Stattdessen eine vollkommen unsinnige Verknüpfung mit dem Strafprozess in München, wo doch etwas völlig anderes verhandelt als die politischen Konsequenzen aus dem Debakel der Sicherheitsbehörden, allen voran der VS in Bund und Ländern …

Nach Information auf dem Potsdamer Aktiventreffen stammen die oben zitierten Positionen im Koalitionsvertragsentwurf von der SPD. Die linke Seite hat sie geschluckt, offiziell mit Beschwerden («schmerzhaft»). Aber «Spagat»? Wo finde ich denn die zweite Position in diesem Loblied? Könnten wir eine Formulierung wie «Braunkohleverstromung in Brandenburg ist Zukunftstechnologie» als Spagat bezeichnen? Eine solche Kunst des Spagats auf einem Bein muss wohl erst noch erfunden werden.

Warum drückt die SPD diese Formulierungen ohne Not und wider besseren Wissens in den rot-roten Vertragsentwurf? Warum sollen Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der landeseigenen Verantwortung beim Thema NSU noch weiter verschoben werden? Eigentlich mag man all diese Fragen gar nicht mehr ernsthaft stellen angesichts der kürzlich erschienenen Pressemeldungen, Mitarbeiter des Brandenburger VS seien von ihren Vorgesetzten (im Innenministerium) daran gehindert worden, die Angehörigen der NSU-Opfer mit einem Brief um Entschuldigung zu bitten (wdr 13.10.2014, 22.00).Vor dem Hintergrund der beschriebenen Zusammenhänge und Fakten dürfte unstrittig sein, dass der Entwurfstext zum Verfassungsschutz weder Spagat noch Kompromiss ist, sondern reine SPD-Position, eingebracht als Zumutung für die Verhandlungspartnerin.  Es wird eine Sicht auf den Verfassungsschutz festgeschrieben, welche DIE LINKE bekanntermaßen überhaupt nicht teilen kann. Offenbar glaubt die SPD gerade bei diesem Thema, uns als alte und neue Koalitionspartnerin disziplinieren zu müssen. Die märkische SPD wird durchaus nicht rot, wenn sie wie immer machtpolitisch agiert. Aber müssen wir das schönreden und mittragen? Erklärt sich so die Selbstkritik der jüngsten Abgeordneten unserer Fraktion, die offensichtlich für erforderlich gehalten wurde, nachdem sie im Interview zum Thema Verfassungsschutz vor den Verhandlungen an die Positionen unseres Wahlprogramms erinnert hatte?

Und gehört vielleicht auch der Umgang mit der Opferperspektive Brandenburg dazu, die - anders als im letzten Vertrag - nicht mehr ausdrücklich unterstützend benannt wird. Mit gutem Willen kann man sie unter den «Vereinen für Opferschutz» versteckt, finden. Gerade dieser Verein hatte die Extremismusklausel nie akzeptiert und sieht die «Bildungsarbeit des Verfassungsschutzes» an Schulen und in der Öffentlichkeit wohl auch nicht gerade als «Integration in demokratische Strukturen. Gut wäre es, der »Opferperspektive« schnell und ausdrücklich zu bestätigen, dass sie durch Rot-Rot weiter politisch gewollt und unterstützt werden. Die von der SPD im neuen Koalitionsvertrag gesetzten Formulierungen zum Thema Verfassungsschutz aber lassen weder eine Lücke noch öffnen sie uns politische Handlungsräume. Im Gegenteil. Sie schließen Lücken, die in den letzten Jahren schon kaum noch zu sehen waren und von uns viel zu wenig genutzt wurden.

Da appelliere ich doch lieber an DIE LINKE, nach einem vermutlich positiven Mitgliederentscheid diszipliniert gegen die Disziplinierungsversuche der SPD und des Koalitionsvertrages kritische Analysen und politischen Schlussfolgerungen zum Umgang mit dem Verfassungsschutz nach der NSU-Mordserie auch in Brandenburg zu debattieren und die Ergebnisse dieser Diskussion schnellstmöglich auf den Tisch von Parlament und Landesregierung zu bringen.. ".

http://www.neues-deutschland.de/artikel/949304.spagat-auf-einem-bein.html?sstr=kaiser