Jan Schalauske will Linken-Chef in Hessen werden - " da sind wir auch schon bei Karl Marx"

In einem Interview mit der ARD stellt sich Jan Schalauske vor 

Neue Linkspartei-Spitze

"Da sind wir schon bei Marx"

Jan Schalauske (Bild: Linkspartei)
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Jan Schalauske

 

 

 

 

 

 

 

 

Für den Linken-Kommunalpolitiker Jan Schalauske beginnt jede Veränderung mit Opposition: Der Marburger will sich am Samstag zum neuen Landeschef der Linkspartei wählen lassen. Mit hr-online sprach er über die Aufgaben seiner Partei, Schwarz-Grün und Karl Marx.

 
Die hessische Linkspartei wählt auf ihrem Parteitag am Samstag in Wetzlar einen neuen Vorsitzenden. Denn während die Co-Vorsitzende Heidemarie Scheuch-Paschkewitz erneut antritt, gibt der bisherige Parteichef Ulrich Wilken sein Amt nach fast zwölf Jahren ab. Einziger Kandidat für seine Nachfolge ist der 33 Jahre alte Jan Schalauske aus Marburg. Er ist Mitarbeiter im Wahlkreisbüro des linken Bundestagsabgeordneten Wolfgang Gehrcke, Kreisvorsitzender in Marburg-Biedenkopf und sitzt im Stadtparlament von Marburg. 

hr-online: Herr Schalauske, worin sehen Sie die Aufgabe der Linkspartei? 

Schalauske: Es muss darum gehen, dass die Linke sich weiter konsequent für Frieden und soziale Gerechtigkeit einsetzt und eine Partei bleibt, die Politik in den Parlamenten macht, aber auch außerhalb – im Bündnis mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Es geht darum, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und mit grundsätzlichen gesellschaftlichen Veränderungen zu verbinden.
 
 
hr-online: Ihre Partei sitzt im Landtag in der Opposition. Da können Sie viel fordern, aber wenig erreichen. 

Schalauske: Jede Veränderung beginnt mit Opposition. In Hessen war vor ungefähr einem Jahr zumindest rechnerisch ein Politikwechsel möglich. Damals haben die SPD und besonders die Grünen diese Tür zugeschlagen, weil ihnen eine bedingungslose Sparpolitik wichtiger war als ein Politikwechsel mit uns. Jetzt braucht diese schwarz-grüne Landesregierung eine kraftvolle Opposition für soziale Gerechtigkeit. Denn diese Landesregierung ist die nahtlose Fortsetzung der alten schwarz-gelben Landesregierung unter andersfarbiger Flagge. 

hr-online: Was kritisieren Sie denn? 

Schalauske: Es gibt zwar ein paar positive Veränderungen, ein paar Subventionen für Ökobauern hier, ein rhetorisches Bekenntnis zur Energiewende da. Aber ansonsten verteidigen die Grünen jetzt, was sie vorher kritisiert haben. Sie sind beim Thema Flughafen vor den Interessen des Fraport-Konzerns eingeknickt. Beim Thema soziale Gerechtigkeit herrscht völlig Fehlanzeige. Es gibt keine Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau. Es gibt keinen ordentlichen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der diesen Namen verdient. Öffentliche Krankenhäuser werden erst in den Ruin getrieben und dann privatisiert. Unsere Städte und Gemeinden werden kaputt gespart. 

hr-online: Wenn Ihre Partei an die Regierung gekommen wären, hätte doch auch gespart werden müssen. 

Schalauske: Wer einen richtigen Politikwechsel will, der muss die Reichen in dieser Gesellschaft, die Großunternehmen zur Kasse bitten, der muss von oben nach unten umverteilen, um die vielen gesellschaftlichen Aufgaben zu finanzieren. Wir werden weiter leidenschaftlich für einen Politikwechsel kämpfen. 

hr-online: In Ihrem Bewerbungsschreiben an die Linken-Mitglieder schlagen Sie einen weiten Bogen von der Kommunalpolitik bis zu den Ideen von Karl Marx und Rosa Luxemburg, die Richtschur für Ihre Arbeit seien. Wann war denn Marx wichtig? 

Schalauske: Die Ideen von Karl Marx, Friedrich Engels, Rosa Luxemburg und anderen waren ein Grund, warum ich nach Hessen, nach Marburg gekommen bin. Um die Gesellschaft zu verändern, sie sozial gerechter zu machen, muss man sie verstehen. So habe ich in Marburger Politikwissenschaft studiert. Ich glaube, dass ein theoretisches Fundament hilfreich ist, um in der Politik Entscheidungen zu treffen. 

hr-online: Und als Stadtverordneter orientieren Sie sich an Marx? 

Schalauske: Wer in der Kommune unser Zusammenleben gestalten will, stößt auf die Frage, wem was in dieser Gesellschaft gehört, wer hat Einfluss auf Entscheidungen. Mangel an bezahlbarem Wohnraum, leere öffentliche Kassen und immenser privater Reichtum sind zwei Seiten derselben Medaille. Da spielt es eine große Rolle, dass so genannte Investoren und Superreiche ihre Interessen in der Kommune leichter durchsetzen können. Da sind wir dann schon bei Marx. 

hr-online: In Ihrem Bewerbungsschreiben heißt es, der Kapitalismus könne nicht das Ende der Geschichte sein, es gehe darum, die "herrschenden gesellschaftlichen Zustände grundsätzlich zu verändern". Was für ein Gesellschaftssystem wünschen Sie sich denn für Hessen, wenn es nicht das heutige ist? 

Schalauske: Wir stellen fest, dass der Kapitalismus für so viel Hunger, Armut, Ausbeutung und Unterdrückung verantwortlich ist, dass er nicht die Lösung für die schreiende Ungerechtigkeit ist, sondern eine zentrale Ursache. Alternativ wollen wir eine solidarischere Gesellschaft, den demokratischen Sozialismus. 

hr-online: Sie schreiben auch, die Linke ist eine "junge Partei mit einer langen Geschichte". Über deutsch-deutsche Geschichte wird gerade intensiv diskutiert. Ulrich Wilken, dem sie als Landesvorsitzender nachfolgen wollen, hält den Begriff Unrechtsstaat für die DDR für zu diffus. War die DDR für Sie ein Unrechtsstaat? 

Schalauske: Ich stelle erst einmal fest, dass der Begriff Unrechtssaat nicht nur in der politischen Debatte, sondern auch in der juristischen Debatte umstritten ist. Für die Linke gilt: Was es an Fehlentwicklungen, Unrecht und Verbrechen in der DDR gegeben hat, das ist von uns und von der Vorgängerpartei PDS klar benannt worden. Unsere Lehre daraus ist, dass Demokratie und Sozialismus zusammengehören. 
 
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