Kurden besetzen Europaparlament und  protestieren gegen IS und Türkei

Syrische FSA will überhaupt nicht mehr gegen IS kämpfen.

Vorher war schon beispielsweise die CDU-Zentrale in Dortmund besetzt worden. IS dringt in Kobane ein. 

Mehrere Dutzend kurdische Demonstranten drangen in das Europaparlament in Brüssel ein. Sie schwenkten kurdische Fahnen und ließen sich im Gebäude nieder. Während Bereitschaftspolizisten die Demonstranten umstellten, trafen sich mehrere Europaabgeordnete mit ihnen.

Zusammenstöße auch in Istanbul

Krawalle bei Anti-IS-Protesten in der Türkei

Krawalle bei Anti-IS-Protesten in der Türkei
 
In der Türkei hatte es in der Nacht in mehreren türkischen Städten Zusammenstöße zwischen prokurdischen Demonstranten und der Polizei gegeben. Die Kurden protestieren gegen die Haltung der türkischen Staatsführung angesichts der Gefechte um Kobane. Unter anderem blockierten Demonstranten in der Nacht eine große Straße im Istanbuler Stadtteil Gazi. Vereinzelt wurden Molotowcocktails und Feuerwerkskörper geworfen. Zu den Protesten hatte die Kurdenpartei HDP aufgerufen.

 

Das türkische Parlament gab dem Militär zwar zuletzt ein Mandat zum militärischen Eingreifen, Ankara verhielt sich aber abwartend.In der Türkei können IS Anhänger offen auftreten . Auch die türkische Regierung unterstützt die IS massiv. So werden der IS beispielsweise Grenzposten an der syrisch-türkische Grenze überlassen, was die Verteidigung von Kobane durch linke Rebellen der Kurden erschwert. 

In Deutschland gingen in Nordrhein-Westfalen laut Polizei in der Nacht insgesamt etwa 3000 Kurden auf die Straße. In Düsseldorf und Bonn drangen die Demonstranten kurzzeitig in Gebäude des Westdeutschen Rundfunks und der Deutsche Welle ein und übergaben den Verantwortlichen des Senders eine Resolution. In Berlin versammelten sich nach Polizeiangaben am Montagabend etwa 600 Kurden.

In Hamburg zogen nach Angaben der Polizei rund 200 überwiegend kurdische Demonstranten vom Hauptbahnhof zum Rathausplatz. Auch in Kiel gingen Kurden auf die Straße. In baden-württembergischen Städten gab es ebenfalls Proteste.

"Wir werden alles tun, um den Menschen von Kobani zu helfen. Sie sind unsere Brüder", sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu vor wenigen Tagen scheinheilig. . Und der aufstrebende junge Kurdenführer Selahattin Demirtas, Chef der linken HDP-Partei, war nach einem Gespräch mit Davutoglu geradezu erleichtert: Er sei nun überzeugt, dass die Türkei nicht zulassen werde, dass die seit Mitte September von der Terrormiliz Islamischer Staat  (IS) belagerte syrische Kurdenstadt Kobani fallen werde.Aber sicher könne er sich nicht sein. 

Doch bislang passierte nicht viel. bzw. eighentlich garnichts.  Starke Verbände türkischer Truppen zogen auf. Doch dann sahen sie aus wenigen Hundert Metern Entfernung zu, wie die Helden von Kobanie Tag für Tag in einen immer engeren Kessel zurückgedrängt wurden. Sie schlossen die Grenze, um zu verhindern, dass Tausende kurdische Freiwillige aus der Türkei, die Kobanis Verteidigern helfen wollten, über die Grenze gelangten. Sie verhinderten Nachschub an Waffen oder Munition. Ganz in Gegensatz dazu waren die Grenzen zu Syrien für islamische Kämpfer lange Zeit offen geblieben.

Da facto wurde die Türkei zum Riegel am Schloss des eisernen Belagerungsringes um Kobani. Und hinter den Kulissen nahm Ankara die Führer der Belagerten in den Würgegriff. Die Türkei fordere die totale Unterwerfung der Kurden als Bedingung für jegliche Waffenhilfe, hieß es vonseiten der syrischen Kurdenführung. Die Kurden mögen auch künftig jegliche Forderungen nach Autonomie aufgeben und sie sollten sich gegen den syrischen Regierungschef Baschar al-Assad wenden.Unproblematisch ist die autonome Kurdenregion im Nordirak. Längst ist dies de facto ein türkisches Protektorat geworden, dessen Führer sich mit Ankara arrangiert haben und dazu beitragen, den Irak zugunsten der Türkei zu schwächen.

Die Kurden in Syrien sind dagegen aus der Sicht der Nato-Türkei das größte Problem: Sie hatten ein autonomes Gebiet ausgerufen, welches an das bereits existierende Kurdengebiet im Nordirak grenzt, und sie gehören zur PKK, die in der Türkei selbst schlagkräftigste und radikalste Kurdenorganisation ist. Die Vergrößerung von autonomen Kurdenregionen bei gleichzeitiger Stärkung der PKK ist ein Albtraum für Ankara. Denn dies würde in Richtung eines nicht nur unabhängigen, sondern auch von der Türkei unabhängig denkenden Kurdistan führen.

Insofern könnte man in der Türkei zufrieden sein, dass der Islamische Staat die Kurden aufreibt und ihr Gebiet reduziert. Die Kurden der Region glauben, dass Ankara genau deswegen die Islamisten lange unterstützte ud immer noch faktsich unterstützt.  Kobani hätte eine Art geografische Brücke zwischen den Kurdengebieten im Nordosten und Nordwesten Syriens werden können. Die ethnische Säuberung dieses Gebiets reduziert die Kurden auf zwei getrennte Zipfel an den Grenzen zum Irak und zur Türkei. Was bleibt, stört dann nicht, wenn es sich der Türkei unterwirft.

Das dritte Element der türkischen Kurdenstrategie betrifft die PKK selbst und die türkischen Kurden. Seit einiger Zeit findet ein prekärer Friedensprozess zwischen der Regierung und der PKK statt, der allerdings brüchig ist.

Waffenstillstand gegen politische Dezentralisierung und mehr kulturelle Rechte. Das ist ein schwieriger Spagat, denn die PKK versteht genau, wie sehr die türkische Politik den eigenen Interessen widerspricht, indem sie gegen Syriens PKK-treue Kurden vorgeht.

Hier geht es darum, genau die Schmerzgrenze auszuloten: Ein Massaker in Kobani kann die PKK nicht hinnehmen. Deshalb wäre es auch möglich, dass die Türkei in letzter Minute etwas unternimmt, um zumindest die Stadt selbst zu retten, nicht aber das bereits vom IS eroberte Gebiet darum herum. Das bleibt in der Hand der IS - das scheint im Intersse der Türkei ud auch der USA als der entscheidende Hitermann zu sein. 

 Bereits am Montag und Dienstag kam es zu gewalttätigen Kurden-Demonstrationen in mindestens sechs türkischen Städten. Fällt Koabni, so sieht es für eine künftige Aussöhnung mit den Kurden wie bisher auch eher schlecht aus. Die Schlacht wird von vielen Kurden als Schlüsselmoment ihrer Geschichte empfunden. Wie sie ausgeht, wird die kurdische Identität und ihre Haltung gegenüber der Türkei langfristig beeinflussen.

Ankara versucht sich an der Quadratur des Kreises bzw. ein schäbiges Spiel weiterzuspielen.: Die Türkei will die diversen kurdischen Gruppen schwächen, sie gegeneinander ausspielen und sie dabei so  an sich binden.Teile und herrsche. 

In der Nacht von Montag auf Dienstag hatten die Dschihadisten zwei Vorstösse in Richtung Stadtzentrum unternommen. Diese mündeten in schwere Strassenkämpfe. Der erste Vorstoss von Osten wurde laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) von den kurdischen Volksverteidigungskräften (YPG) zurückgeschlagen. Auch IS-Kämpfer, die von Südwesten her eindrangen, gerieten in einen Hinterhalt der YPG. Bei den Zusammenstössen, die am Dienstag andauerten, wurden laut der YPG 24 IS-Kämpfer getötet. Am Montag verübten die Jihadisten zudem zwei Selbstmordanschläge auf YPG-Strassensperren bei Hasaka in Nordostsyrien, bei denen über dreissig Personen getötet wurden.

 

Die IS-Kämpfer hatten am Montag den Stadtrand von Kobane erreicht, nachdem sie die Kurden in stundenlangen Kämpfen von einem nahen Hügel vertrieben hatten. Die YPG begann darauf mit der Evakuierung der Zivilbevölkerung über die nahe türkische Grenze. Die Stadt stand seit Tagen unter dem Granatenbeschuss der Jihadisten, die mit Panzern vorrückten. Während die YPG-Kämpfer nur über leichte Waffen verfügen, kann der IS das gesamte Arsenal an modernen, grossenteils amerikanischen Waffen aus Beständen der irakischen Armee einsetzen, das den Jihadisten beim Vormarsch im Irak in die Hände gefallen ist. US Kampfjets sollen nur sehr begrenzt aktiv sein. 

Während angeblich strategische Ziele wie die vom IS kontrollierten Ölraffinierien von der Koalition bombardiert wurden, waren die rund 40 auf Kobani vorrückenden Kampfpanzer bislang kein Angriffsziel. Soweit von der Koalition überhaupt Ziele bei Kobani bombardiert wurden – bis zum Einmarsch des IS am Montag abend bewegte sich diese Zahl im einstelligen Bereich – sei vor allem leeres Gebiet getroffen worden, beklagen die Verteidiger der Stadt. So erweisen sich die USA Luftangriffe als Luftnummern. Die Volksverteidigungseinheiten YPG haben der Koalition angeboten, genaue Zieldaten zu übermitteln. Doch die USA lehnen eine solche Kooperation ab – schließlich gilt die YPG als ein Arm der auf den Terrorlisten von EU und USA geführten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Trotzdem haben sie diese Panzer per Satellit und Drohnentechnik natürlich längst geortet. 

 

So muss der Eindruck entstehen, dass die USA den Fall von Kobani mit allen grausamen Konsequenzen für die Zivilbevölkerung gar nicht verhindern wollen. Schließlich regieren in Kobani nicht feudal-korrupte Clans wie im Nordirak, die sich bereitwillig mit ihrem Ölreichtum dem Westen an die Brust werfen. In Kobani herrschen vielmehr Volksräte unter Führung der linken Partei der Demokratischen Union (PYD). Die demokratische Selbstverwaltung, die alle ethnischen und religiösen Bevölkerungsgruppen einbezieht, bricht mit dem Prinzip von Teile-und-Herrsche im Nahen Osten, dessen Nutznießer stets die westlichen Großmächte waren, die sich als Retter der scheinbar nicht zur Demokratie fähigen Völker aufspielen.

Jenseits der Grenze stehen türkische Truppen und Panzer, die nicht in die Kämpfe eingriffen, obwohl schon mehrmals Geschosse aus dem Kampfgebiet auf türkischem Gebiet einschlugen. Kurden, die über die Grenze gelangen wollten, um gegen die Jihadisten zu kämpfen, wurden von den türkischen Sicherheitskräften mit Tränengas vertrieben. Die türkische Grenzsperre dürfte auch weitgehend verhindern, dass Munition und anderer Nachschub zu den Verteidigern Kobanes gelangen. Flüchtlinge und Ambulanzen, die Verwundete aus Kobane bringen, werden in die Türkei hineingelassen.

Ein Fall Kobanes wäre für die Amerikaner ein Rückschlag, denn er würde demonstrieren, dass das Eingreifen der Amerikaner in Syrien – im Gegensatz zum Irak – den Vormarsch des Islamischen Staats nicht stoppen konnte.

Diese Erfahrung dürfte die Bereitschaft syrischer Rebellengruppen, den IS herauszufordern und mit den USA zu kooperieren, weiter dämpfen. Aber in Wirklichkeit kooperierten FSA und IS oftmals auch gemeinsam gegen Assad. So gibt es eine Waffenbrüderschaft zwische IS und FSA beispielsweise bei Rebellengruppen an  der syrisch-libanesischen Grenze. Die Islamische Front, der grösste Verband islamistischer Rebellen in Syrien, hat bereits angekündigt, dass seine Kämpfer keine Angriffe mehr gegen den IS unternehmen würden. Wer hätte das gedacht!

Die Kurden haben ihrer Empörung über das türkische Verhalten in zahlreichen Kundgebungen Luft gemacht, die am Montag in türkischen Städten begannen und am Dienstag auch auf verschiedene Städte in Europa übergriffen. Enttäuscht sind die Kurden aber auch von der Wirkungslosigkeit  von US Luftangriffen, die den Vormarsch der Dschihadisten nicht merklich bzw garnicht behindert haben.