Wann lernt man endlich, dass die Unterwerfung der LINKEN gegenüber der SPD bei der Geschichtsdebatte und mangelnde Öffentlichkeitsarbeit und Profilschärfung die Partei massiv schädigt?

Bereits kurz nachdem bekannt war, dass die LINKE 8,6 Prozent eingebüßt hat, obwohl oder weil sie fünf Jahre in einer rot-roten Koalition mitregiert hatte (in Berlin waren es nach rot-roten Jahren minus 9,2 und in Mecklenburg-Vorpommern minus 8 Prozent), war die Welt schon wieder ziemlich in Ordnung.

 19 000 sind von der Brandenburger LINKEN zur AfD abgewandert und 113 000 haben sie nicht nur nicht gewählt, sie sind gar nicht mehr zur Wahl gegangen. »Das ist ein solides Ergebnis.« (LINKE- Spitzenkandidat Christian Görke - na gut, er meinte die erreichten 18,6 %. Das ist allerdings ein schwacher Trost. Auch die ca 50 % Wahlverweigerer führen nicht zum Aufwachen. Die Devise lautet trotzdem: "Weiter so".   

Auch in Thüringen gab es eine  massive Wählerwanderung ehemaliger Linken-Wähler in Richtung AfD, da es der LINKEN zu wenig gelungen ist, klarzumachen wofür die AfD steht, so dass sich viele von den demagogischen und rechtspopulistischen Stammtischprolen begeistern und überzeugen ließen, sonst wäre der LINKEN wahrscheinlich ein noch viel besseres Ergebnis als die 28,2 % gelungen, wenn sie klargemacht hätte, dass es nicht in erster Linie ums Regieren, sondern um einen wirklichen Politikwechsel geht und sie ihre antikapitalistische Grundhaltung defintiv beibehält.

In Brandenburg fühlten sich die Protestwähler nicht mehr von der Linkspartei vertreten, sobald sie über Jahre mit der SPD zusammen regiert und unkenntlich wird, da viele meinen, dass die SPD nun generell links ist. Dass es aber auf die Leute, die Positionen in den jeweiligen Landesverbänden ankommt und darauf, mit wem die SPD regiert, entschließt sich einigen dann doch nicht.

Das müsste eine Warnung für die Koalitionsverhandlungen in Thüringen sein. Deutlich machen, dass man nicht staatstragend sein und für Posten und Ämter alles über Bord werfen und maximal eine bessere SPD speilen wird, sondern dass man es wirklich ernst meint mit einem grundlegenden Politikwechsel und damit in die Öffentlichkeit gehen. Auch klar benennen, was DIE LINKE bereits alles in den Verhandlungen erzielen konnte.

Aber nein man gerät erstmal in die Medienschlagzeilen mit einer falschen Begriffswahl in der Geschichtsaufarbeitung und praktiziert damit einen Kniefall vor der 12,4-Prozent-SPD in Thüringen, indem man die ehemalige DDR einseitig und zudem fälschlich als Unrechtsstaat bezeichnet.

Bis zur Selbstverleugnung der eigenen Geschichte und Existenz geht diese Anbiederung an eine SPD, die kaum noch Resonanz im Lande hat.   

Auch wenn Bodo Ramelow und die Thüringer LINKE-Landesvorsitzende, Susanne Hennig Wellsow im ND und auf Basiskonferenzen erklären, dass sich der Begriff nur auf Fehler, Irrtümer, Willkür der Herrschenden und des Unrechts gegen Oppositionelle und Republikflüchtlinge in der DDR bezieht, der Begriff präzisert wird und auch ausdrücklich erklärt wird, dass man damit weder die Menschen, die in der DDR lebten und arbeiten und positive Erfahrungen machten noch diejenigen, die trotz der Fehler am Aufbau einer antifaschistischen Ordnung und dem Sozialismusversuch festhielten, verunglimpfen und mit dem ,,Unrechtsstaat" in Verbindung bringen will, so bleibt der Begriff dennoch historisch und sprachlich falsch gewählt.

Und Bodo Ramelow ist leider bereit, auch über dieses Stöckchen zu springen, die die SPD hinhält.

Die Spitze der Thüringer Linkspartei hat sich positiv über die bisherigen Ergebnisse der Sondierungen mit SPD und Grünen geäußert. Die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sprach von guten Fortschritten. »Wir haben in wichtigen Fragen Konsens festgestellt und auf schwierigen Politikfeldern Schnittmengen ausgelotet«, so die Verhandlungsführerin. Sie verwies auf den möglichen »Einstieg in eine Verwaltungs- und Gebietsreform, eine humanitäre Wende in der Flüchtlingspolitik und eine konsequente Aufarbeitung des DDR-Unrechts«. Dies seien »Ergebnisse, die sich sehen lassen können, und die Richtung stimmt«.

Auf seiner Seite lässt Bodo Ramelow erkennen, dass der Begriff "Unrechtsstaat" falsch war und er relativiert den Begriff auch schon wieder. Der Begriff ist von antikommunistischer Sichtweise von Rechtsradikalen geprägt und für Linke tatsächlich nicht hinnehmnbar, denn der DDR-Staat war nicht einseitig in Gänze nur ein Unrechtsstaat. Da hat er Recht und trotzdem geht er auf die Wunschliste von SPD und Grünen ein, mit der Begründung, dass man andere Sichtweisen akzeptieren müsse und diejenigen, die in der DDR Nachteile erleiden mussten, nicht verhöhnen darf. Natürlich, und dennoch muss DIE LINKE ihre eigene dialektische Sprache finden statt sich mit falschem Vokubalor vorführen und unterbuttern zu lassen.

Bodo Ramelow auf seiner Seite:

Das dritte Sondierungsgespräch gestern Abend war aus meiner Sicht sehr produktiv, denn wir haben uns im Bildungsbereich und in der Sozialpolitik auf viele gemeinsame Vorhaben verständigen können. Wenn wir das gemeinsam umsetzen, werden wir Thüringen wirklich sozial regieren. Ich will aber erst noch über ein anderes Thema schreiben, denn wir haben auch miteinander verabredet, dass wir heute Vormittag das gemeinsame Papier zur DDR-Aufarbeitung veröffentlichen, obwohl die SPD es erst am kommenden Montag in ihrem Landesvorstand diskutieren kann. 


Auch wenn ich dafür bekannt bin, dass ich im Zweifelsfall gerne aus der Bibel zitiere, will ich jetzt mit Bezug auf dieses Dokument mal an Karl Marx erinnern: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt drauf an sie zu verändern!“ Wir können uns lange darüber streiten, wie wir vergangenes Unrecht benennen. Dass viele Menschen in der DDR schweres Leid erlebt haben, ist klar und unstrittig. Die Toten an der Grenze müssen für uns ewige Mahnung sein. Als LINKE wissen wir: Ein Sozialismus kann nur demokratisch sein oder gar nicht. Heute ist es aber unsere Aufgabe, konkrete Perspektiven für eine gerechtere Politik zu erarbeiten. Wir wollen nicht über die Interpretation eines einzelnen Wortes streiten – wir wollen Thüringen fair ändern! Und zwar gemeinsam mit SPD und Grünen!
 

 

Ich kann nicht ausschließen, dass es bei SPD und Grünen Mitglieder gibt, die sagen: Wenn DIE LINKE die Regierung führen will, dann halten wir ihnen das Stöckchen noch ein bisschen höher als in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg.

 

Da würde ich aber gerne antworten, dass wir uns von Stöckchen nicht aufhalten lassen, weil wir eine bessere Politik für Thüringen wollen, die dieses Land nach 24 Jahren schwarzer Traurigkeit einfach verdient hat.

Und ich kann auch mit großer Sicherheit sagen, dass es den Verhandlungsdelegationen von SPD und Grünen nicht um das Hinhalten von Stöckchen geht.

 

Für sie ist das eine tief emotionale Geschichte, es ist eine Gewissensfrage. Das war in den Verhandlungen eindeutig zu spüren. Deshalb haben wir mit demgemeinsamen Text einen guten Kompromiss erreicht, der auch diesem Aspekt gerecht wird. Wir haben damit eine vertrauensvolle Ausgangslage für die weiteren Gespräche und hoffentlich auch für fünf Jahre gemeinsame Regierungsarbeit geschaffen."

 

Quelle: http://www.bodo-ramelow.de/politik/aktuell/post/2014/09/26/wir-wollen-thueringen-fair-aendern/

 

Aber diese Formulierung vom "Stöckchen " hinhalten macht skeptisch, denn SPD und Grüne fühlen sich ermutigt , ihre Maximalforderungen eben doch durchzusetzen, wenn sich DIE LINKE so wenig selbstbewusst und so wenig prinzipienfest in ihrer Beurteilung der DDR-Geschichte gibt. 


Die Feststellung positiv zu Sozialismusversuchen zu stehen - auch zu gescheiterten und verfehlten - darf in einer Erklärung glaubwürdiger deutscher Linker nicht fehlen und vor allem nicht gänzlich diskreditiert werden - gerade im Hinblick auf die deutsche Geschichte der Linken.

 

Ein begrifflicher Kniefall vor der SPD ist dem Anliegen der Linken - nämlich den ersten linken Ministerpräsidenten im Lande zu stellen - nicht angemessen.

 

Es sollte weiterhin in erster Linie um gemeinsame Inhalte für einen grundlegenden Wandel in der Politik gehen statt darum, ob man sich mit Begriffen mit Begriffen von SPD-Hobbyhistorikern, die vor allem von Antikommunisten und Rechtspopulisten verwendet werden, anfreunden kann oder nicht.