Attacken auf Moscheen nehmen zu - Politiker und Medien schweigen weitgehend 

Moscheen in Deutschland sind von 2001 bis 2011 mehr als 200-mal Ziel von islamfeindlichen Straftaten gewesen. Allein in NRW seien in zehn Jahren 83 Fälle gezählt worden, von der Farbschmiererei bis zur Brandstiftung. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

Dies geht aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die der WAZ-Gruppe exklusiv vorliegt. Aus Sicht der Landeskriminalämter hatten 156 der 219 Attacken einen rechtsextremen Hintergrund.

 

Die Linke rechnet sogar mit einer höheren Anzahl an Attentaten. "So fehlt eine Serie von sechs Brandanschlägen auf Berliner Moscheen in den letzten beiden Jahren", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linken, Ulla Jelpke. Sie deutete an, dass Regierung und Polizei muslimfeindliche Hetze und Gewalttaten verharmlosen würden.



Hasskriminalität und Fremdenfeindlichkeit
Wie aus der Antwort auf die Kleine Anfrage hervorgeht, war in 137 Fällen Hasskriminalität und in 112 Mal Fremdenfeindlichkeit für die Tat ausschlaggebend. Die meisten Übergriffe ereigneten bundesweit im Jahr 2008 mit 33 Attacken, die wenigsten in 2003 mit sieben. In NRW war der Höhepunkt der Ausschreitungen 2006 mit 16 Übergriffen. 2011 zählten die Behörden bundesweit 27 solcher Straftaten, davon neun an Rhein und Ruhr.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, sprach sich für den Einsatz von Polizisten vor Moscheen aus , um dort für mehr Sicherheit zu sorgen. Im Gespräch mit der WAZ Mediengruppe kündigte er an, dass der ZMD gegen die rechte Kleinpartei Pro NRW juristisch vorgehen will. "Wir stellen Strafanzeige gegen Pro NRW wegen Volksverhetzung und Störung der Religionsausübung", sagte Mazyek. Damit reagiert der Zentralrat auf die Aufmärsche von Pro-NRW-Anhängern vor Moscheen.

 

Mit Mölln und Oldenburg summiert sich die Zahl der Übergriffe auf Moscheen auf 5 Attacken in vier Wochen.

Überhaupt haben solche Vorfälle zugenommen. Während zwischen 2001 und 2011 rund 22 Übergriffe pro Jahr gezählt wurden, ist diese Zahl 2012 auf 35 und ein Jahr später auf 36 angestiegen, wie die Bundesregierung erst vor Kurzem bekanntgab.
Die Islamfendlichkeit entwickelt sich immer mehr zu enem neuen Antisemitismus des 21 Jahrhunderts.
Auch Nazis wie die Front Nationale von Le Pen distanzieren sich mittlerweile vom Antisemitismus, um stattdessen die Islamfeindlichkeit umso aggressiver hochzufahren.
Doch eine so spontane Geste des Mitgefühls wie im schleswig-holsteinischen Mölln ist die Ausnahme. Meistens reagieren Öffentlichkeit, Politik und Medien mit Gleichgültigkeit oder völliger Ignoranz.
Bei Synagogen undenkbar
Ganz anders waren die Reaktionen vor ein paar Wochen, als ein Brandanschlag auf eine Synagoge in Wuppertal verübt wurde und bei Demonstrationen gegen den Gazakrieg auch antijüdische Parolen laut wurden. Politiker aller Parteien zeigten sich empört, selbst die Bundeskanzlerin meldete sich zu Wort. Und der Zentralrat der Juden hat deshalb jetzt für den 14. September zu einer Kundgebung unter dem Motto „Nie wieder Judenhass!“ am Brandenburger Tor in Berlin aufgerufen, zu der sich auch Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Gauck angekündigt haben.
Auf die Übergriffe gegen muslimische Gebetshäuser reagieren Öffentlichkeit, Politik und Medien im Vergleich dazu bisher eher zögerlich. So wie im Fall der Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg, deren Anbau vor etwa drei Wochen in Brand gesetzt wurde. Mit seiner rußgeschwärzten Fassade bietet der Rohbau seither einen besonders dramatischen Anblick. Inzwischen haben sich auch dort prominente Politiker wie SPD-Chef Sigmar Gabriel für einen Solidaritätsbesuch blicken lassen.
Es geht nicht ums Ausspielen
Für einen dezidiert islamfeindliches Motiv spricht das Vorgehen der Täter, die kürzlich in zwei verschiedene Moscheen in Bielefeld eingebrochen sind und beide Male versucht haben, das Gebäude in Brand zu setzen. Denn wer sonst sollte ausgerechnet einen Koran anzünden, um zu versuchen, eine Moschee in Brand zu setzen, außer ein Islamhasser? Doch die Reaktionen vor Ort blieben verhalten. Und auch auf die Bild-Schlagzeile „Nie wieder Muslimhass!“ wird man wohl noch lange warten müssen. 

Für den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, ist die steigende Zahl der Attacken auf islamische Gotteshäuser ein Zeichen für die Zunahme antimuslimischer Ressentiments. Er forderte "die Einrichtung von eigenständigen und spezialisierten Fachabteilungen in den Verwaltungen der Länder, um antimuslimische rassistische Tatbestände erfassen und beobachten zu können".

Mazyek verwies auf Nordrhein-Westfalen, wo diese separate Erfassung durch einen Landtagsbeschluss künftig gegeben sei. An die Bundesregierung und die Innenministerkonferenz der Länder appellierte Mazyek, diesen Beschluss für alle Bundesländer verbindlich festzulegen. Linke: "Gefährlicher Mix ist am Gären"

Auch die innenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion, Ulla Jelpke, sprach sich dafür aus, islamfeindliche Straftaten statistisch genau zu erfassen, "wie dies etwa bei Straftaten von Nazis schon der Fall ist". Sie äußerte sich besorgt über die gestiegene Zahl der Übergriffe auf Moscheen. "Hier ist ein gefährlicher Mix aus Rassismus und Sozialdarwinismus am Gären, der sich zunehmend in Gewalt gegen Muslime äußert." In weiten Teilen der Gesellschaft sei es "leider normal geworden, Muslime zu Sündenböcken für eine ganze Reihe politischer und sozialer Missstände zu machen".

Einer Studie der Universität Leipzig zufolge hat die Islamfeindschaft in Deutschland zuletzt deutlich zugenommen. "Jeder dritte Deutsche findet, Muslimen sollte Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden", schreiben die Autoren. Islamfeindschaft sei "das neue Gewand des Rassismus".