TTIP durch die Hintertür- CETA schaffft Paralleljustizsystem für Global Player

Ende der Rechtsstaatlichkeit - Groko wird wohl zustimmen

Top-Konzerne könnten dann zudem zweigleisig klagen, wobei das neue Verfahren über der ordentlichen nationalen  Gerichtsbarkeit hierarchisch angesiedelt ist. 

 

Die  potemkinsche Fassade der Rechtsstaatlichkeit als Leitprinzip wird in der westlichen Welt nun endgültig über Bord geworfen.

Die Top-Konzerne und Global Player planen im Rahmen eines neuen transatlantischen Freihandelsabkommen die Realisierung eines parallelen Justizsystems, dass sich als internationales Recht konstituieren soll.

Den Global Playern der kapitalistischen Hauptmächte soll so das Recht gewährt werden, ganze Staaten in  einer separaten Gerichtsbarkeit im weitgehend intransparenten Schiedsverfahren verklagen zu können. 

Da die politische Klasse das TTIP Abkommen mit den USA nicht ohne  Proteste durchsetzen kann, versuchen es die Global Player mit  dem Abkommen mit Kanada, dass eine  fast gleichlautende Zielsetzung hat.  So würde man das privilegierte Recht für die Top- Wirtschaft durch die Hintertür einführen, zumal alle wichtigen US Global Player auch Tochterfirmen in Kanada unterhalten. So könnten sie über Kanada ihre  privilegierten Interessen gegenüber Staaten und Gesellschaften durchsetzen.  

 Der Vertragstext zeigt: Auch dieses Abkommen könnte Regierungen den Klagen privater Investoren und Global Player aussetzen.

Darüber regt sich Kritik ujnd zwar insbesondere an den sogenannten Investor-Staat-Schiedsstellen. Diese ermöglichen es Konzernen, einen Staat vor einer geheim tagenden Schiedsstelle zu verklagen. Der Investor soll damit die Möglichkeit haben, gegen Gesetze und Maßnahmen der Regierung vorzugehen, die die Profitabsichten seiner Investitionen stark einschränken.

Philip Morris klagt auf Schadensersatz für Schockbilder

Experten wie  Markus Krajewski sehen in den Schiedsstellen große Gefahren. Der Wirtschaftsvölkerrechtler hat die Verhandlungen zu CETA begleitet und forscht zu Abkommen dieser Art mit anderen Ländern. Zwischen einigen Ländern gibt es nämlich bereits Freihandelsabkommen, die solche Schiedsgerichte vorsehen. Internationale Konzerne können diese bereits heute anrufen, wenn sie eine Niederlassung in einem dieser Länder haben.Bekanntestes Beispiel ist der Tabakkonzern Philip Morris: Er klagt derzeit bei einer solchen Investor-Staat-Schiedsstelle gegen Australien. Dort hatte die Regierung per Gesetz vorgeschrieben, dass Zigaretten nur noch in faden, eintönigen Packungen anzubieten seien - auch der Firmenname darf nur noch in einheitlicher Schrift geschrieben werden, und auf der Zigarettenschachtel muss ein Foto eines Krebstumors, eines erblindeten Auges oder eines abfaulenden Fußes prangen. Philip Morris fordert nun Schadensersatz in Millionenhöhe. Die Begründung: Die bei der Investitionsentscheidung nicht absehbaren strengen Tabakgesetze hätten dem Konzern das Geschäft kaputt gemacht.

"Diese Klagemöglichkeit wird es mit CETA auch geben. Das Abkommen schafft die Möglichkeit einer Paralleljustiz für Konzerne, deren Entscheidungen noch über letztinstanzlichen Gerichten stehen", sagt Krajewski. Um zu klagen, müsse ein Konzern nur behaupten, dass ein Gesetz, eine politische Maßnahme oder sogar eine Gerichtsentscheidung "manifest unverhältnismäßig" sei. Konzerne wie Philip Morris können dann Schadensersatz in Millionen- oder gar Milliardenhöhe einklagen - was letztlich der Steuerzahler zu tragen hat.

Vattenfall verklagt Deutschland wegen des Atomausstiegs

Auch in Deutschland laufen bereits ähnliche Klagen. Der schwedische Konzern Vattenfall verklagt die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs. Beim Thema Energie gibt es nämlich bereits ein vergleichbares Abkommen, das Deutschland unterschrieben hat. Die Gewinnaussichten seien erheblich beeinträchtigt, argumentiert der Konzern, somit sei der Investorenschutz betroffen. Neben dem Klageweg über Gerichte hat Vattenfall auch die Investor-Staat-Schiedsstelle angerufen. Das Verfahren läuft noch.

Vattenfall fordert Schadensersatz in Höhe von 3,7 Milliarden Euro. Aus einer schriftlichen Anfrage der Linkspartei an das Bundeswirtschaftsministerium geht hervor, dass die Regierung zudem allein für die Prozess- und Mandatskosten bis Juli 2014 bereits mehr als eine Million Euro ausgegeben hat, für die Jahre bis 2017 habe sie vorsichtshalber Verfahrenskosten von 6,2 Millionen Euro im Haushaltsplan veranschlagt.

Immer mehr Investoren verklagen die Staaten

Wie viele dieser Verfahren es insgesamt gibt, ist nicht bekannt. Sie müssen nirgends gemeldet werden. Sicher ist, dass die Zahl von Investor-Staat-Klagen in den letzten Jahren rasant gestiegen ist. 2001 waren es noch keine 100 Fälle, im Jahr 2013 wurden bei der UNCTAD, der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der UN, bereits über 560 Verfahren registriert. Nicht immer kommt der Investor mit seinen Forderungen durch. Doch von den mehr als 270 abgeschlossenen Fällen wurden circa 30 Prozent für den Investor entschieden und circa 40 Prozent für den Staat, die restlichen Fälle endeten mit einem Vergleich.

Und diese Fälle könnten noch deutlich zunehmen. Denn CETA gilt als Blaupause für das Freihandelsabkommen TTIP. Und dass es am jetzigen Verhandlungsstand von CETA noch größere Änderungen geben wird, ist zu bezweifeln. Auf Anfrage der Linkspartei schreibt die Bundesregierung, dass sie zwar "prinzipiell Investitionsschutzabkommen in Freihandelsabkommen zwischen entwickelten Rechtsstaaten nicht für erforderlich" halte. Falls aber "das europäische Gesamtinteresse an diesen Freihandelsabkommen so überwiegend" sei, werde gegebenenfalls das "ausgehandelte Investitionsschutzabkommen hingenommen".

Der Rechtsexperte Krajewski hält es für abwegig, dass das Paket durch die Bundesregierung nach fünf Jahren Verhandlung noch einmal aufgeschnürt werden könnte. Deutschland könne im Ministerrat vielleicht ein Veto einlegen, dass Deutschland aber das ganze Abkommen platzen lassen werde, sei politisch sehr unwahrscheinlich.

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/ceta-101.html

Geheimgerichte: Global Player verklagen ganze Staaten und entmachten sie so 

Unter aufgeklärten Menschen gibt es seit Jahrzehnten den Streit, ob es eigentlich ein Primat der Politik oder ein Primat der Wirtschaft  gäbe und wer letztendlich wirklich herrscht. Wieder einmal bewahrheitet sich der marxistische Ansatz, dass die Wirtschaft dominiert.

Immer mehr Konzerne verklagen ganze Staaten vor geheimen Schiedsgerichten auf Schadensersatz in Milliardenhöhe

Entsprechend stellt der Industrieverband BDI beispielsweise Forderungern zum Schutz dieser Exportkapitalien im Ausland: Im Jahr 2011 betrug der Wert der Bestände deutscher Direktinvestitionen im Ausland (ADI) 1.144,0 Mrd. Euro. Seit 1990 sind die Bestände somit um das 5-fache gestiegen (1990: 226,5 Mrd. Euro). Allein im Jahr 2012 investierten deutsche Unternehmen 52,1 Mrd. Euro im Ausland. Umso wichtiger sei ein umfassender Schutz von ADI. Investitionsförder- und -schutzverträge (IFV) bieten angeblich einen solchen Schutz. Diese internationalen und völkerrechtlichen Verträge zwischen zwei oder mehr Ländern dienen dazu, ausländischen Investoren die Märkte zu sichern, den Schutz des Eigentums und die Möglichkeit zuzusichern, ihre Rechte im Gastland gerichtlich durchzusetzen. 

Vor Geheimgerichten klagen sie gegen Standortbenachteiligungen, gegen neue Gesetze, die beispielsweise die Nationalisierung der heimischen Wirtschaft beinhalten, weil die Regierung ihnen Rechte oder Lizenzen entzieht oder Subventionen streicht oder wegen angeblicher  Unregelmäßigkeiten in öffentlichen Ausschreibungen: Es gibt viele Gründe, aus denen Global Player u a Investoren vor ein internationales Schiedsgericht ziehen und Staaten verklagen – und immer mehr Unternehmen nutzen das Instrument.

 58 neue Streitfälle hat die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (Unctad) im Jahr 2012 gezählt, mehr als je zuvor. Aktuellere Daten gibt es noch nicht. 

Zwei Drittel der Klagen richteten sich gegen ehemalige Kolonien oder sogenannte Schwellen- oder Entwicklungsländer. Das hat historische Gründe: Die Verträge, die den Klagen zugrunde liegen, waren ursprünglich dazu gedacht, Investitionen aus Industrieländern in Entwicklungsländern zu schützen, da dort vermeintlich weniger Rechtssicherheit herrscht oder aber weil man einfach pro-westliches recht den Ländern überstülpen wollte.  

Investitionsschutzverträge zwischen Industrieländern gibt es allerdings noch nicht so lange.  Sie werden überall in Freihandelsabkommen eingebaut. Sie schaffen ein Sonderrecht für westliche Global Player und für Konzerne allgemein, das über dem nationalen Recht der Länder steht.

So entzieht man sich nationaler Gerichtsbarkeit der Staaten udn so ordnet man sich diese unter. 

Insgesamt hatte die Unctad Ende 2012 genau 514 Fälle von Investorenklagen erfasst, schon abgeschlossene Verfahren inklusive. Deutsche Unternehmen gehören zu den häufigsten Klägern. Sie zogen insgesamt 27 Mal vor ein Schiedsgericht. Mehr schafften nur Konzernen aus den USA, die mit 123 Verfahren weit vorne liegen, aus den Niederlanden (50 Fälle) und dem Vereinigten Königreich (30 Fälle). An häufigsten befasst sich das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ICSID mit den Klagen, ein Schiedsgericht der Weltbank. Andere laufen über UNCITRAL, eine Kommission der Vereinten Nationen.  

Diese geheimen Schiedsgerichte sind höchst umstritten, weil sie geheim tagen und weil sie ihr Recht aus internationalen Verträgen des Freihandels ableiten und somit internationales Recht anwenden, dass im Zweifelsfall den nationalen Interessen der Länder diametral entgegenstehen kann.  Somit fehlt den Gerichten zudem jede demokratische Legitimation.

 Auch die meisten der bereits bestehenden Abkommen – die Unctad zählt mehr als 3.000 – sehen Investitionsschutzklagen vor.

Sowohl das Freihandelsabkomen zwischen USA und EU als auch das Abkommen zwischen Kanada und der EU sieht solch eine Klausel vor. 

Die Unctad etwa plädiert in ihrem aktuellsten World Investment Report 2013 dafür, die Klagemöglichkeiten von Investoren einzuschränken, zum Beispiel indem man sie verpflichtet, juristische Mittel auf nationaler Ebene auszuschöpfen, bevor sie vor ein internationales Schiedsgericht ziehen. Zudem sollen die Verfahren transparenter werden, Berufung soll möglich sein. 

Noch aber werden Investorenklagen nach altem Recht verhandelt.

Transatlantisches Freihandelsabkommen erlaubt kanadisches Kapital Europa per Freifahrtschein auszuplündern

So darf das kanadische Kapital Europa per Freifahrtschein ausplündern 

Das Freihandels-Abkommen der EU mit Kanada wird die europäische Gerichtsbarkeit für US-Investoren abschaffen. Die EU-Kommission setzt die Bürger Europas gigantischen Risiken aus. Vielen Multis wird mit diesem Abkommen die Tür zu Europa geöffnet. Im Wind-Schatten der NSA-Debatte opfert Brüssel das europäische Rechtssystem auf dem Altar der globalen Industrie-Lobby.

In der Regeln bestehen die Fußangeln solcher Freihandels- Abkommen in scheinbar feinsinnigen juristischen Formulierungen, die die meisten Abgeordneten am Ende mangels Zeit, Interesse oder Sachverstand in ihrer Tragweite nicht beurteilen können.

Einer der entscheidenden Punkte dieser Freihandelsabkommen ist in der Regel der Umgang mit den sogenannten Investment-Schutzklauseln.

Diese Klauseln sollen sicherstellen, dass ein Unternehmen von Relevanz also ein Global Player, welches in einem Land investiert, gewisse und konkrtete Sicherheiten erhält, dass eine Investition nicht willkürlich vom jeweiligen „Gastland“ gefährdet wird.

Damit werden die Global Player juristisch über die Nationalstaaten gestellt bzw. von nationalen Regeln sozusagen losgelöst, die für sie nicht verbindlich sind.Es entsteht so ein privilegiertes Sonderrecht für global agierende Monopolkonzerne.  

Diese Klauseln sind entstanden, als es in den sechziger Jahren in mehreren rohstoffreichen Ländern Afrikas und des Nahen Ostens zu Enteignungs-Wellen kam. Richtig in Fahrt kamen die Schutzklauseln nach denEnteignungen amerikanischer Firmen im Zuge der iranischen Revolution: 1981 einigten sich der Iran und die USA auf das „Iran-US Claims Tribunal“, in dem sämtliche Streitfälle zwischen US-Firmen und dem Iran behandelt wurden.

Doch aus einem sinnvollen Schutzmechanismus ist mittlerweile ein knallhartes Geschäftsmodell geworden. Vor allem multinationale Konzerne können sich praktisch unbegrenzt an Staaten schadlos halten, wenn sie behaupten, dass ihre Investments durch falsche Behörden-Entscheidungen, neue Gesetze oder lästige Bürgerinitiativen an Wert verloren haben.

Dann werden fragwürdige Schiedsgerichte eingesetzt. 

Vor den Schiedsgerichten werden zwar formal Sachverhalte auf Basis des Völkerrechts diskutiert. Doch das Ergebnis ist nicht ein Urteil durch ein unabhängiges Gericht, sondern ein Deal zwischen den Parteien. Fällt diese zum Nachteil der Staaten und der Steuerzahler aus, haben sie keine Möglichkeit mehr, gegen den Deal Berufung einzulegen. Die Steuerzahler müssen zahlen – egal, ob Mittel dafür im Haushalt vorgesehen sind oder nicht.

Klartext: 

Über den umfassenden Abbau von Standards hinaus verdient vor allem das Vorhaben der EU Beachtung, ein so genanntes Investitionsschutz-Kapitel im Abkommen zu verankern. Dadurch sollen US-amerikanische Investoren, die in Europa investieren, und umgekehrt, besondere Klagerechte gegen Staaten erhalten, wenn deren Politik ihre Investition bedroht. Solche Kapitel wurden in der Vergangenheit vor allem in Abkommen verankert, an denen Länder mit unstabilen politischen Verhältnissen und korrupten politischen Eliten beteiligt waren. Das Geschäftsklima sollte verbessert werden, weil die Klagemöglichkeiten die Investoren vor staatlicher Enteignung schützen.

In einem Abkommen zwischen der EU und den USA trägt diese Erklärung nicht. Worum es eigentlich geht, verdeutlicht eine Formulierung, nach der Investoren auch vor "indirekter Enteignung" geschützt werden sollen. Als indirekte Enteignung lässt sich faktisch alles interpretieren, was die Gewinne oder Gewinnerwartungen eines Konzerns negativ beeinträchtigt. Wenn zum Beispiel die EU ein Produktionsmaterial verbietet, weil es für gesundheitsschädlich gehalten wird, dann schmälert dieses Verbot die Gewinnerwartungen von Konzernen, die dieses Material verwenden. Wenn die USA ein Finanzderivat verbieten wollen, das sie für gefährlich halten, dann schmälern sie die Gewinnerwartungen von Investmentbanken, die mit diesem Derivat spekulieren. Beide könnten vielleicht künftig dank der TTIP Schadensersatzforderungen erheben – mitunter in Milliardenhöhe.

Zahlreiche Beispiele aus anderen Abkommen zeigen: In der Regel haben die Kläger gute Erfolgsaussichten. Die dafür zuständigen Schiedsgerichte stehen außerhalb und über den staatlichen Justizsystemen. Sie sind anfällig für Korruption. Klagen können nur die Konzerne, Revisionsverfahren gibt es nicht. Letztlich würde ein solches Kapitel eine systematische Machtübertragung von gewählten Regierungen zu Banken und Konzernen bedeuten. Demokratische Gestaltungsmöglichkeiten würden extrem eingeschränkt werden. Damit bedeutet die TTIP oder CETA auch einen Angriff auf demokratische Rechte.

Medien konnten in die Vereinbarung zum Investment-Kapitel vom 17. Mai Einsicht nehmen.

Darin haben beide Verhandlungspartner ihren Völkern eine sehr weitreichende Aufgabe der nationalen Gerichtsbarkeiten auferlegt.

Das bedeutet: Auf beiden Seiten haben sich die Industrie-Lobbyisten durchgesetzt – auf Kosten der Völker Europas und Kanadas.

Denn obwohl das EU-Parlament darauf gedrungen hatte, dass im Streitfall zuerst die ordentlichen Gerichte angerufen werden müssen, findet sich der vom Parlament geforderte Wortlaut zum Paragraph 31 der Vereinbarung mit keinem Wort wieder. Das Parlament hatte gefordert, „dass die vorliegende Form der Vereinbarung dahingehend geändert werden muss, dass sie eine Verpflichtung zur Ausschöpfung der gewöhnlichen Rechtsweges vorsehen“ – zumindest in dem Fall, wo die Gerichte in der Lage sind, eine vernünftige Lösung von Streitfällen sicherzustellen.

Die EU-Kommission und die kanadische Regierung haben diese Forderung schlicht ignoriert.

Die Völker Europas und Kanadas sind dem Spiel der unkontrollierbaren Finanz-Eliten ausgeliefert. Die Konzerne haben, von der EU-Kommission am Parlament vorbei dazu ermutigt, ein gewaltiges Umsatzpotential – ohne das geringste Risiko.

Die von Angela Merkel angedrohte Gefährdung des Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) im Zuge des NSA-Skandals erweist sich in diesem Licht als eine klassische Nebelkerze, schlimmer noch – als ein echter Schuss ins eigene Knie: Denn die Amerikaner brauchen TTIP nicht, wenn CETA ratifiziert wird. Die Europäerdagegen können in die USA nur über TTIP gelangen – wenn sie nicht zuvor mit erheblichen, realen Investments ein Geschäft in Kanada aufbauen wollen.

Die EU-Kommission erwartet, dass CETA Mitte 2014 in Kraft treten kann.

Das Comprehensive Economic and Trade Agreement, kurz CETA, ist ein geplantes Europäisch-Kanadisches Handelsabkommen.[1] [2]

CETA gilt für alle Unternehmen, die in Kanada oder der EU ein substantielles Geschäft betreiben, also z. B. für viele US-Firmen, die eine Niederlassung in Kanada unterhalten.[3] Der genaue Wortlaut von CETA ist noch geheim (Stand: 19.11.2013),[4]jedoch gleicht CETA in der Version von Februar 2012[5] dem am 4. Juli 2012 vom Europäische Parlament mit großer Mehrheit abgelehnten Handelsabkommen ACTA stellenweise fast aufs Wort.[6] Die strittigste Frage bezüglich Hormonfleisch ist aber noch nicht abschließend geklärt.[7]

 

Ein wesentlicher Bestandteil von CETA beinhaltet, dass Streitigkeiten zwischen Staaten (staatlichen Behörden usw.) und internationalen Unternehmen nicht der Gerichtsbarkeit der betroffenen Staaten unterliegen, sondern auf außergerichtlichem Wege entschieden werden: von sogen. Schiedsgerichten, die aber keinerlei staatliche Legitimation für sich beanspruchen können und keiner staatlichen Kontrolle unterliegen.[8]

 

Acta ist tot - oder doch nicht? Das geplante Handelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada hat angeblich stellenweise denselben Wortlaut. Netzaktivisten sind empört, die EU-Kommission wiegelt ab.

Das geht aus einem Entwurf aus dem Februar (PDF) hervor, der vor kurzem an die Öffentlichkeit gelangt ist, wie der Rechtswissenschaftler schreibt. In einer Tabelle stellt er die finale Version von Acta und die vorläufige Version von Ceta nebeneinander und zeigt damit, dass sich die beiden englischen Texte in ganzen Absätzen gleichen, das Kapitel zum Urheberrecht ist fast eins zu eins übernommen. Daran erkenne man, dass das totgeglaubte Acta-Abkommen durch eine Hintertür wieder auferstehen könnte.

Den Netzaktivisten Markus Beckedahl überrascht das wenig, "weil sowohl Kanada als auch die EU bei Acta dabei waren", und "auch wenn Acta tot ist, die Ideen dahinter wie eine Echtzeitüberwachung des Internets, Netzsperren und 3-Strikes-Lösungen werden ständig wiederkommen auf allen Ebenen."

CETA ist die größte bilaterale Initiative Kanadas seit dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen vom 1. Januar 1994.

Bald werden die großen US-Multis damit beginnen können, Europa aufzurollen.

So besteht die Gefahr, dass ganz Europa von nordamerikanischen Multis und Global Playern kolonialisiert werden könnte. 

http://internetz-zeitung.eu/index.php/blog/item/1139-gegen-das-usa-eu-freihandelsabkommen

Das Freihandelsbakommen der EU mit der USA ist eine Kriegserklärung der Global Player an die Politik 

 
 Ein Blick auf die ersten Blaupausen lässt ahnen, was Europas Bürger nicht zu früh erfahren sollen.

Bereits vor fünfzehn Jahren versuchten Großunternehmen bei den Verhandlungen über das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) ihre Macht heimlich still und leise in unvorstellbarem Maße auszuweiten. Damals scheiterte das Projekt am hartnäckigen Widerstand der Öffentlichkeit und der Parlamente. Damit wurde unter anderem verhindert, dass sich einzelne Konzerne denselben Rechtsstatus wie Nationalstaaten verschaffen konnten. Das hätte etwa bedeutet, dass Unternehmen eine Regierung verklagen können, "entgangene Gewinne" aus Steuergeldern auszugleichen.

Jetzt aber kommen diese Pläne erneut auf den Tisch, und zwar in deutlich verschärfter Fassung. Der offizielle Name des neuen Projekts lautet "Transatlantic Trade and Investment Partnership", abgekürzt TTIP. Dieses transatlantische Handels- und Investitionsabkommen soll, ähnlich wie früher das MAI, die Privilegien von Konzernen und Investoren absichern und sogar noch ausweiten. So wollen die EU und die USA ihre jeweiligen Standards in "nicht handelspolitischen" Bereichen vereinheitlichen. Diese angestrebte "Harmonisierung" orientiert sich erwartungsgemäß an den Interessen der Konzerne und Investoren. Werden deren Standards nicht erfüllt, können zeitlich unbegrenzte Handelssanktionen verhängt werden. Oder es werden gigantische Entschädigungen für die Unternehmen fällig.

Die Verhandlungen über diese Art Staatsstreich in Zeitlupe haben im Juli dieses Jahres in Washington begonnen - mit der erklärten Absicht, in zwei Jahren ein Abkommen zu unterzeichnen, das eine transatlantische Freihandelszone (Transatlantic Free Trade Area, Tafta) begründen wird. Das gesamte TTIP-Tafta-Projekt gleicht dem Monster aus einem Horrorfilm, das durch nichts totzukriegen ist. Denn die Vorteile, die eine solche "Wirtschafts-Nato" den Unternehmen bieten würde, wären bindend, dauerhaft und praktisch irreversibel, weil jede einzelne Bestimmung nur mit Zustimmung sämtlicher Unterzeichnerstaaten geändert werden kann.

Wirtschafts-Nato mit grenzenlosen Befugnissen

Weil die global operierenden US-Konzerne eine ähnliches Partnerschaftsabkommen für den pazifischen Raum (Trans-Pacific Partnership oder TPP) anstreben, würden wir auf ein System zusteuern, das die Herrschaft der mächtigsten Kapitalgruppen über den Großteil der Welt zementiert und juristisch absichert. Denn auch andere Staaten wären gezwungen, bei der TTIP oder der TPP anzudocken. Sie müssten sich also im Handel mit der USA und der EU nach deren Regeln richten.

In den USA reagieren die Wähler, die Präsident Obama sein Versprechen eines "glaubhaften Wandels" abgenommen haben, teils depressiv, teils wütend. Denn was er ihnen als Regelwerk für die Weltwirtschaft auf der Höhe des 21. Jahrhunderts verkaufen will, läuft darauf hinaus, dass die von den sozialen Bewegungen des 20. Jahrhunderts durchgesetzten Fortschritte großenteils wieder rückgängig gemacht werden.

Die Verhandlungen über das TTIP-Tafta-Projekt finden hinter verschlossenen Türen statt. Damit wird gewährleistet, dass jenseits des geschlossenen Zirkels der "Handelspolitiker" niemand beizeiten mitbekommt, was tatsächlich auf dem Spiel steht.(1) Andererseits haben 600 offizielle Berater der Großkonzerne privilegierten Zugang zu den Dokumenten und zu den Entscheidungsträgern. Textentwürfe werden nicht veröffentlicht, die Öffentlichkeit und die Presse werden außen vor gelassen, bis der endgültige Deal unter Dach und Fach ist.

Der im Juni zurückgetretene US-Handelsminister Ron Kirk hatte im Mai 2012 in einem Anfall von Aufrichtigkeit erklärt, warum eine solche Geheimhaltung erforderlich sei: In einem früheren Fall ist der Entwurf für ein umfassendes Handelsabkommen publiziert worden, und deshalb sei es am Ende gescheitert.(2 )Kirk bezog sich auf den ersten Anlauf zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen Nafta, dessen Text 2001 auf die Website der Regierung gestellt worden war. Die demokratische Senatorin Elizabeth Warren sagte dazu: Ein Papier, das die Öffentlichkeit scheuen müsse, dürfe gar nicht unterzeichnet werden.(3)

Für die Heimlichtuerei gibt es einen einfachen Grund. Ein solches Abkommen würde die nationalen Regierungen bis hinunter zu den Kommunalverwaltungen verpflichten, ihre aktuelle und künftige Innenpolitik dem umfangreichen Regelwerk anzupassen. In diesem Abkommen wären auf diplomatischer Ebene ausgehandelte Gesetzesvorgaben festgeschrieben, die nach dem Wunsch der Unternehmen auch viele nicht handelsbezogene Bereiche beträfen: etwa die Sicherheit und Kennzeichnung von Lebensmitteln, die Grenzwerte chemischer und toxischer Belastung, das Gesundheitswesen und die Arzneimittelpreise, das Recht auf Privatsphäre im Internet, Energieversorgung und kulturelle "Dienstleistungen", Patente und Urheberrechte, die Nutzung von Land und Rohstoffen, die Rechte und die Arbeitsmöglichkeiten von Immigranten, die öffentliche Auftragsvergabe und vieles andere mehr.

Die Unterzeichnerstaaten müssten gewährleisten, dass "ihre Gesetze, Regelwerke und administrativen Verfahren" die im Abkommen vereinbarten Vorgaben einhalten. Im Zweifel würden sie dazu gezwungen: Bei etwaigen Verstößen gegen den Vertrag müsste sich der jeweilige Staat einem Streitschlichtungsverfahren unterwerfen, wonach das renitente Land mit Handelssanktionen belegt werden kann.

Dass das nicht übertrieben ist, zeigt ein Blick auf andere Handelsabkommen mit dem attraktiven Etikett "Freihandel": 2012 untersagte die WTO den USA eine Kennzeichnung für Konserven, die den Schutz von Delfinen garantiert oder die Herkunft von Fleischprodukten nachweist. Und die EU unterlag der WTO im Konflikt um genveränderte Lebensmittel. Und sie muss auf WTO-Beschluss zig Millionen Euro Strafe zahlen, weil sie Wachstumshormone für Schlachttiere verbietet.

Wenn das TTIP-Tafta-Projekt zustände käme, könnte jeder beliebige Investor, der in einem der beteiligten Länder engagiert ist, alle möglichen "nicht handelsbezogenen" Bestimmungen unter Beschuss nehmen - genau so, wie es in dem gescheiterten MAI-Abkommen von 1998 vorgesehen war.

Allein dies macht das TTIP-Projekt zu einer Bedrohung von völlig neuen Dimensionen. Und da jede nachträgliche Vertragsänderung der Zustimmung sämtlicher Signatarstaaten bedarf, wären die reaktionären Inhalte des Abkommens durch demokratische Kontrollmechanismen wie Wahlen, politische Kampagnen und öffentliche Protestaktionen nicht mehr angreifbar.

Politisch brisant ist auch die Rolle des Schiedsgerichts, das es einzelnen Konzern ermöglichen soll, einem Staat gewissermaßen auf Augenhöhe entgegenzutreten. Die dreiköpfigen Kammern wären unter Aufsicht der Weltbank und der UNO organisiert und könnten staatliche Entschädigungszahlungen anordnen, wenn sie befinden, dass die Politik oder bestimmte Maßnahmen einer Regierung die "erwarteten künftigen Profite" eines Unternehmens schmälern. Dieses Schlichtungsregime macht klar, dass die Rechte von Unternehmen höherwertig sein sollen als die Souveränität von Staaten. Es würde Unternehmen ermächtigen, die Regierungen der USA oder eines EU-Staats vor ein außergerichtliches Tribunal zu zerren. Und zwar mit dem schlichten Argument, dass die Gesundheits- oder Finanz- oder Umwelt- oder sonstige Politik dieser Regierung ihre Investorenrechte beeinträchtigt.

Dieses System einer extremen Begünstigung der Unternehmensinteressen, das im Fall des MAI-Abkommens noch gescheitert war, wurde seitdem bereits in mehreren "Freihandelsabkommen" der USA verankert. Dadurch flossen mehr als 400 Millionen Dollar an Steuergeldern an Unternehmen, die gegen Verbote giftiger Substanzen, Lizenzregeln, Gesetze über Wasserschutz oder Waldnutzung und andere "investitionsfeindliche" Regelungen geklagt hatten.(4) Vor diesen Tribunalen sind derzeit Klagen von Unternehmen mit einem Streitwert von 14 Milliarden Dollar anhängig, die sich etwa auf die Arzneimittelzulassung, auf die Haftung für Umweltschäden oder auf Klimaschutz- und Energiegesetze beziehen.

Das TTIP-Tafta-Projekt würde diesem Drohinstrument der Investoren gegenüber dem Staat eine ganz neue Reichweite verschaffen. Denn dann könnten Tausende von Unternehmen, die in den USA wie in der EU Geschäfte machen, alle möglichen staatlichen Gesetze zum Schutz der Gemeinschaftsinteressen aufs Korn nehmen. 3 300 EU-Unternehmen besitzen mehr als 24 000 Tochterunternehmen in den USA, von denen jedes sein Investoreninteresse gegenüber dem Staat einklagen könnte. Umgekehrt könnte auf die EU eine Welle von Investorklagen seitens der 50 800 Tochterfirmen zukommen, die 14 400 US-Unternehmen in den Ländern der Europäischen unterhalten. Insgesamt wären so 75 000 beidseitig registrierte Unternehmen in der Lage, ein politisches System zu untergraben, auf das sich die Bürger bislang verlassen haben.

Das System einer Streitschlichtung zwischen Investoren und Staat (Investor-state dispute settlement, ISDS) wurde angeblich im Hinblick auf Entwicklungsländer ohne verlässliches Justizsystem ersonnen. Das heißt, Investoren sollten im Fall einer Enteignung ihrer Fabriken, Bergwerke oder Plantagen gegenüber dem einheimischen Staat eine Entschädigung durchsetzen können. Nun sind die USA und die EU keineswegs unterentwickelte Regionen. Und sie verfügen über Justizsysteme, die zu den stabilsten der Welt gehören; auch von mangelndem Schutz des Eigentums kann keine Rede sein. Wenn das ISDS-Regime in einem Abkommen zwischen den USA und der EU auftaucht, ist dies ein klares Indiz dafür, dass es nicht um besseren Schutz der Investoren, sondern um die Macht der Unternehmen geht.

Investorenrecht vor nationalen Gesetzen

Die Schlichtungskammern, die sich mit ihren Entscheidungen über Regierungsmaßnahmen und staatliche Gesetze hinwegsetzen können, bestehen aus drei Juristen, die normalerweise für den privaten Sektor arbeiten.5 Viele von ihnen sind in ihrem normalen Berufsleben Anwälte von Unternehmen, die gegen Regierungen klagen. Der exklusive Klub der "Richter" solcher internationalen Schlichtungskammern wird von 15 Rechtsanwaltsbüros dominiert, die mit 55 Prozent aller bisherigen Investitionsklagen gegen Staaten befasst waren. Eine Berufungsmöglichkeit gegen ihre Entscheidungen gibt es nicht.

Die "Investorenrechte", die ausländische Unternehmen nach dem geplanten TTIP-Tafta-Vertrag gegen staatliche Maßnahmen einklagen können, sind vage und gleichzeitig sehr breit definiert. Die bisherigen Schlichtungskammern haben diese Rechte tendenziell weit großzügiger interpretiert, als sie einheimischen Firmen nach nationalem Recht zugestanden werden. Dabei haben sie etwa das Recht auf einen weit gefassten Vertrauensschutz postuliert, was letztlich bedeutet: Das staatliche Regelwerk darf nach getätigter Investition nicht mehr verändert werden.

Rechtlich abgesichert wurde auch der Anspruch auf Entschädigung für "indirekte Enteignung": Ein Staat muss demnach zahlen, wenn seine neuen Regelungen den Wert der Investition verringern - selbst dann, wenn diese gleichermaßen für in- und ausländische Firmen gelten. Diese Garantie würde sich auch auf Neuregelungen des Erwerbs von Land, Rohstoffvorkommen, Energiequellen, Fabriken und anderen Investitionsobjekten erstrecken.

Mittels solcher privilegierten Regelungen in den bisherigen Abkommen haben ausländische Investoren schon in den verschiedensten Fällen eine Entschädigung für ihre "indirekte Enteignung" gefordert: im Hinblick auf Gesundheits- und Sicherheitsstandards von Konsumgütern, Gesetze über Umweltschutz und Flächennutzung, Entscheidungen bei der Ausschreibung staatlicher Projekte, Klimaschutz- und energiepolitische Maßnahmen, Gesetze über Wasserschutz oder Einschränkungen des Rohstoffabbaus.

Einige Beispiele: Die Anhebung der ägyptischen Mindestlöhne und ein peruanisches Gesetz zur Kontrolle toxischer Emissionen werden derzeit von Unternehmen der USA wie der EU unter Berufung auf ihre Investorenprivilegien bekämpft.(6 )Andere Firmen klagten unter Berufung auf das Nafta-Abkommen gegen Garantiepreise für die Einspeisung erneuerbarer Energie und gegen ein Fracking-Moratorium. Der Tabakgigant Philip Morris hat ein Schiedsverfahren gegen progressive Antirauchergesetze in Uruguay und Australien angestrengt, nachdem er es nicht geschafft hatte, diese Gesetze vor einheimischen Gerichten zu kippen. Ebenso hat der US-Pharmakonzern Eli Lilly unter Hinweis auf den Nafta-Vertrag dagegen geklagt, dass Kanada die Lizensierung von Arzneimitteln nach eigenen Kriterien wahrnimmt (um möglichst allen Leuten erschwingliche Medikamente zugänglich zu machen). Und der schwedische Energiekonzern Vattenfall will von Deutschland wegen der einschränkenden Bestimmungen für Kohlekraftwerke und der schrittweisen Stilllegung von Atomkraftwerken eine Entschädigung in Milliardenhöhe eintreiben (siehe Artikel Seite 14).

Bei den von der Schiedskammer festgelegten Zahlungen an ausländische Konzerne kann es sich um enorme Summen handeln; in einem der jüngsten Fälle waren es mehr als 2 Milliarden Dollar.(7) Selbst wenn Regierungen gewinnen, müssen sie häufig die Verfahrenskosten tragen, die im Durchschnitt bei 8 Millionen Dollar liegen. Ohnehin werden sie oft allein schon durch eine Beschwerde seitens der Industrie verschreckt. Das zeigt etwa das Verhalten der kanadischen Regierung, die das Verbot eines toxischen Zusatzstoffs für Autobenzin zurückgenommen hat.

Monsanto wittert Morgenluft

Die Zahl der den Schiedsgerichten vorgelegten Fälle ist in den letzten Jahren rasant gestiegen; nach Unctad-Angaben liegt sie heute zehnmal höher als 2000. Und 2012 wurden mehr Klagen angestrengt als je zuvor. Infolgedessen ist ein ganz neue juristische Branche entstanden: Heute sind viele spezialisierte Anwaltsfirmen im Auftrag der Industrie damit beschäftigt, die öffentlichen Kassen mittels solcher Klagen zu plündern.

Diese Wirtschafts-Nato ist seit Langem das erklärte Ziel des Transatlantic Business Dialogue (TABC), der zweimal jährlich im Rahmen des Trans-Atlantic Council stattfindet. Gegründet wurde der TABC 1995 auf Initiative des US-Handelsministeriums und der EU-Kommission; an dem hochoffiziellen Dialog sind außerdem Spitzenunternehmer und Manager aus den USA und Europa beteiligt. Das Forum bietet also den Großkonzernen eine Basis für koordinierte Angriffe auf politische Projekte beiderseits des Atlantiks, die dem Schutz der Konsumenten, der Umwelt, des Weltklimas und anderer öffentlicher Interessen dienen. Sein erklärtes Interesse ist es, "handelspolitische Störfaktoren" (trade irritants) zu beseitigen, damit sie beiderseits des Atlantiks nach denselben Regeln operieren können - und möglichst frei von staatlicher Einmischung. Der euphemistische Schlüsselbegriff "regulatorische Konvergenz" verdeckt dabei das wichtigste Ziel: Man will die Regierungen im Namen der "Äquivalenz" und der "wechselseitigen Anerkennung" vergattern, auch solche Produkte und Dienstleistungen zuzulassen, die den jeweiligen einheimischen Standards nicht genügen.

Die dem öffentlichen Interesse verpflichteten Standards zu "deckeln", ist ein zweites Ziel des TTIP-Tafta-Projekts. Bei den Verhandlungen will man neue "transatlantische" Standards erarbeiten. So fordern die US-Handelskammer und BusinessEurope, zwei der weltweit größten Unternehmerverbände, die Repräsentanten der Großindustrie müssten gemeinsam mit den Regierungen ein neues Regelwerk für die zentralen Zukunftsentscheidungen entwickeln.

Die Unternehmerseite formuliert ihre Ziele bemerkenswert offen, zum Beispiel beim Streit über die Kennzeichnung "gentechnisch veränderter Organismen" (GMO). Während die Hälfte der US-Bundesstaaten derzeit über eine obligatorische Kennzeichnung genmanipulierter Produkte nachdenkt, die übrigens mehr als 80 Prozent der einheimischen Verbraucher befürworten, drängen die Gentechnik produzierenden und verarbeitenden Unternehmen darauf, die GMO-Kennzeichnung über die TTIP-Tafta-Vereinbarungen wieder abzuschaffen.

Am heftigsten beklagt sich der Verband der Biotechnik-Unternehmen (BIO), zu dem auch der Branchengigant Monsanto gehört, über "die signifikante und weiter wachsende Lücke" zwischen "der Freigabe neuer Biotechnologie-Produkte in den Vereinigten Staaten und der Zulassung dieser Produkte in der EU".(8) Monsanto und die anderen BIO-Unternehmen hoffen, diesen "Rückstau bei der Zulassung/Verwendung von genveränderten Produkten" im Rahmen einer Transatlantischen Freihandelszone auflösen zu können.(9)

Ein zweites wichtiges Thema ist die Nutzung beziehungsweise der Schutz privater Daten. Eine anonyme Koalition von Internet- und IT-Unternehmen, die sogenannte Digital Trade Coalition, wünscht, dass die EU-Datenschutzregeln nicht den Abfluss von persönlichen Daten in die USA behindern. Diese Lobby der Internetbranche erklärt, die aktuelle Einschätzung der EU, dass die USA keinen angemessenen Schutz der Privatsphäre gewährleisten würden, sei für sie "nicht einsichtig". Angesichts der immer neuen Enthüllungen über die massive Datenspionage ist eine solche Äußerung besonders aufschlussreich. Auch der mächtige U.S. Council for International Business (USCIB) mahnt an, das Tafta-Abkommen müsse Ausnahmeklauseln im Bereich Sicherheit und Privatsphäre sehr eng fassen, "damit diese nicht als verkappte Handelshindernisse benutzt werden können".(10) Dazu muss man wissen, dass dem USCIB Unternehmen wie Verizon angehören, die der NSA massenhaft personenbezogene Daten zugeliefert haben.

Ein drittes Angriffsziel ist die Lebensmittelsicherheit. Hier will die US-Fleischindustrie die Verhandlungen nutzen, um das EU-Verbot für mit Chlor und anderen Desinfektionsmitteln behandeltes Hähnchenfleisch zu kippen. Während die strengeren EU-Standards die Gefahr einer Kontaminierung der Produkte während des Schlacht- und Verarbeitungsprozesses reduzieren, begegnen die US-Regeln dem Kontaminierungsrisiko durch ein Desinfektionsbad, das Koli- und andere Bakterien auf den Hähnchenteilen abtöten soll. Also fordert der Mutterkonzern der Restaurantkette Kentucky Fried-Chicken, das Abkommen müsse die EU-Standards für Lebensmittelsicherheit so verändern, dass die Europäer ihre Chlorhähnchen kaufen können.

Noch ein Beispiel: Das amerikanische Fleischinstitut (AMI) empört sich, die Europäische Union bestehe auf ihrem "ungerechtfertigten" Verbot von Fleisch, das unter Einsatz von Wachstumshormonen erzeugt wurde. Diese Mittel, wie etwa Ractopamin, sind wegen der Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier in 160 Staaten - darunter allen EU-Ländern, aber auch Russland und China - verboten oder eingeschränkt. Auch der Verband der US-amerikanischen Schweinefleischproduzenten (NPPC) hat seine Wünsche: "Die US-Schweinefleischproduzenten werden ein Ergebnis nur akzeptieren, wenn es das EU-Verbot für den Einsatz von Ractopoamin im Produktionsprozess beseitigt."

Auf der anderen Seite des Atlantiks bekämpft BusinessEurope, der größte Unternehmensverband der EU, das US-Gesetz über die Modernisierung der Lebensmittelsicherheit als eines der "zentralen nicht handelsbezogenen Hindernisse für EU-Exporte in die USA". Dieses bahnbrechende Gesetz von 2011 ermächtigt die US-Kontrollbehörde, die Food and Drug Administration, kontaminierte Nahrungsmittel vom Markt zu nehmen. Dieses Recht wollen die europäischen Unternehmen offenbar mithilfe der TTIP-Tafta-Vereinbarung abschaffen.

Das vierte Ziel ist die Liquidierung der Klimapolitik. Airlines for America, der größte Verband der US-Flugbranche, publiziert eine Liste "unnötiger Vorschriften, die unsere Branche erheblich behindern"- und die man über die transatlantischen Verhandlungen abschaffen will. An der Spitze dieser Liste steht das wichtigste Instrument der Europäer in Sachen Klimawandel, das EU-Emissionshandelssystem. Mittels des Emissionshandels sollen Fluggesellschaften gezwungen werden, für die von ihnen verursachten CO(2)-Emissionen zu zahlen. Airlines for America sieht in diesem System ein "Fortschrittshindernis" und will erreichen, dass die Einbeziehung der Fluggesellschaften von Nicht-EU-Ländern in dieses System, die von der EU derzeit ausgesetzt ist, endgültig vom Tisch kommt.(11)

Fünftens geht es auch um die Rücknahme von Kontrollen und einschränkenden Regeln für den Finanzsektor. Selbst angesichts der globalen Finanzmarktkrise haben sich die Delegationen der USA und der EU auf einen Rahmen für das Kapitel Finanzdienstleistungen geeinigt, der nach wie vor auf Liberalisierung und Deregulierung setzt. Das ausgehandelte Konzept würde nicht nur das Verbot von riskanten Finanzprodukten und -dienstleistungen ausschließen. Es würde sogar die Möglichkeit schaffen, einschränkende Gesetze einzelner Staaten anzufechten, die bestimmte riskante Produkte und Leistungen der Finanzinstitute oder windige rechtliche Konstruktionen untersagen.

Freiheit für Chlorhähnchen und Hormonschweine

Diese Rahmenvereinbarungen würden viele Rezepte ausschließen, mit denen die Politik die Probleme im Finanzsektor in den Griff bekommen könnte. Zu diesen Rezepten gehören Kontrollen und Beschränkungen für Institute, die als "too big to fail" gelten - also als zu groß, um pleitegehen zu können; oder die Konstruktion einer risikomindernden Firewall innerhalb der Großbanken, die das Privatkundengeschäft vor den Risiken des Investmentbanking abschotten soll; oder obligatorische Clearingstellen für den Derivatehandel. Die Vereinbarungen würden also darauf hinauslaufen, dass bestimmte Arten von gesetzlichen Regelungen absolut verboten sind; das heißt, die beteiligten Staaten dürften dann solche Regelungen weder neu einführen noch beibehalten.

Was hinter diesen Plänen steckt, erhellt eine Stellungnahme des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). Darin heißt es, bestimmte regulatorische Vorschläge der US-Finanzaufsichtsbehörde hätten in der EU bei offiziellen wie bei privaten Institutionen schwerwiegende Bedenken ausgelöst. Deshalb fordert der Bankenverband in Bezug auf die laufende US-Finanzmarktreform deren Abstimmung mit den Reformen in der EU und weiteren wichtigen Ländern sowie eine größtmögliche Anerkennung der Heimatlandregeln für die am US-Markt tätigen deutschen und europäischen Banken.(12)

Bestimmenden Einfluss im BdB hat die Deutsche Bank, die während der Krise von der US-Notenbank 8 Milliarden Dollar kassiert hat.(13) Der deutsche Finanzriese wendet sich vor allem gegen das Herzstück der im Juli 2012 verabschiedeten US-Finanzmarktreform. Besonders stark kritisiert wird dabei die sogenannte Volcker Rule. Sie beinhaltet gewisse Restriktionen für hochriskante Finanzprodukte, die nach Meinung des BdB eine zu schwere Bürde für in den USA operierende ausländische Banken darstellen.

Das European Services Forum, an dem die Deutsche Bank ebenfalls beteiligt ist, bezeichnet sich selbst als "die Stimme der europäischen Dienstleistungswirtschaft in internationalen Handelsgesprächen". Diese Stimme erhebt die Forderung, die Tafta solle verhindern, dass die US-Regulierungsinstanzen eine in den USA aktive ausländische Bank als too big to fail einstufen und damit strengeren Anforderungen unterwerfen als denen in ihrem eigenen Land. Die Begründung: Es gehe nicht an, dass ein global operierendes Unternehmen nach ausländischem Recht als "systemisch wichtige Finanzinstitution" (Sifi) definiert wird, während es nach einheimischem Recht nicht als solche gilt.

Ein Gegenstück zu dieser Agenda der Europäer ist die Opposition der USA gegen die Finanztransaktionssteuer, die in Europa als Instrument gegen die Spekulation ins Auge gefasst wird. Dabei wollen die US-amerikanischen Finanzinstitutionen über die TTIP-Tafta-Verhandlungen ein Verbot von gesetzlichen Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs erreichen. Inzwischen hat allerdings auch schon der IWF die EU aufgefordert, die Finanztransaktionssteuer so nicht einzuführen. Käme in Europa nur eine abgewandelte, mildere Form dieser Steuer, würde das Thema für die US-Unterhändler wahrscheinlich an Bedeutung verlieren.(14)

Der Dienstleistungssektor umfasst jedoch keineswegs nur die Finanzdienstleister. Unter dem betreffenden Kapitel der transatlantischen Verhandlungen geht es auch um ärztliche Leistungen oder Bildungsangebote bis hin zur Energieversorgung. Dabei besteht das Ziel der Unternehmerseite darin, die regulativen Absichten der Regierungen durch möglichst grob formulierte "Parameter" zurückzustutzen. Die würden sich sowohl auf grenzüberschreitende Dienstleistungen beziehen als auch auf die Behandlung ausländischer Dienstleister, die auf dem Gebiet des betreffenden Staats operieren. Und zwar mit dem Ziel, jeden innenpolitischen Spielraum für die "Regulierung" von Bereichen wie Transportwesen, Gesundheit, Energie- und Wasserversorgung bis hin zu den regionalen oder lokalen Flächennutzungs- und Raumplanungsgesetzen abzuschaffen.

Ein Abkommen, aber kein Aufschwung

In diesen Verhandlungen würde es sogar um die Immigrations- und Visabestimmungen für Personen gehen, die eine Dienstleistung anbieten wollen. Wie immer man zum Grenzregime und zur Immigrationspolitik bestimmter Länder steht: Es ist offensichtlich eine sehr schlechte Idee, die betreffenden Regeln hinter den verschlossenen Türen im Rahmen von Verhandlungen über Handelsabkommen festzulegen. Zumal wenn das Resultat nur noch verändert werden kann, falls alle beteiligten Parteien zustimmen.

Aber warum wird diese Agenda gerade jetzt vorangetrieben? In Washington hört man dazu die Theorie, die europäischen Politiker seien verzweifelt darauf aus, irgendetwas vorzuweisen, was sie als Impulse für das Wirtschaftswachstum ausgeben können. Deshalb demonstrierten sie jetzt eine neue Flexibilität und seien bereit, für dieses Ziel alle wichtigen Instrumente zum Schutz der öffentlichen Interessen aus der Hand zu geben.

Das gängige Argument für Freihandelsabkommen lautet, dass diese die Zollschranken absenken, was wiederum den Handel belebt, so dass alle Leute billigere Importwaren kaufen können. Dieser Vorteil sei größer als der Nachteil für die Leute, die ihren Job verlieren. Allerdings liegen die Zolltarife zwischen den USA und der EU nach Auskunft des Handelsministeriums in Washington "bereits ziemlich niedrig"(.15) Die Politiker beider Seiten, die das Tafta-Projekt betreiben, räumen auch ohne weiteres ein, dass es nicht in erster Linie um Zollsenkungen geht, sondern vielmehr um "die Beseitigung, Reduzierung oder Verhinderung unnötiger, nicht tarifärer Handelshemmnisse"(16) - womit alle Handelsbeschränkungen gemeint sind, die es über Zölle hinaus noch geben mag. Sprich, es geht um beziehungsweise gegen gesetzliche Auflagen für Finanzgeschäfte, gegen Klimaschutzmaßnahmen, gegen Standards der Lebensmittel- und Produktsicherheit.

Das erklärt auch, warum Studien über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Zollsenkungen die Erfolge als eher dürftig einschätzen. Eine Studie des Tafta-freundlichen European Centre for International Political Economy kommt zu dem Befund, dass das BIP der USA wie der EU - selbst unter extrem blauäugigen Annahmen - allenfalls um ein paar Promille wachsen würde, und das ab 2029.(17)

Den meisten bisherigen Prognosen liegt die Annahme zugrunde, dass Zollsenkungen stets eine starke Wirtschaftsdynamik auslösen - was empirisch längst widerlegt ist. Verzichtet man auf diese dubiose Annahme, dann - räumen die Autoren der Studie ein- schrumpft der potenzielle BIP-Zuwachs auf statistisch irrelevante 0,06 Prozent.

Diverse andere Studien, mit denen Politiker und Unternehmensverbände hausieren gehen, beschränken sich deshalb auf das zentrale Ziel des transatlantischen Projekts: die Beseitigung der nicht tarifären Handelshemmnisse, wie sie das Zurückstutzen aller möglichen Gesetze und Regelungen zum Schutz des öffentlichen Interesses euphemistisch nennen. Diese Studien basieren samt und sonders auf dem unbewiesenen Mantra, dass die Abschaffung sozialstaatlicher Errungenschaften irgendwie ökonomischen Nutzen für alle bringe. Doch selbst mit derart schrägen Kalkulationen für das Tafta-Projekt kommen sie nur auf eine sehr dürftige ökonomische Bilanz. Wobei sie noch die quantifizierbaren Kosten unterschlagen, die für die Konsumenten wie für die Volkswirtschaft insgesamt anfallen, wenn alle Errungenschaften im öffentlichen Interesse, vom Gesundheitswesen über den Umweltschutz bis zum Sozialstaat im weitesten Sinne, wieder rückgängig gemacht werden.

Aber die gute Nachricht kommt zum Schluss: Alle bisherigen Versuche, internationale Handelsabkommen als trojanisches Pferd zum Abbau des Sozialstaats und die Rückkehr zu einem neoliberalen Nachtwächterstaat zu benutzen, sind jämmerlich gescheitert. Das wird auch dieses Mal so kommen, wenn die Bürger, die Medien und auch einige Politiker endlich aufwachen und die klammheimlichen Versuche, die Demokratie zu untergraben, zum Scheitern bringen.

Fußnoten: 
(1) Die Regierungskreise, die darüber Bescheid wissen, sind Befürworter dieser Art Freihandelspolitik. Viele waren schon an den Nafta-Verhandlungen zwischen den USA, Kanada und Mexiko beteiligt. 
(2) Die Äußerung bezog sich auf die TPP-Verhandlungen; siehe Reuters, 13. Mai 2012. 
(3) Siehe "Huffington Post, 19. Juni 2013. 
(4) Eine Liste dieser Fälle in: "Public Citizen, August 2013: www.citizen.org
(5) Andrew Martin, "Treaty Disputes Roiled by Bias Charges", Bloomberg, 10. Juli 2013. 
(6) Siehe "Public Citizen, 28. November 2012. 
(7) Betroffen war in dem Fall Ecuador. Siehe Agence France-Presse, 13. Oktober 2012. 
(8) Stellungnahme der BIO vom Mai 2013. 
(9) ec.europa.cu
(10) Auf seiner Website führt das USCIB das Motto: "The Power to Shape Policy" und rühmt sich eines "einzigartigen globalen Netzwerks", das ihm helfe, "die Vision in die Realität umzusetzen". 
(11) Die Erhebung der Abgabe für Flüge von ausländischen Gesellschaften von und in die EU wurde von Klimaschutzkommissarin Connie Hedegaard bis zur Konferenz der internationalen Luftverkehrsgesellschaft ICAO ausgesetzt, die in diesem Monat stattfindet. 
(12) bankenverband.de/themen/fachinformationen/internationales/us-finanzmarktregulierung. Siehe auch die (US-amerikanische) Stellungnahme:www.federalreserve.gov/SECRS/2013/April/20130426/R-1438/R-1438_042613_111091_571489724316_1.pdf
(13) Siehe Ulrich Schäfer, "Herrhausens Erbe", "Süddeutsche Zeitung, 30. Oktober 2013. 
(14) Schon 2010 wurde in einem Memorandum der EU-Kommission davor gewarnt, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit Verpflichtungen im Rahmen der WTO kollidieren könnte. 
(15) Mitteilung an John Boehner, Fraktionschef der Republikaner im Repräsentantenhaus, 20. März 2013: ec.europa.eu
(16) "Final Report, High level working group on jobs and growth", 11. Februar 2013: ec.europa.eu
(17) "Tafta's Trade Benefit", "Public Citizen, 11. Juli 2013. 
Aus dem Englischen von Niels Kadritzke 
Lori Wallach leitet die weltweit größte Verbraucherschutzorganisation Public Citizen's Global Trade Watch in Washington, D.C.: www.citizen.org.

Le Monde diplomatique Nr. 10255 vom 8.11.2013, 866 Zeilen, Lori Wallach

aus dem Französischen , Le Monde 

http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=9825

In der Folge werden konkrete Beispiele skizziert, wie Global Player  diese Gesetze anwenden. Gleichzeitig missachten sie nationale Gesetze und so hat Texako beispielsweise  ein Urteil durch ein New Yorker Gericht kassieren lassen, dass  Strafzahlungen in Millionenhöhe wegen der gigantischen Verschmutzung des Amazonas vorgesehen hatte. 

Vattenfall gegen die Bundesrepublik Deutschland

In dem Verfahren ICSID-Case ARB/12/12 geht es für die Bundesrepublik Deutschland um Milliarden: Der Energiekonzern Vattenfall verklagt den deutschen Staat auf Schadensersatz in Höhe von mehr als vier Milliarden Euro. Dieses Geld, behauptet  der Energie-Oligoplist Vattenfall, habe man wegen der deutschen Energiewende verloren; der Konzern musste nach der Atomkatastrophe in Fukushima seine beiden AKW Brunsbüttel und Krümmel abschalten, berichtet die ZEIT.

Vattenfall beruft sich auf die internationale Energiecharta, einen völkerrechtlichen Vertrag, der unter anderem die Investitionen im Energiesektor regelt. Deutschland hat diesen Vertrag im Jahr 1994 unterzeichnet – und verpflichtet sich darin, ausländische Investoren für gewisse Gewinnausfälle zu entschädigen. Genau darauf pocht der Energiekonzern jetzt. Dazu führt bürgerliche Politik, die sich in den Dienst des Kapitalismus stellt.  

Ob Vattenfall mit seiner Klage durchkommt, wird sich in der Zukunft entscheiden. Sowohl der Konzern als auch die Bundesregierung blocken jede Nachfrage ab – selbst von Bundestagsabgeordneten, wie ein Beispiel aus dem März 2012 zeigt. Damals, kurz bevor Vattenfall die Klage einreichte, stellte der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert eine Anfrage zum drohenden Verfahren an die Regierung. Eine befriedigende Antwort blieb die damals zuständige Staatssekretärin allerdings schuldig, sie verwies schlicht auf die Geheimhaltungspflicht: Die Schiedsverfahren des ICSID seien vertraulich. 

Es ist nicht das erste Mal, dass Vattenfall den deutschen Staat und seine Steuerzahler verklagt. In Hamburg betreibt das Unternehmen das Kohlekraftwerk Moorburg. Noch während des Baus allerdings verschärfte die Stadt die Umweltbestimmungen für das Kraftwerk, um das Wasser in der Elbe sauber zu halten. Im Jahre 2009 klagte Vattenfall vor dem ICSID dagegen. Durch die neuen Auflagen werfe das Kraftwerk weniger Profite machen, die Investition habe dadurch an Rentabilität verloren. Die geforderte Entschädigung damals: 1,4 Milliarden Euro.

Und der Energiekonzern hatte Erfolg. Vor Gericht einigte man sich auf einen Vergleich: Vattenfall verzichtete auf seine finanziellen Forderungen, im Gegenzug weichte die Stadt Hamburg die Umweltbestimmungen wieder auf.

Im aktuellen Fall um die Atommeiler jedoch wird das Verfahren wohl mit einem Urteil enden: Laut Bundeswirtschaftsministerium geht es Vattenfall vor allem um das Geld – nicht darum, die Energiewende zu kippen.

Chevron/Texako gegen Ecuador - New Yorker Gerichjt kassiert Urteil eines ecuadorianischen gerichtes gegen den US-Global Player

 
Es ist vielleicht die aufsehenerregendste Klage der internationalen Investoren-Gerichtsbarkeit. Der Ölmulti verklagt jetzt aus Rache gegen ein nationales Gerichtsurteil gegn den Konzern  Ecuador auf Grundlage eines bilateralen Investitionsabkommens, weil Chevron zuvor von ecuadorianischen Gerichten wegen massiver Umweltverschmutzung zu 9,5 Mrd. Dollar Schadensersatz wegen massiver Umweltverschmutzung im Amazonas-Gebiet verurteilt worden war – angeblich zu Unrecht, erklärt der US-Welt-Konzern. 

Die Ursprünge des Falls liegen Jahrzehnte zurück, in Zeiten, zu denen Chevron noch gar nicht in Ecuador aktiv war. Dafür aber Texaco, ein anderer US-Ölkonzern, der im Jahr 2001 von Chevron gekauft wurde. Von den sechziger Jahren an bis 1992 hatte Texaco in der Region Lago Agrio im ecuadorianischen Amazonasdschungel Öl gefördert.

Niemand bestreitet, dass damals schwere Umweltschäden entstanden. Die Gegner von Chevron argumentieren, Texaco habe mehr als 70 Milliarden Liter giftiger Flüssigkeiten in die Natur geleitet und mehr als 900 Müllhalden voller toxischer Stoffe hinterlassen. Dadurch sei die Umwelt in einer der artenreichsten Regionen Südamerikas verseucht worden, mit beträchtlichen Folgen auch für die Gesundheit ihrer Bewohner. Auch die Krebsrate in der Region sei gestiegen.  

Die entscheidende Frage ist: Wer ist dafür verantwortlich? Texaco, sein Rechtsnachfolger Chevron, oder Petroecuador, also der ecuadorianische Staat selbst? Chevron argumentiert, Texaco habe seine Verpflichtungen durch die Zahlung von 40 Millionen Dollar im Jahr 1995 erfüllt, in Absprache mit der damaligen Regierung – drei Jahre, nachdem Texaco das Land verlassen hatte und lange Zeit, bevor Chevron den Konkurrenten kaufte. Das Geld sollte dazu dienen, einen großen Teil der Umweltschäden  zu beseitigen. Der Rest, erklärt Chevron, liege in der Verantwortung von Petroecuador.  

Das sei nicht richtig, halten die Kläger dagegen. Schließlich habe Chevron mit dem Kauf von Texaco auch die Verantwortung für etwaige vergangene Umweltsünden übernommen. Zudem decke das Abkommen von 1995 nicht alle Schäden ab. Die Folgen für die Gesundheit der Anwohner beispielsweise kämen darin gar nicht zur Sprache.

Unabhängig vom tatsächlichen Sachverhalt hat Chevron vor Kurzem einen juristischen Erfolg in den USA  errungen. Denn das Schadensersatzverfahren in Ecuador lief angeblich nicht korrekt ab.

Ein Gericht in New York urteilte im März, dass die Anwälte der Kläger die Verhandlungen in Ecuador durch Bestechung und gefälschte Beweise beeinflusst hätten. Deshalb dürften sie zumindest in den USA keine Schadenersatzforderungen gegen Chevron durchsetzen. Ob das Urteil Bestand hat, ist allerdings noch nicht klar. Die gegnerischen Anwälte, die die Leute von Lago Agrio vertreten, wollen Berufung einlegen.

Philip Morris vs. Uruguay

Uruguay ist ein Paradies für Nichtraucher: Die dortigen Rauchergesetze sind unter den härtesten der Welt, das Qualmen in Restaurants und geschlossenen Räumen ist genauso verboten wie das Bewerben von Zigaretten mit den Attributen "mild" oder "light"; stattdessen prangen Warnhinweise auf den Kippenschachteln. Ein solches Land ist kein guter Ort für die Tabakkonzerne. Deshalb beschloss der Marlboro-Hersteller Philip Morris, das Land wegen seiner rigiden Gesetze zu verklagen. Das entsprechende ICSID-Verfahren läuft derzeit, eine Entscheidung wird 2015 erwartet. Die Schadensersatzforderung summiert sich auf zwei Milliarden Dollar.

Für Philip Morris ist das keine große Summe – der Jahresumsatz des Unternehmens ist rund vierzig mal so hoch. Doch für das südamerikanische Land wäre eine Verurteilung eine finanzielle Katastrophe: Zwei Milliarden Dollar entsprechen vier Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung oder rund einem Sechstel des Staatshaushaltes. Angesichts dieser Verhältnisse titelten auch die uruguayischen Zeitungen wenig optimistisch, es stehe ein Prozess David gegen Goliath bevor. 

Philip Morris will ein Exempel statuieren?

Für den ehemaligen Präsidenten Uruguays, Tabaré Vázquez, geht es bei dem Verfahren nur vordergründig um Investitionsschutz. In Wahrheit, so Vázquez, wolle Philip Morris ein Exempel statuieren – um andere Länder von ähnlich strengen Anti-Raucher-Gesetzen abzuhalten. Das Urteil könnte aber auch dazu benutzt werden, restriktive Raucherschutz-Gesetze in andern Ländern zu kippen udn si einen Präzedenzfall zu schaffen.  Unter Vázquez’ Präsidentschaft hatte Uruguay die entsprechenden Regelungen 2005 wie vielerorts in der ganzen  Welt weiter etrem verschärft.

Der Druck des  Oligopolisten-Tabakweltkonzerns zeigte auch bereits erste Wirkung. Bei den Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln ruderte die uruguayische Regierung etwas zurück: Statt wie früher 80 Prozent müssen nur noch 65 Prozent der Fläche mit abschreckenden Texten und Bildern bedeckt sein.

Da Philip Morris seinen internationalen Geschäftssitz in Lausanne hat, bezieht sich der Global Player  bei seiner Klage auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen Uruguay  und der Schweiz aus dem Jahre 1991.

Dort ist unter anderem festgehalten, dass eine "indirekte Enteignung" von Investoren nur dann zulässig ist, wenn sie im öffentlichen Interesse erfolgt und eine Entschädigung fällig wird. Weil der Konzern diese Voraussetzungen für nicht erfüllt hält, zerrt er den uruguayischen Staat nun vor Gericht.

Das Schweizer Abkommen  gibt in extremer Weise  "den Investoren Rechte und den Gastländern Pflichten", sagt etwa Peter Niggli, Geschäftsleiter bei Alliance Sud, einer Arbeitsgemeinschaft von Schweizer Hilfswerken.

Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO positioniert sich auf der Seite Uruguays, genauso wie große Teile der internationalen Öffentlichkeit: In der Staatskasse von Uruguay gehen regelmäßig Spenden ein, die helfen sollen, die Verfahrenskosten vor dem ICSID zu decken.

http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-03/investitionsschutz-klauseln-beispiele

 
 
 

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