Offener Brief vom Linken-MdB Movassat an KiK wegen des Fabrikbrandes in Pakistan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 11. September jährt sich zum zweiten Mal der tragische Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karatschi mit 254 Todesopfern und vielen Schwerverletzten. KIK war der wichtigste Vertragspartner und bezog bis zu 70 Prozent der Produktion. Für mich steht außer Frage, dass deutsche Unternehmen bei ihren Geschäftstätigkeiten im Ausland mitverantwortlich sind für die Produktionsumstände vor Ort. Die Debatte um Unternehmensverantwortung läuft bereits seit vielen Jahren und keine große Firma der Textilbranche kann behaupten, nicht mit der Problematik konfrontiert worden zu sein. Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften und viele politische Parteien kritisieren seit Jahren unter anderem die tödliche Gefahr, die durch mangelnde Fluchtwege und vergitterte Fenster für die ArbeiterInnen bestehen. Im Falle Ali Enterprises führten genau diese Umstände in die Katastrophe. Auch hatten die arbeitenden Menschen keine Arbeitsverträge, keine Sozial- und Krankenversicherung.

Meines Erachtens trägt KIK deshalb eine beachtliche Mitschuld an der Tragödie, die den schwersten Industrieunfall der pakistanischen Geschichte darstellt und viele Hunderte Schicksale ganzer Familien zerstört hat.

 

Der Rechtsanwalt der Hinterbliebenen, Faisal Siddiqi, und das Pakistan Institute of Labour Education & Research (PILER) haben in der Vergangenheit die  Entschädigungszahlungen für die Hinterbliebenen mit KIK verhandelt. KIK-Geschäftsführer Michael Arretz hatte im Dezember 2012 eine vertragliche Vereinbarung  unterzeichnet, die neben der Zahlung einer Soforthilfe in Höhe von einer Million US-Dollar auch eine langfristige finanzielle Widergutmachung vorsieht. Verabredet und unterzeichnet wurde auch eine Finanzierung von Maßnahmen zur Stärkung von Arbeitsrechten, für die der Betrag von 250.000$ an PILER zu zahlen gewesen wäre. 

Viele der Hinterbliebenen, die ihr Leben lang an den Folgen der Verletzungen leidenden Überlebenden und ihre Familien sind ohne solche Leistungen schutzlos Elend und Armut ausgesetzt.

 Doch die Verhandlungen mit Ihrem Unternehmen waren nicht leicht: Anschreiben von PILER blieben unbeantwortet oder wurden erst lange nach Eingang beantwortet, Karatschi als Ort von Beratung unter Verweis auf die Sicherheitslage abgelehnt. Schließlich wurde ein Treffen in Amsterdam verabredet, am Sitz der Clean Clothes Campaign. Unmittelbar vor dem Treffen bestand KIK jedoch plötzlich darauf, dass die Clean Clothes Campaign, die die Opferseite von Beginn der Verhandlungen an beraten hatte, an den Gesprächen nicht mehr teilnehmen dürfte.

 In Ihrer Stellungnahme vom 18.07.2014 war nun nachzulesen, dass KIK der Meinung ist „sowohl zur kurzfristigen und langfristigen Unterstützung der Betroffenen [Sie] bereits einen anteiligen Beitrag geleistet haben.“ Sie sind also der Meinung, bereits genug bezahlt zu haben: Eine Millionen Dollar, das macht pro getöteten und schwerverletzten Menschen etwas mehr als 3000 US-Dollar. KIK macht einen Jahresumsatz von 1,63 Milliarden €- mit Waren, die zum großen Teil in Pakistan gefertigt werden.

 Ich finde es angesichts dieser Fakten beschämend, dass Sie sich nun vor ihrer Verantwortung drücken wollen.

 Die Opferentschädigung sollte nicht nur Ihre vertragliche, sondern vielmehr Ihre moralische Pflicht sein. Das Verhalten von KIK sowohl in der Verhandlungsführung als auch in der Frage einer langfristigen Wiedergutmachung, der Sie bereits vertraglich zugestimmt hatten, lässt leider nicht erkennen, dass ihr Unternehmensmanagement auch nur das geringste Schuldbewusstsein entwickelt hat. Auch ihre bisherigen Bemühungen erscheinen so in schlechtem Licht: Sie reagieren nur auf die Gefahr eines Imageschadens, aber sobald etwas Zeit vergangen ist, interessieren Sie die menschlichen Schicksale hinter den ArbeiterInnen, durch deren Arbeitskraft Sie reich geworden sind, nicht das Geringste.

 Ich bitte sie dringlich, die OpfervertreterInnen und die von Ihnen gewählten Beraterorganisationen der Zivilgesellschaft während der zukünftigen Verhandlungen mit dem gebotenen Respekt zu behandeln und den Betroffenen der Ali Enterprise Katastrophe eine den wirtschaftlichen Möglichkeiten und der Verantwortung ihres Unternehmens angemessene langfristige und großzügige Unterstützung zukommen zu lassen.

Für die Übermittlung ihrer rechtlichen Einschätzung der getroffenen vertraglichen Einigung wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Mit freundlichen Grüßen

Niema Movassat, MdB

 

Anhang Größe
14_08_06_offener_brief_kik.pdf 119.74 KB