23.07.2014 / Schwerpunkt / Seite 3 Inhalt

Politischer Sprengstoff

Rußland präsentiert Fakten zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine und deckt zahlreiche Lügen Kiews und der westlichen Propaganda auf

Von Rainer Rupp
Szene aus einem »Beweisvideo« Kiews: Die im Bild zu
Szene aus einem »Beweisvideo« Kiews: Die im Bild zu sehende »Buk«-Raketenbatterie soll im Besitz der Aufständischen in der Ostukraine gewesen sein – tatsächlich sind die Aufnahmen im von Regierungstruppen kontrollie

kurzlink.de/Video-BUK)



Am Montag nachmittag unterbrach der englischsprachige Kanal des Nachrichtensenders Russia Today (RT) sein Programm. Er übertrug eine Präsentation des russischen Verteidigungsministeriums, in der vor allem über die Ergebnisse der Luftüberwachung jenes Gebiets in der Ostukraine informiert wurde, in dem die malaysische Passagiermaschine am 17. Juli abstürzte. Außerdem wurden Daten der elektronischen Aufklärung ukrainischer Radaraktivitäten an diesem Tag vorgestellt sowie Resultate der Satellitenüberwachung, die die Bewegung ukrainischer Buk-Luftabwehrraketensysteme im Donbass verfolgten. Obwohl die visuellen Hilfsmittel im Vergleich zu westlichen schlecht konzipiert waren und die Übersetzung ins Englische schrecklich ausfiel, enthielt die Lageeinweisung von Generalleutnant Andrei Kartapolow weltpolitischen Sprengstoff. Für Laien war das wahrscheinlich nicht sofort zu erkennen. Das könnte erklären, daß die stets der Wahrheit verpflichteten westlichen Medien die russische Initiative entweder weitgehend ignorierten oder als hilflosen »Versuch« belächelten, sich reinzuwaschen.

Aber man mußte kein Experte sein, um zu erkennen, daß die Russen harte und jederzeit überprüfbare Fakten auf den Tisch legten. Das hat der Westen zur Untermauerung seiner wilden Beschuldigungen gegenüber Rußland und den sogenannten Prorussen nicht getan, obwohl zumindest die USA dazu in der Lage wären. So wiesen die russischen Militärs z.B. darauf hin, daß sich ein neuer US-Spionagesatellit ausgerechnet zum Zeitpunkt des Absturzes über diesem Gebiet befunden hatte. Sie forderten Washington auf, die dabei gemachten Bilder der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.

Im einzelnen konnten die Russen die Machthaber in Kiew mehrfach der Lüge überführen. Diese hatten behauptet, keines ihrer Kampfflugzeug habe sich in der Nähe der Absturzstelle befunden. Hier nun wurde nachgewiesen, daß ein üblicherweise mit R-60-Luft-Luft-Raketen bewaffneter Jäger vom Typ SU-25 auf die Flughöhe der Boeing 777 geklettert war, um sich ihr kurz vor ihrem Absturz auf 3500 Meter zu nähern und in diesem Abstand bis zum Absturz verblieb. Unerklärt bleibt vorläufig auch die Tatsache, daß die ukrainischen Buk-Radarstationen ausgerechnet an diesem Tag auf Hochtouren liefen, während sie davor und danach mit ein viertel Last oder nur halber arbeiteten.

Moskau konnte mit Hilfe von detaillierten Satellitenaufnahmen den Kiewern eine weitere faustdicke Lüge nachweisen: Am Tag des Absturzes war ein Buk-Luftabwehrsystem direkt an der Front, etwa 50 Kilometer südlich der Hauptstadt des Gebietes, Donezk, im freien Feld, d.h. offensichtlich in Kampfstellung, eingesetzt. Es befand sich in Reichweite zu Flug MH 17 und zur Absturzstelle. Die Moskauer Militärs fragen: Warum gab es diese Buk-Vorwärtsverlegung, obwohl die Volksmiliz nicht über eigene Flugzeuge verfügt? Warum wurde die malaysische Maschine von der ukrainischen Luftverkehrskontrolle in Kiew ausgerechnet am Tag des Absturzes von ihrer normalen Route 40 Kilometer weiter nördlich auf die todbringende Bahn gelenkt? Warum beschlagnahmten Sturmtruppen des Kiewer »Sicherheitsministeriums« die Tonbänder mit den Gesprächsprotokollen zwischen MH 17 und der Luftverkehrskontrolle in Kiew ohne Angabe von Gründen noch am 17. Juli?

Trotz der Entlarvung der Faschisten im »Sicherheitsministerium« und ihrer westlichen Adepten bleiben viele Fragen. Denn bei der Übertragung auf RT wurde auch deutlich: Die russischen Militärs legten in der Hauptsache die Ergebnisse der zivilen Luftüberwachung vor, um dem Westen keinen Einblick in die Fähigkeiten ihrer militärischen Systeme zu gewähren. Aber sie haben mit ihrer Präsentation deutliche Signale gesetzt. Von Experten war zu erfahren, daß Moskau dank der militärischen Aufklärung noch über weitaus genauere Informationen verfügt. Die könnte es bei Bedarf in vertraulichen bilateralen Treffen, z.B. mit Malaysia, auf den Tisch legen. Das ist offensichtlich mit China bereits geschehen, und die chinesischen Fachleute sollen dem Vernehmen nach von dem Vorgelegten überzeugt worden sein. Das würde erklären, warum sich das in solchen Fällen stets sehr vorsichtige und zurückhaltende offizielle Peking am Montag hinter Moskau stellte und gegen die US-Anschuldigungen verteidigte.

 

Quelle: http://www.jungewelt.de/2014/07-23/052.php