CDU-SPD-Groko unterstützt weiter Rechtspopulisten und Nazis in der Ukraine 

Die Saat geht auf

 
KIEW/BERLIN
 
(Eigener Bericht von Foreign Policy ) - Die vom Westen protegierte Regierung der Ukraine verschärft ihre Kriegführung im Osten des Landes. Angriffe auf Wohngebiete dauern an; zunehmende Attacken auf die wirtschaftliche Infrastruktur lassen befürchten, dass auch die Großstädte Donezk und Luhansk wie zuvor Slowjansk gleichsam ausgetrocknet werden sollen: In Slawjansk war es nach der Zerstörung der Wasser- und Stromversorgung sogar in Krankenhäusern zu Totalausfällen gekommen, Beobachter sprachen von einer humanitären Katastrophe. In Streitkräften und irregulären Milizen etablieren sich faschistische Kräfte, die Berlin hoffähig gemacht hat - im Falle der Partei Swoboda durch Kooperation und gemeinsames Auftreten des Parteichefs mit dem deutschen Außenminister, im Falle des berüchtigten Prawy Sektor ("Rechter Sektor") durch die billigende Inkaufnahme von dessen Erstarken auf dem Maidan. Zu den Ergebnissen der von Berlin unterstützten Entwicklung gehört, dass kürzlich die zentrale Kiewer Demonstration für die Rechte von Homosexuellen verboten worden ist - von einem Zögling der Berliner Außenpolitik, dem in Deutschland hochpopulären Kiewer Oberbürgermeister Witali Klitschko.
Eine humanitäre Katastrophe
Die vom Westen protegierte Regierung der Ukraine verschärft ihre Kriegführung im Osten des Landes. Nach der Preisgabe der Städte Slowjansk und Kramatorsk durch die Aufständischen sind die Regierungstruppen nun bestrebt, Donezk und Luhansk einzukreisen; dabei kommt es weiterhin zu Angriffen auf Wohngebiete und zu zahlreichen Todesopfern unter Zivilisten. Bereits vor Wochen hat Sergij Taruta, der von Kiew installierte Gouverneur von Donezk, den Beschuss von Wohngebieten scharf kritisiert und darauf hingewiesen, dies treibe den Aufständischen neue Kräfte zu.[1] Dessen ungeachtet attackieren die Regierungstruppen fortgesetzt nicht nur Zivilisten, sondern zunehmend auch die wirtschaftliche Infrastruktur - mit fatalen Folgen. So wird der Direktor eines Grubenunternehmens in Donezk mit der Aussage zitiert, die Truppen hätten offenkundig gezielt die Kohleversorgung für das größte Kraftwerk der Region unterbrochen: "Die Vorräte reichten noch für 20 Tage, danach könne es zu Stromknappheit kommen".[2] In Slowjansk hatte der Totalzusammenbruch der Infrastruktur eine humanitäre Katastrophe ausgelöst; so hatten Krankenhäuser zuletzt Elektrizität nur noch unmittelbar für Operationen zur Verfügung - selbst die Blutreserven drohten wegen mangelnder Kühlung zu verderben.[3] Ähnliches scheint für Luhansk und Donezk bei fortgesetzten Angriffen der Regierungstruppen langfristig nicht ausgeschlossen.
"Untermenschen"
Dabei steht die ukrainische Regierung, die die Angriffe forciert, einerseits unter massivem Druck faschistischer Kräfte. Ende Juni etwa hatten Tausende Ultrarechte auf dem Kiewer Maidan ein sofortiges Ende des damaligen Waffenstillstandes gefordert; Präsident Poroschenko müsse umgehend den Kriegszustand über das Donbass verhängen, hieß es. Poroschenko wurde als "Verräter" beschimpft; Anführer ultrarechter Freiwilligenbataillone verlangten, im Osten des Landes auf eigene Faust einzugreifen. Andererseits folgt die Kiewer Regierung mit den Attacken auch eigenen Positionen. So wurde etwa Poroschenko Ende der vergangenen Woche mit einem Ruf nach uferloser Rache zitiert: "Für jedes Leben unserer Soldaten werden die Kämpfer mit Dutzenden und Hunderten der Ihren zahlen."[4] Bereits zuvor hatte Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk nach einer tödlichen Attacke auf ukrainische Soldaten erklärt, bei den Angreifern handele es sich um "Untermenschen" ("subhumans"), die "ausgelöscht" werden müssten; es gelte "unser Land vom Übel zu säubern". Die Stellungnahme, auf der Website der ukrainischen Botschaft in den USA publiziert, ist inzwischen leicht modifiziert worden - statt "subhumans" ist nun von "inhumans" die Rede -, aber im Kern noch einsehbar.[5]
Munition gesammelt
Gleichzeitig schreitet unter Präsident Poroschenko die Etablierung ultrarechter Milizen und die Durchdringung des ukrainischen Militärs mit Faschisten voran. Mitte Juni etwa besuchten mehrere Parlamentsabgeordnete der faschistischen Partei Swoboda Einheiten der Streitkräfte, der Nationalgarde und irregulärer Milizen im Osten des Landes - und übergaben ihnen Medikamente, Ausrüstung und Munition, die Swoboda mit einer Sammelaktion in Eigeninitiative beschafft hatte. Man werde auch weiterhin Druck ausüben, um die Verhängung des Kriegsrechts zu erreichen, erklärten die Abgeordneten anschließend. Unter ihnen befand sich Mychajlo Holowko [6], der vor gut einem Jahr gemeinsam mit weiteren Swoboda-Aktivisten die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag besucht und ihr eine intensivere Kooperation in Aussicht gestellt hatte (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Wenige Tage nach dem Einmarsch der Kiewer Regierungstruppen in Slowjansk nahm eine Swoboda-Delegation die Stadt in Augenschein. Bereits unmittelbar nach dem Einmarsch hatte dort ein Reporter der BBC eine frisch aufgehängte Flagge des faschistischen Prawy Sektor bemerkt; er urteilte: "Das wird bei den Menschen in dieser überwiegend russischsprachigen Stadt ein tiefes Unwohlsein auslösen."[8] Swoboda und der Prawy Sektor sind für ihre exzessiven antirussischen Aggressionen berüchtigt; ihr Erstarken im Verlauf der Maidan-Proteste hat maßgeblich zur Eskalation der Aufstände im Osten der Ukraine beigetragen.
Faschistische Paramilitärs
Mittlerweile beschreiben nicht mehr nur russische und ukrainische, sondern ansatzweise auch westliche Mainstream-Medien den Einfluss faschistischer Kräfte innerhalb der Kiewer Regierungstrupps. Kürzlich hat etwa der französische Auslandssender France 24 geschildert, wie Aktivisten des Prawy Sektor in die Streitkräfte eintreten oder eigene Formationen bilden; vor allem das "Bataillon Asow" besteht demnach zu einem hohen Anteil aus Faschisten.[9] Es wird unter anderem von Oleh Lyaschko finanziert, der bei den Präsidentenwahlen mehr als acht Prozent der Stimmen erhalten hat. Im Juni hat eine deutsche Journalistin im hakenkreuzverzierten Hauptquartier des Prawy Sektor im Kiewer Hauptpostamt die Auskunft erhalten, die Organisation zähle heute bis zu 10.000 Aktivisten, von denen "Hunderte" in der Ostukraine kämpften. Durch ihre Kooperation mit der Regierung im Milieu von Streitkräften und irregulären Milizen "werden de facto die rechtsextremen paramilitärischen Gruppierungen legalisiert", urteilt der ukrainische Politikwissenschaftler Wjatscheslaw Lichatschew.[10]
Die Rolle Berlins
All dies ist für die Beurteilung der deutschen Ukraine-Politik nicht nur deswegen von Bedeutung, weil die Bundesregierung - unbeschadet ihrer aktuellen Forderung nach einem Waffenstillstand und erneuten Verhandlungen - Präsident Poroschenko und seine Regierung ungebrochen unterstützt und mit Sanktionen nur die Aufständischen und darüber hinaus Russland belegt. Vielleicht noch schwerer wiegt, dass Berlin mit seinen Interventionen in Kiew ansatzweise schon seit Anfang 2012, vollumfänglich seit dem Beginn der Maidan-Proteste mit Swoboda kooperiert und die faschistische Partei dadurch weithin akzeptabel gemacht hat (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Zudem hat die Bundesregierung das Erstarken des Prawy Sektor auf dem Maidan billigend in Kauf genommen; ihm wird entscheidender Einfluss auf die gewaltförmige Radikalisierung der Proteste und bei Janukowitschs Sturz beigemessen. Den sich daraus ergebenden Einflussgewinn ultrarechter Kräfte in der Ukraine zeigen nicht zuletzt die Ereignisse um eine geplante Demonstration für die Akzeptanz von Homosexuellen in der Ukraine.
Repression? Egal.
Die Demonstration, die letztes Jahr erstmals durchgeführt wurde, sollte am ersten Juliwochenende wiederholt werden - allerdings unter erschwerten Bedingungen: Die Maidan-Proteste hatten, wie ein Bericht von Al Jazeera America konstatiert, mit der äußersten Rechten Kräfte erstarken lassen, die eben auch mit aller Gewalt gegen Lesben und Schwule vorgehen.[12] Auf die Unterstützung der Hauptstadtverwaltung gegen Angriffe der Faschisten konnten die LGBT-Aktivisten dieses Jahr nicht rechnen: Der neue Kiewer Oberbürgermeister Witali Klitschko, ein in Deutschland hochpopulärer Zögling der Konrad-Adenauer-Stiftung, untersagte ihre Demonstration. Ein Aufschrei in deutschen Medien, wie er üblicherweise erfolgt, wenn Homosexuelle in Russland Repression erdulden müssen, blieb aus. Al Jazeera America wies darauf hin, dass das ukrainische Parlament noch im Juni diejenigen Passagen aus dem Abkommen über die Visa-Liberalisierung mit der EU gestrichen hatte, die es zur Einführung von Anti-Diskriminierungs-Gesetzen gezwungen hätten. Berlin und Brüssel nahmen das hin. Man müsse von vorne anfangen, klagt nun die Sprecherin eines ukrainischen LGBT-Verbands.[13] Die Regierung, deren Repression Homosexuelle in der Ukraine ausgesetzt sind, ist außenpolitisch eine willige Partnerin Berlins und Brüssels; für EU und Bundesrepublik besteht daher kein Anlass, sie unter Druck zu setzen.