Parteiausschlußverfahren gegen Stefan Liebich wäre zu diskutieren  (Red.) 

Auf jeden Fall  sollte Strefan Liebich als Obmann der Linksfraktion für Außenpolitik im Bundestag zurücktreten . Er betimmt als Obmann die Richtlinien der Politik in der Fraktion maßgeblich mit.  Ein Linker, der eine Armee hofiert, die völkerrechtswidrige Kriege führt und fortdauernd eine völkerrechtswidrige Besatzung von Gebieten, die für einen Palästinenserstaat vorgesehen sind, außerhalb Israels besetzt, kann kein Repräsentant linker Außenpolitik im Lande sein. Die IDF führte  auch immer wieder extralegale und gesetzeswidrige Tötungen von Palästinensern durch, wobei auch viele  hunderte Frauen und Kinder getötet wurden.

Stefan Liebich kann nicht den völkerrechtswidrigen Charakter der Besatzung und des Krieges der Russen auf der Krim anprangern und eine andere Armee feiern, die ebenfalls dauerhaft völkerrechtswirdrig palästinensiche Gebiete entgegen der Forderung verschiedener UN-Resolutionen besetzt und die Kolonialisierung und Landraub durch Siedlungsbau an Palästinensern betreibt. Das schadet der Glaubwürdigkeit der Linkspartei massiv und Doppelmoral ist mit linken Grunsätzen völlig unvereinbar.

Auch die ultranationalistische Groß-Israel- Perspektive und die Weigerung die Palästinensergebiete überhaupt zu besuchen und die Perspektive der Palästinenser kennen zu lernen und zur Kenntnis zu nehmen, disqualifiziert Liebich als fairen Mittler zwischen Israelis und Palästinensern und macht ihn zu einem Politiker, der die rassistische und ignorante Position der israelischen Rechtsaussenregierung den Palästinensern gegenüber   komplett einseitig übernimmt. Das disqualifiziert ihn auch als Politiker, der glaubhaft die linke Position der Zweistaatenlösung repräsentieren kann, wenn er nicht einmal die palästinensische Seite im Konflikt und deren Positionen zur Kenntnis nehmen will und einen Besuch der Palästinensergebiete verweigert.  So ist nicht mal der Wille vorhanden, sich objektiv zu informieren.   

Die kritiklose Unterstützung einer rassistischen Apartheidpolitik und ihres Unterdrückungsapparates, die selbst SPD Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel anprangerte, ist mit den humanistischen Prinzipien der Partei "Die Linke" völlig unvereinbar.

Es sollten jetzt dringend Konsequenzen gezogen werden So macht sich Stefan Liebich selber zu einer No-Go- Person in führenden Positionen der Linkspartei und der Bundestagsfraktion.   

Stefan Liebich bei der IDF

 

Die Freiheitsliebe - von Peter Gerhard (Auszug)

Stefan Liebich war auf Reisen. Reisen soll ja bilden, sagt man. Dass es auch Ausnahmen gibt, zeigt Liebichs Reisebericht über einen Besuch in Israel.

Als sich Gregor Gysi auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung auf eine Reise in die Westbank begab, war auch Stefan Liebich mit von der Partie. Den Teil der Reise, der Gysi mehrere Tage lang durch die besetzten Gebiete führte, ließ Liebich aber offenbar aus. So kommt es, dass Gregor Gysi wirklich erstaunlich kritische und gegenüber der Verantwortlichkeit Israels für Gewalt und Ungerechtigkeit sehr klare Berichte veröffentlichte. Stefan Liebich hingegen ließ sich hingegen mit Soldaten der israelischen Armee fotografieren, spazierte durch die Knesseth, hält die Arbeitspartei immer noch für einen wichtigen Gesprächspartner. Einen kleinen Lichtblick bietet Liebich trotz allem: Er weiß dank einem Gespräch mit Mohammaed Barakeh von der Haddasch-Liste (eine winzige linke Verbindung, die vor allem aus palästinensischen Kommunisten besteht), dass es Diskriminierungen palästinensischer Bürger Israels gibt. Das Neue Deutschland zum Beispiel hat sich der israelischen Sprachregelung, nach der es keine Palästinenser, sondern nur Araber in Israel gibt, bereits unterworfen.

Die Reise der LINKEN-Politiker fand just in der Woche statt, in der drei jüdische Religionsstudenten auf einer Siedlerstraße in der Westbank entführt und die, wie wir nun wissen, ermordet wurden. Die Morde fanden in einem vielfältigen Spannungsfeld statt – und wurden durch verschiedene Morde an Palästinensern beantwortet, u.a. mit der Verbrennung eines Jugendlichen in Jerusalem bei lebendigem Leib.

Seit der Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung aus Hamas und Fatah wurde die Autonomiebehörde verstärkt zum Ziel von verbalen und die Bevölkerung der Westbank von bewaffneten Angriffen der israelischen Regierung. Beide – Hamas wie auch die Fatah – sind geschwächt. Die von der Fatah dominierte Autonomiebehörde steht mit ihrem illegitimen weil nicht gewählten Behörden-Präsidenten mit dem Rücken zur Wand: Die Ignoranz und Arroganz der israelischen Politik verführte Abbas sogar dazu, zumindest mit Worten eine neue zivile Intifada zu unterstützen. Aber vor allem die Hamas ist in einer großen Krise: Erfolge für die Menschen in Gaza hat sie nach 7-jähriger Abriegelung nicht vorzuweisen, viele sehen in der Hamas nicht mehr als den Grenzschützer Israels, dessen Hauptaufgabe die Verfolgung bewaffneter Widerstandskämpfer in Gaza ist. Die erhoffte Unterstützung seitens Ägyptens nach der Revolution 2011 ist zu einer Realität der Unterdrückung von Solidarität durch das Regime von as-Sissi geworden. Die ägyptischen Behörden haben fast alle Tunnel verschlossen, den Übergang Rafah nicht geöffnet und die Mutterorganisation der Hamas – die Muslimbruderschaft – als terroristische Organisation verboten und Tausende ihrer Mitglieder ermordet und eingekerkert. Die iranische und syrische Unterstützung hat die Hamas verloren...

 

Die Einheitsregierung schien für beide einen Ausweg zu bieten – allerdings hat die Hamas dabei hoch verloren. Ihre Sicherheitskräfte und Angestellten in Gaza werden nicht mehr bezahlt, ihre bewaffneten Einheiten von den Sicherheitskräften der Autonomiebehörde – offenbar in Koordination zumindest mit der israelischen Luftwaffe – verfolgt. Das neue Leitungsbüro der Autonomiebehörde – oft auch „Regierung“ genannt, besteht aus mehrheitlich Fatah-nahen Technokraten.

Die Entführung der drei Jugendlichen in der Westbank wurde von der Besatzungsmacht Israel als Vorwand missbraucht, um die größte Militäraktion in der Westbank seit mehr als zehn Jahren durchzuführen und Gaza zu bombardieren. Die Ziele der Razzien waren vor allem die politischen Strukturen der Hamas – das ist auch der Grund dafür, dass Abbas kaum ein Wort zu den hunderten Festnahmen verlor. Effektiv kollaborieren die Autonomiebehörde und ihre Sicherheitskräfte mit der israelischen Besatzungsmacht.

In seinem Reisebericht will Stefan Liebich diese Komplikationen einmal ganz außen vorlassen:

„In der vergangenen Woche bereiste ich Israel mit dem festen Vorhaben, die Lebenswirklichkeit des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger nicht zuerst aus der Perspektive des Konflikts mit den Palästinenserinnen und Palästinensern zu betrachten.“

Liebich scheint zu glauben, dass die gemeinsamen deutsch-israelischen Kabinettstreffen 2-mal im Jahr, der rege Austausch von Waffen (z.B. Drohnen, oder das in der vergangenen Woche ausgelieferte U-Boot), die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit, wirtschaftliche und Ausbildungskooperation etc. allesamt die „Perspektive des Konflikts“ einnehmen. Stefan Liebich passt damit voll in den Mainstream, und er meint das ja auch anders. Eigentlich geht es ihm nicht um die „Perspektive des Konflikts“, die er nicht einnehmen will, sondern die Perspektive der Palästinenser auf den Konflikt. Wie ARD und ZDF kennt er den Namen eines jeden ermordeten Israelis – die Palästinenser werden dagegen Teil einer irgendwie gruseligen Masse mit einem Hang zu Allah und zu Irrationalität. Das zeigt sich in Liebichs Bericht: Außer den drei Schülern scheint die Besatzung keine Opfer zu haben. Keine über hundert Hungerstreikenden, keine zerschossenen Fussballerfüße, keine toten Kinder, keine zerstörten Häuser, kein Land- und Wasserraub. Was Liebich aber kennt, ist die demokratische Verfasstheit Israels (…die Anführungszeichen kann jeder selber setzen), und deren edelsten Ausdruck, die Knesseth:

„Gleich zu Beginn habe ich mich mit der Oppositionspolitikerin Stav Shaffir von der Arbeitspartei getroffen. Die 29-jährige ist inzwischen Mitglied der Knesset und war vor zwei Jahren eines der bekanntesten Gesichter jener Protestbewegung, die auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv und anderswo Zeltlager errichteten, um für bezahlbares Wohnen zu demonstrieren. Die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu konnte die Hunderttausende von Menschen auf Israels Straßen nicht ignorieren und richtete eine Kommission ein. Es wurde lange beraten, dann ein neues Parlament gewählt, doch herausgekommen ist so gut wie nichts. „Bullshit-Kommission“ nennt Shaffir das Ergebnis, heute kämpft sie im Parlament weiter.“

Die Arbeitspartei ist verantwortlich für den rapiden Anstieg von Siedlungsaktivitäten nach Oslo. Sie ist militaristisch und vertritt die sozial Privilegierten Juden europäischer Abstammung. Sie ist Teil alles andere als links. Frau Shaffir ist insofern eher eine Art israelischer Sven Giegold (der von Attac zu den Grünen wechselte, weil es dort mehr Geld gibt). Warum auf den Straßen Tel Avivs und Israels nichts gewonnenen wurde bei den Sozialprotesten kann Liebich nicht begründen – da eine der hauptsächlichen Ursachen für das Scheitern wohl das Ausklammern der Kosten der Besatzung war und sich die Bewegung letztlich hinter die israelische Fahne und die Privilegierung jüdischer Israelis stellt. Der konkrete Effekt der Bewegung war eine Verjüngung der Regierung – und eine der rechtesten Regierungen, die Israel je hatte. Sie besteht aus einer neoliberalen Yuppie-Partei (Jesh Atid) und einer knallrechten Siedlerpartei (Jüdisches Heim) – beide von Millionären geführt. Was Liebich mit keinem Wort kommentiert: Was vom Sozialprotest politisch übrig blieb, war eine neu gewählte Regierung, die die nötigen Mehrheiten hatte, um der israelischen Armee eine neue Gruppe zur Rekrutierung zugänglich zu machen – die Orthodoxen nämlich, für die neuerdings ebenfalls die Wehrpflicht gilt. Bestimmt hat Frau Sahffir dafür gestimmt, denn … ist das nicht nur gerecht, dass alle in die Armee müssen? Aber Stefan Liebich hat Hoffnung:

„Rabins Politik der Entspannung, sein Wunsch nach einem nachhaltigen Frieden mit den Nachbarn Israels ist bis heute beispielgebend. An der Stelle, an der ihn 1995 ein Rechtsextremist erschoss, befindet sich ein Denkmal und man denkt an diesem Ort unwillkürlich darüber nach, was aus der Region geworden wäre, wenn Rabin seine Politik hätte fortsetzen können.“

Ganz geschichtsvergessen folgt Liebich hier der israelischen Legendenbildung über Rabin als Friedensengelchen. Das hat Rabin nicht verdient: Wegen der Einführung der Taktik, PalästinenserInnen in der ersten Intifada die Arme und Beine zu brechen – ob mit Steinen oder Autotüren – hat Rabin den Titel „Knochenbrecher“ verliehen bekommen. Liebich glaubt auch immer noch an Oslo, aber die PalästinenserInnen leiden seit 20 Jahren unter den Vereinbarungen, diente Oslo doch einzig dem Zweck, Israel die Besatzung nicht mehr zahlen zu lassen und gleichzeitig eine palästinensische Bürokratie aufzubauen, die – ausgestattet mit Waffen und Geheimdiensten – gegen ihre Bevölkerung vorgeht und den Job der Besatzer selbst erledigt. Rabin ist der Säulenheilige des nicht vorhandenen israelischen Friedenswillens. Oslo ist das Trojanische Pferd Israels – sieht aus wie Frieden, enthält aber Siedlungen und Besatzung.

Natürlich weiß auch Stefan Liebich, dass die Idee, nach Bläschen zu suchen, in denen Israel nichts mit dem Konflikt zu tun hat, wenig Aussicht auf Erfolg hat. Das fällt ihm auf, als er endlich sein Partnerstädtchen besucht:

„Spätestens hier wurde deutlich, dass sich der israelische Alltag nicht von „dem Konflikt“ trennen lässt. In der Nacht bevor ich die Partnerstadt meines Berliner Wahlkreises Pankow, Ashkelon, besuchte, wurde diese von Raketen aus dem nur wenige Kilometer entfernt liegenden Gaza-Streifen beschossen. Es war bereits der fünfte Beschuss in diesem Jahr.“

Schöner kann man Einseitigkeit nicht illustrieren. Glück hat er, der Stefan, dass er auf der israelischen Seite eine Sitzgelegenheit gefunden hat. Hier kann man ja nicht anders, als diesen Schluss zu ziehen: Der Schuldige ist der Palästinenser. Er schießt Raketen. Israel nicht, Israel beruhigt die Lage. Zwar wirft es dazu Bomben ab oder führt einen brutalen Drohnenkrieg, der seit dem Jahre 2000 mehr als 600 Menschen in Gaza umgebracht hat, zwar mussten mehrere Tausend Menschen Opfer israelischen Beschusses werden. Das aber passiert ja nicht in Ashkelon (wo sogar die Tiere Psychologen brauchen) – sondern ein paar Kilometer weiter in Gaza (wo die Menschen keine Tiere haben). Gaza ist seit 2007 abgeriegelt, die Lage ist miserabel, mehr als 96 % des Wassers sind nicht trinkbar, Menschen werden erschossen, weil sie Fussball spielen, Wasser holen oder eine Shisha rauchen. Aber wen interessiert das schon – ist Gaza etwa Partnergemeinde Pankows?

Fast schon gab ich das Lesen des Berichtes auf, aber dann wäre mir großes Vergnügen entgangen, denn Stefan Liebich hat erfahren, wo der Bär den Honig und die Hamas die Waffen holt:

„ Im Ergebnis des westlichen Militäreinsatzes in Libyen konnten sich die mit der Hamas verbundenen Gruppen in Gaza mit neuen Waffen aus dem von Chaos geprägten Wüstenstaat versorgen.“

Was der Stefan alles weiß! Waffen kommen also aus Libyen nach Gaza. Sicher entweder über das Mittelmeer – die israelische Seeblockade durchbrechend und all die bewaffneten Missionen umfahrend, die das Mittelmeer bevölkern. Oder vielleicht auch durch Ägypten – vorbei an all den Militärposten in einer Diktatur, die gerade jeden unter Terrorismusvorwurf ins Gefängnis wirft. Nun ja, warum anzweifeln, was sich die israelische Regierung so schön ausgedacht hat? Dann konstruiert Liebich noch eine Gleichheit zwischen allen Gruppen in Gaza – jede Rakete kommt quasi von der Hamas, weil alle die Gruppen mit der Hamas verbunden sind. Sehr zu gratulieren ist Liebich auch für den Nachweis seiner Weltoffenheit: Libyen ist ein „von Chaos geprägter Wüstenstaat“. Da klingt der Scholl-Latour hervor! Wüstenstaat, klingt nach Bauchtanz, Krummdolchen, Karawanen, Oasen, wilden Muslimen mit Turbanen, nach Sultanen und nach vielen Waffen. Jedenfalls nicht so richtig wie wir das wollen. „Wüstenstaat“ eben – Sie wissen schon, hehe ;-). Aber zurück zur Partnerstadt des schönen Pankow:

„In Ashkelon wurde diesmal zum Glück niemand verletzt. In ständiger Angst zu leben und nach dem Ertönen der Sirenen nur 30 Sekunden Zeit zu haben, um in einem Bunker Schutz zu finden, erscheint für mich unvorstellbar. Für die Menschen in Ashkelon ist das jedoch seit Jahren Alltag.“

Es wurde zum Glück niemand verletzt – wie übrigens im ganzen Jahr 2014 nicht. Im gleichen Zeitraum ist der israelische Angriff auf Unschuldige offizielle israelische Politik, wie auch die Gezielten Tötungen von palästinensischen Politikern. Das hätte Liebich auch von Bet’selem erfahren können. Den Besuch dort hat er sich gespart, dafür hat er sich lieber einem kleinen Vergnügen mit israelischen Soldaten hingegeben und sich mit drei Grazien in Olivgrün ablichten lassen. Für Ausgewogenheit ist da kein Platz.

„Parallel zu meinem Besuch wurden im von Israel annektierten Westjordanland die Schüler Eyal Yifrah, Gil-Ad Shahar und Naftali Frenkel entführt. Bisher hat sich niemand zu diesem Verbrechen bekannt. Das Kidnapping unschuldiger Schüler ist jedoch in jedem Fall durch nichts zu entschuldigen und zu relativieren.“

Aber man darf wohl den Hintergrund erklären, denn Verstehen und Rechtfertigen sind zwei unterschiedliche Dinge. Gregor Gysi hat auf seiner Reise die Entführung klar verurteilt, aber in den Kontext von Besatzung gestellt und außerdem die Kollektivbestrafung von Millionen PalästinenserInnen verurteilt, sogar die Gefangenen im Hungerstreik erwähnt. Eine solche ausgewogene Haltung des prominentesten LINKE-Politikers stieß ganz offenbar bei der Israelischen Botschaft auf Unverständnis. Die Botschaft ließ sich deshalb zu einer wirklich schrägen Aktion hinreißen: Sie schickte der LINKEN Fraktion im Bundestag eine Bitte um Verurteilung der Entführung der israelischen Schüler und fügte ihren eigenen Text auch gleich mit an. Die Fraktion biss glücklicherweise nicht an, aber Stefan Liebich, Obmann im  Auswärtigen Ausschuss, springt hier auf seine Weise dem gebeutelten Israel zur Seite. Eine Freude auch, dass er den Namen eines jeden der Gekidnappten kennt. Das liegt daran, dass es sich um Israelis handelt – den Namen der Tausenden in Israels Gefängnissen und der Kinder vor israelischen Militärgerichten kennt Liebich nicht, die hat ihm das zuständige israelische Ministerium wohl nicht verraten.
Außerdem: Sicher muss man nicht alles wissen als Obmann im Auswärtigen Ausschuss. Aber darüber, dass Israel die Westbank annektiert hat, sollte Liebich Netanyahu schnellstens informieren, ich glaube, der weiß davon nichts. Ich dachte immer, Jerusalem sei annektiert, die Westbank besetzt.
Natürlich ist Stefan Liebich nicht ganz blind. So stellt er durchaus fest, dass

„Die Regierung Netanjahu […] ihrerseits nur wenig für Entspannung und Annäherung [leistet]. Die Siedlungspolitik wird nahezu uneingeschränkt fortgesetzt, Einsätze der israelischen Armee in den besetzten Gebieten mit Verletzten und Toten sind anhaltende Realität.“

Zwar erkennt Liebich Einschränkungen der Siedlungspolitik, die allen anderen Beobachtern verborgen geblieben sind und der aktuelle Einsatz der israelischen Armee ist nicht einer unter vielen, sondern der größte seit zehn Jahren, aber die Anerkennung der Tatsache, dass die Besatzung tötet, verdient Anerkennung. Stefan Liebich als Obmann im Auswärtigen Ausschuss ist natürlich nicht nur in Israel und Palästina kompetent, sondern kennt sich einfach überall aus. So analysiert er weiter:

„Hinzu kommt eine zunehmend instabile Lage in den Nachbarstaaten. In meinem Gespräch mit Mansour Abu Rachid, dem ehemaligen Geheimdienst-Chef von Jordanien, und Dani Jatom, ehemaliger Chef des Geheimdienstes Mossad, spielten der Bürgerkrieg in Syrien, der Vormarsch der ISIS und daraus resultierende Konsequenzen eine zentrale Rolle. Meines Erachtens ist eine militärische Grenzsicherung in Jordanien, Israel und anderen Staaten der Region zur Begegnung der Konflikte kurzfristig nachvollziehbar, schafft langfristig aber keine nachhaltige Lösung.“

So spricht unser Außenminister im Wartestand auch mit Ex-Geheimdienstchefs aus der königlich gelenkten Demokratie Jordanien und der einzigen anderen Demokratie der Region. Rashid war von `88 bis `94 Geheimdienstchef und hat die desaströsen Osloer Verträge mit verhandelt. In Israel weilt er oft und ist dort ein gern gesehener Referent. Kürzlich erst hat er gewarnt, Israel würde gefährdet, wenn Jordanien zu viele Flüchtlinge aus Syrien aufnehme – ein wahrer Menschenfreund also. Und Dani Jatom? Der war verantwortlich z.B. für den Mordanschlag auf den Hamas-Chef Khaled Meschaal in Jordanien. Die Koordination von Morden war Inhalt seiner Arbeit. Das ist aber anscheinend nicht so schlimm – Liebich lässt sich trotzdem lässt sich von den beiden Herren politisch beraten. Leider hat Kamerad Rashid ihm nicht verraten, dass die USA selbst zumindest einige der ISIS-Leute in Jordanien selbst ausgebildet hat. Wie auch schon die brutalen palästinensischen Sondertruppen in Rashids Heimatland Jordanien ausgebildet wurden. Jedenfalls lässt sich der Politprofi Liebich davon überzeugen, dass militärische Grenzsicherung zumindest „nachvollziehbar“ ist.

„Ein Interessenausgleich der Akteure auf dem Verhandlungsweg und die Sicherung von wirtschaftlichen Perspektiven vor allem für die Jugend würden hingegen den Fundamentalisten wirkungsvoll den Boden entziehen.“

Nun ja, das gilt nur, wenn man sich der herrschenden Logik beugt. Die geht so: Die vornehmlich männliche Jugend hat heißes Blut und findet keine Arbeit. Das ist der „Youth Bulge“, viele junge aggressive Männer ohne Arbeit mit Testosteron fangen dann Stress an, der bürgerliche Staat muss sich wehren. Verantwortlich sind nicht die in den Flugzeugen oder an den Abzügen der Maschinenpistolen, denn alle staatliche Gewalt ist ja nur eine Reaktion auf die Bedrohung durch die Präkarisierten. Man vergebe jedem, der das nur bedingt logisch findet. Für Liebich scheint das ganz gut zu passen, diese Täter-Opfer-Umkehr. Dass das alles mit Waffen zu tun hat, ahnt der Obmann im Auswärtigen Ausschuss:

„Und noch eines ist klar, so lange der Nachschub an Waffen nicht endet, wird das Töten weiter gehen. Für die deutsche Politik wird daher ein Stopp von Waffenexporten in die gesamte Region zur Pflicht.“

Ja, das passt. So bleibt man trotz leiser Kritik bei den Herrschenden willkommen. Klar sind Waffen doof. Dass in diesem Fall Israel mit deutschen Waffen ausgestattet wird, muss man ja nicht in den Mittelpunkt stellen. Da bleibt man lieber auf deklamatorisch sicherem Terrain und lässt Ross und Reiter namenlos. Mans spart sich lieber den Hinweis, dass der Westen gegenüber seinem Verbündeten Israel vielleicht auch mal politischen Druck ausüben sollte.

So isses halt, wenn man Israel mal ganz anders sehen will. Dann kommt man um die Schönheit seiner Waffen nicht herum.

 

Der Autor dieses Artikels, Peter Gerhard, ist seit Jahren aktiv in der linken Szene.

 

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