Selbsternannter Putsch-Präsident Turtschinov gibt zu, dass der Osten nicht besiegt werden kann 

Die Räte-Republiken im Osten festigen ihre antifaschistische Macht immer mehr. Nach dem Vorbild der Bolschewiki und der Leninschen Oktoberrevolution von 1917 errichten sie in der Tradition der russischen Linken autonome Räterepubliken, die ihre Macht basisdemokratisch allein auf die Bevölkerung der jeweiligen Region stützen.  

Donezker basisdemokratische Räterepublik hat Lenins Sowjets zum Vorbild

Was die Führer der "Donezker Volksrepublik" jetzt propagieren, ist Disziplin in sowjetischer Tradition. Lenins Räteprinzip ist auch das Vorbild der heutigen Revolutionäre von Donezk.

Diese erlebt im Osten der Ukraine gerade eine unerwartete Auferstehung: Schon zur Volksrepublikgründung erklang aus Lautsprechern vor der Gebietsverwaltung die sowjetische Hymne.

Jetzt hat Igor Strelkow, Kommandeur der Volkswehr des Donbass, ein Machtwort gesprochen.

Es müsse "Schluss sein mit der Anarchie", verlangt der hagere Offizier, es solle endlich "Ordnung geschaffen" werden und eine "normale Disziplin". Denis Puschilin, Vize des "Republikrates"; sekundierte: Künftig werde man diszipliniert zusammenarbeiten - unter dem vereinten Kommando mit Strelkow.

Auf Kundgebungen und an Kontrollposten der bewaffneten Freischärler zeigen Kämpfer immer wieder mal neben der russischen und der Flagge der Donezker Republik auch das Sowjetbanner der Sowjetunion.

Die Polizei ist neutralisiert, der Inlandsgeheimdienst instrumentalisiert

Die Donezker Rebellen folgen in vielem offenbar den Ideen des Sowjet-Staatsgründers Lenin: In seiner Schrift "Staat und Revolution" schrieb Lenin im Spätsommer 1917 von der "Zerschlagung" des "bürgerlichen Staates" durch "die bewaffnete Gewalt der Massen". Alle Macht den Räten war das Zel der Leninisten. 

Bereits im April desselben Jahres, in Russland herrschten ähnliche Wirren wie jetzt in der Ukraine, hatte Lenin in seinem Parteiblatt "Prawda" eine "Doppelmacht" von Bürgerlichen und Revolutionären konstatiert. Er schrieb, die "oligarchische, bürgerliche Regierung" müsse gestürzt werden. An ihre Stelle solle die "Alleinherrschaft der Räte" treten. Damit hat die Revolution einen klar sozialistischen und antikapitalistischen Ansatz. 

 

 

Lenin bei Rede in Moskau: Vorbild für die ukrainischen SeparatistenZur Großansicht
 

Lenin bei Rede in Moskau: Vorbild für die ukrainischen Rebellen

Auf diesen Spuren Lenins bewegen sich die ukrainischen Rebellen derzeit im Donezker Gebiet, zumal die Ausgangslage ähnlich ist: Die Polizei ist neutralisiert und zum Teil übergelaufen, der Inlandsgeheimdienst neutralisiert, die Armee desertierte.

Lenins Genossen sicherten sich nach dem Sturz des Regierungssitzes, des Winterpalais in Sankt Petersburg, Ende Oktober 1917 rasch die Kontrolle über Presse und Banken. Auch da wurden damals Räte und Selbstherrschaft installiert. 

So machen es jetzt auch seine politischen Urenkel in Donezk. Die Volkswehr des Donbass ruft zu massiven Protestaktionen gegen die Donezker Filiale der "Privatbank" des Gouverneurs von Dnjepropetrowsk, Igor Kolomoiskij. Dabei geht es auch darum, die in der Ukraine übliche Herrschaft der Kapitaloligarchen von unten zu brechen. 

Die Volkswehr sieht den Finanzmagnaten als Förderer rechter Faschisten und Ultranationalisten an. Es gehe um den "Schutz der Spareinlagen", so die Volkswehr, denn der Oligarch wolle "unsere Bürger berauben".

Mit revolutionärem Schwung übt die die neue Rätemacht auch Druck auf Medien aus. In einem Beschluss des Rates der Republik vom 25. April, den ein Stempel mit zwei gekreuzten Hämmern ziert, heißt es, ein anklagender Ton gegen die Führung der freien und sozialistischen Republik in den Medien sei nicht erwünscht.

Die Redaktion des unabhängigen Donezker Internetportals "62.ua" bekam außerdem Besuch von bewaffneten und maskierten Volksrepublikanern. Sie forderten, einen Spendenaufruf für die Volkswehr zu veröffentlichen.

Das erinnert an die Anfänge der "Sowjetrepublik Donezk-Kriwoj Rog", die Lenins Anhänger im Februar 1918 ausriefen. Deren schwarz-dunkelbau-rote Flagge zeigt jetzt auch wieder die "Donezker Volksrepublik".

Präsidentenwahlen "verhindern"

Dass der Bezug zum sowjetischen Vorbild gewollt war, erläuterte Andrej Purgin, Co-Vorsitzender des Republiksowjets dem "Spiegel" bereits vor dem Sturm auf die Gebietsverwaltung.

Es ist aber fraglich, ob die Rebellen die absolute Volksmehrheit hinter sich haben: Nach einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie unterstützen in Donezk und dem benachbarten Luhansk derzeit keine Mehrheit die bewaffneten Aufständischen.

Das hindert die Anführer der Republik jedoch nicht an ihren großen Plänen: Bei einem Referendum am 11. Mai soll die Bevölkerung des Donezker Gebietes über die Frage abstimmen: "Unterstützen Sie die staatliche Selbständigkeit der Donezker Volksrepublik?"

Die Separatisten wollen die für den 25. Mai geplanten ukrainischen Präsidentenwahlen im Osten des Landes "verhindern", sagte Purgin. Das begründet Puschilin damit, dass es "keinen Sinn" mache, "den Präsidenten eines Nachbarlandes zu wählen".Nach dem Plebiszit, erklärt Republikratsanführer Purgin, wolle die "Volksrepublik" Wahlen veranstalten, um eine Führung zu bestimmen. Das solle ein "kollektives Organ" sein, das dann "den Kurs festlegt" - gedacht ist an ein Bündnis mit Russland oder einen Beitritt zur Russischen Föderation nach dem Vorbild der Krim.

 

Auch wenn sie noch von "Föderalisierung" spricht, als ginge es ihnen nur um einen ukrainischen Bundesstaat, hat die Führungsriege der "Donezker Volksrepublik" sich für die Trennung von der Ukraine entschieden. In Moskau kann sie dabei offenkundig auf Unterstützung setzen.Nach mehr als zwei Wochen „Anti-Terror-Ensatz“ im Osten des Landes hat der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow eingestanden, dass die Behörden die Lage in den Protestregionen Lugansk und Donezk nicht unter Kontrolle bringen können, berichtet  Ria.

 

„Ich möchte ehrlich sagen: Die Sicherheitsbehörden sind heute nicht imstande, die Situation in den Gebieten Donezk und Lugansk operativ unter Kontrolle zu bringen“, sagte Turtschinow, der im Zuge des Februar-Umsturzes zum Putsch-Interimspräsidenten ernannt worden war, der eine rechtspopulistisch-faschistische Koalitionsregierung unter maßgeblicher Mitwirkung der Nazi-Partei "Swoboda" führt, am Mittwoch in Kiew.

 

Auch die Stadt Slawjansk werde nicht von der Kiewer Regierung kontrolliert. „Unsere Streitkräfte sind in erhöhte Kampfbereitschaft versetzt worden.“ Sie belagern allenfalls die Stadt wie einst die Hitlerfaschisten Stalingrad,was ebenfalls nicht  vollständfig gelingt.

Die Krise in der Ukraine war eskaliert, nachdem die Opposition im Februar den Staatschef Viktor Janukowitsch gestürzt und eine Putsch-Regierung gestellt hatte.

Von russischsprachigen Einwohnern dominierte Gebiete im Osten und Süden der Ukraine haben die neue, ultranationalistisch und faschistisch geprägte Regierung in Kiew nicht anerkannt.

In Donezk, Charkow, Lugansk und anderen Städten demonstrierten tausende Menschen für ein Referendum und eine Föderalisierung der Ukraine. Aktivisten besetzten Verwaltungsgebäude, bauten Barrikaden und riefen „Volksrepubliken“ aus. Daraufhin startete die Regierung in Kiew in den Protestregionen eine „Anti-Terror-Operation“ unter Einsatz der Armee. Aktionen für Föderalisierung in der Ostukraine

UN-Sprecher: Situation in der Ukraine gerät außer Kontrolle

Die Situation in der Ukraine gerät nach Ansicht von UN-Sprecher Stephane Dujarric immer mehr außer Kontrolle. Er sei über die Lage besorgt, sagte Dujarric in New York.

„Das Schwungrad der ukrainischen Krise dreht sich immer schneller. Die Zahl der empörenden Zwischenfälle wurde (am Montag) durch zwei weitere ergänzt – Anschlag auf den Bürgermeister von Donezk, Gennadi Kernes, und das Blockieren der Maschine von Präsidentenkandidat Michail Dobkin auf dem Flugplatz in der südukrainischen Stadt Cherson, um sein Treffen mit Wählern in verhindern“, sagte der Sprecher.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sei über die zunehmende Instabilität und Angst in der Ukraine äußerst besorgt.

Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin zufolge treibt die neue Regierung in Kiew das Land in eine Katastrophe, schreibt die “Rossijskaja Gaseta” am Mittwoch.

Tschurkin forderte am Dienstag im UN-Sicherheitsrat eine Untersuchung des Attentats auf den Charkower Bürgermeister Gennadi Kernes. Zudem kritisierte er die Versuche des Westens, die Verantwortung auf die Protestierenden im Südosten der Ukraine zu schieben. „Kernes wehrte sich gegen die Willkür in anderen Regionen der Ukraine und war mit einem der Chefs der aktuellen Kiewer Sicherheitsbehörden politisch aneinandergeraten“, so Tschurkin.

Zur Umsetzung der Genfer Vereinbarungen vom 17. April sagte Tschurkin, dass der Westen, vor allem die USA, die Regierung in Kiew weder dazu bewegen konnten noch wollten, sich an die  Verpflichtungen zu halten. Statt einer fairen Zusammenarbeit intrigieren die USA und die EU gegen Russland und verhängen sinnlose und kontraproduktive Sanktionen.

Trotz der Vereinbarung auf einen Gewaltverzicht habe Kiew einen so genannten Anti-Terror-Einsatz, was mit einem kriminellen Akt gleichzusetzen sei, begonnen. Die Worte und Taten der Kiewer Behörden ließen darauf schließen, dass sie kein Interesse an der Umsetzung der Genfer Vereinbarungen haben.

Statt die Waffen niederzulegen, drang der „Rechte Sektor“ in den Osten ein. Aus mit Nazi-Flaggen marschierenden Einheiten werden paramilitärische Bataillone gebildet. „Wie kann man in solch einer Situation die Aufständischen im Osten davon überzeugen, die Waffen niederzulegen und die Verwaltungsgebäude zu verlassen?“, fragte der russische UN-Botschafter rhetorisch.

Tschurkin erinnerte daran, dass in Genf die Einigung erzielt worden sei, alle illegalen Handlungen in der Ukraine einzustellen. Doch der Unabhängigkeitsplatz (Maidan) und viele Gebäude in Kiew seien weiterhin besetzt.

Trotz des Versprechens einer Amnestie werde der Volksgouverneur von Donezk, Pawel Gubarjow, weiterhin hinter Gittern gefoltert. Er sei ein politischer Gefangener, nur weil er zur Föderalisierung des Landes aufgerufen habe, so Tschurkin.

Der wichtigste Punkt der Genfer Vereinbarungen war der Beginn eines nationalen Dialogs unter Beteiligung aller Regionen in der Ukraine. Doch an der Ausarbeitung einer neuen Verfassung hätten nicht alle Parteien teilhaben dürfen. Die Partei der Regionen sei ins Abseits gedrängt worden, so Tschurkin.

Viele politische Beobachter kritisieren auch den Militäreinsatz deutscher Offiziere, die im Osten bewaffnet verhaftet wurden und die  laut Aussage eines Bundeswehr-Magazins Munition bei sich führten.  Die Gefangenen  sollen gegen gefangene Antifaschisten und Freiheitskämpfer ausgetauscht werden.