Wolfgang Gehrcke, Linke MdB, kritisiert Dummheit des ukrainischen Militärs  

So viel Dummheit macht fassungslos - Wolfgang Gehrcke kritisiert ukrainisches Militär

So viel Dummheit macht fassungslos - Wolfgang Gehrcke kritisiert ukrainisches Militär

Die Suche nach einer politischen Lösung für den Konflikt in der Ukraine geht weiter. In Genf kommen heute Vertreter Russlands, der USA, der Ukraine und der EU zusammen. Derweil bleibt die Lage im Osten der Ukraine unübersichtlich und immer häufiger fällt der Begriff "Bürgerkrieg". Wohin das Land steuert oder steuern kann bespricht Marcel Joppa für die STIMME RUSSLANDS mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und außenpolitischen Sprecher der Linkspartei, Wolfgang Gehrcke.

Herr Gehrcke, Beobachter werten die Tatsache, dass das Vierer-Treffen heute in Genf zustande kommt, allein schon als Erfolg. Sie auch? Oder kommt es jetzt auch auf Ergebnisse an?

Ich bin immer der Auffassung, dass man nicht übereinander reden muss, sondern miteinander reden soll. Und deswegen bin ich froh über dieses Treffen in Genf. Es gibt ja viele schwierige Probleme zu klären. Es ist in Ordnung, dass man sich trifft, und ich hoffe auf vernünftige Ergebnisse.

Politisch liegen die Positionen, vor allem zwischen Russland und der Ukraine, ja noch sehr weit auseinander. Wo kann es jetzt ein Entgegenkommen geben?

Ich glaube, dass man sich relativ rasch auf eine Tagesordnung einigen können müsste. Ich sage das mal im Konjuktiv. Mein erster Punkt wäre, dass man deutlich mit allen Beteiligten Gewaltverzicht vereinbart. Ich halte es für völlig indiskutabel, dass mit Militäreinsätzen in der östlichen Ukraine Demonstranten bedrängt worden sind. Ich möchte Gewaltverzicht. Ich möchte auch klare Erklärungen der russischen Seite, dass man alle Beteiligten zur Mäßigung aufruft. Ich denke, dass man über eine neue ukrainische Verfassung reden muss, das war ja auch so vereinbart. In dieser Verfassung wäre für mich ein zentraler Punkt, die Blockfreiheit der Ukraine festzuschreiben. Ich will die Nato weder in der Ukraine noch in Georgien sehen. Man kann Thema für Thema durchgehen und zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Und darum wird man bei dieser Konferenz ringen müssen. Und andere werden dann beurteilen müssen, was passiert ist, und eine entsprechende Debatte im Bundestag wäre mir sehr recht.

Im Osten der Ukraine bleibt die Lage weiter unübersichtlich. Das ukrainische Militär hatte dort Aktionen gegen prorussische Aktivisten begonnen. Kann dieses Vorgehen jetzt zu einer Hürde bei weiteren Verhandlungen werden?

So viel Dummheit auf einem Haufen, das hat mich schon fast fassungslos gemacht. Wie man in so einer angespannten Situation mit Militär in einem Teil des eigenen Landes agieren kann, das ist völlig indiskutabel. Und ich wäre froh, wenn das Militär rasch zurückgezogen wird. Und wenn man stattdessen Signale abgibt, dass man bereit ist, mit allen Bürgerinnen und Bürgern auch über soziale Verbesserungen zu reden, wäre das der richtige Weg. Gewalt ist in dieser Situation sehr von Übel. Und es blickt so genau keiner durch. Also ich empöre mich auch über einen Teil der Presseberichterstattung in Deutschland: es heißt immer, "man sagt", "es heißt", es wird gedeutet, wenig Fakten, wenig Wolle und viel Geschrei. 

Man hat auch hier das Gefühl, dass der Westen mit zweierlei Maß misst, sowohl bei der Presse als auch in der Politik: bewaffnete Demonstranten am Maidan und eine besetzte Rada wurden hier vor Monaten toleriert, umgekehrt passiert Ähnliches jetzt im Osten der Ukraine, was scharf kritisiert wird...

Ja, das geht nicht. Man verdirbt das an politischer Kultur, wofür man 20 Jahre gemeinsam gekämpft hat. Ich habe mir dieser Tage noch einmal bei aller Kritik, die ich damals an dem russischen Staatspräsidenten Gorbatschow gehabt habe, seine Konzeption vom gemeinsamen Haus Europa vorgenommen. Das sollte ja verschiedene Zimmer haben, wo man freundlich miteinander lebt. Man kann nicht ein solches gemeinsames Haus bauen, wenn man auf der einen Seite Aktionen begrüßt, die man im eigenen Land gar nicht will, und auf der anderen Seite solche Aktionen als Terrorismus einordnet. Schon der Vorwurf, dass es sich in der Ostukraine um Terrorismus handelt, finde ich sehr bedenklich.

Wie werten Sie die Tatsache, dass mittlerweile zahlreiche ukrainische Soldaten sich den prorussischen Aktivisten angeschlossen haben? Ein Zeichen von Solidarität? Also doch ein geeintes Volk der Ukraine?

Nein, das ist eigentlich mehr ein Zeichen, dass viele Menschen in einer verzweifelten Situation nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Ich kann mir schon vorstellen, dass ukrainische Soldaten für sich entscheiden: wir schießen nicht auf das eigene Volk. Und da sie keine andere Chance haben, sind sie gegangen. Auch das wird man rechtlich klären müssen: werden diese Soldaten, die sich mit den Demonstranten verbündet haben, rechtlich verfolgt? Oder einigt man sich am Ende auf eine Amnestie für alle, die sich so entschieden haben? Ich würde mir wünschen, dass das Zweite der Fall ist. 

Die Nato wiederum will ihrerseits Stärke demonstrieren und Truppen zumindest zur Abschreckung mobilisieren. Ist das ein reines Druckmittel für den Verhandlungstisch in Genf, oder geht das darüber hinaus?

Das geht schon darüber hinaus. Ich finde, die Nato hat in diesem Konflikt überhaupt nichts zu suchen. Es gab mal die Chance, Warschauer Pakt und Nato aufzulösen. Diese Friedensdividende ist leider nicht eingebracht worden. Ich glaube, dass Russland mit Zusagen betrogen worden ist, dass die Nato sich nicht gen Osten ausweitet. Die baltischen Staaten sind Mitglied der Nato geworden. Auch in der Ukraine ist ja ein paarmal debattiert worden, dass man in die Nato will. Und es gibt Vereinbarungen der Ukraine mit der Nato. Georgien will in die Nato. Das kann in Moskau eigentlich nur als Bedrohung und Drohung aufgefasst werden. Und mit Drohungen darf man keine Politik machen. Ich bin dafür, dass die Armeen zuhause bleiben sollen, auch die deutschen Kampfflugzeuge haben überhaupt nichts bei der Kontrolle des Luftraums zu suchen. Die Nato muss raus. Der militärische Teil der Europäischen Union soll nicht eingesetzt werden. Es ist ja in dem politischen Teil des Assoziierungsabkommens vorgesehen, dass man die Rüstungsanstrengungen der Ukraine erhöht. Ich möchte, dass stattdessen über Soziales geredet wird.

Quelle Voice of Russia.Interview  .


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