Janukowitsch: Opposition ruft zu Waffengewalt auf – „rote Linie“ überschritten

Ukrainischer Präsident Janukovitsch rügt Aufruf zur Waffengewalt durch führende Oppositionelle - insbesondere durch die Faschisten in der Führung der Bewegung

Die ukrainischen Oppositionsführer haben laut Präsident Viktor Janukowitsch die Grenze überschritten, indem sie Bürger zum bewaffneten Widerstand aufgerufen haben. Die Schuldigen daran müssen vor Gericht gestellt werden, heißt es auf der Webseite des Staatschefs.

Zuvor hatten einige Medien berichtet, dass Spitzenvertreter der Opposition die Einwohner des Landes aufrufen würden, mit Schusswaffen auf den Maidan zu gehen.

„Das ist eine himmelschreiende Verletzung des Gesetzes. Die Gesetzesbrecher müssen vor Gericht gestellt werden, das ihnen die Strafmaßnahme festlegen wird“, heißt es im Appell des Präsidenten.

Janukowitsch forderte diejenigen, die eine friedliche Lösung der Krise anstreben, zu einer Distanzierung von den radikalen Kräften auf, die das Blutvergießen provozieren würden, berichtet Ria Novosti.

 

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hat bekannt gegeben, dass sich die Spitzenvertreter der Opposition über die Hauptprinzipien der Demokratie hinweggesetzt hätten, und sie aufgerufen, um die Macht mit gesetzlichen Mitteln zu kämpfen, heißt es in einer Erklärung, die auf der Website des Präsidenten am Mittwoch veröffentlicht wurde.

„Die Spitzenvertreter der Opposition haben sich über das Hauptprinzip der Demokratie hinweggesetzt. Man kommt nicht auf den Straßen bzw. Plätzen an die Macht, sondern nur in den Wahllokalen. Ich habe ihnen mehr als einmal gesagt, dass in Kürze Wahlen stattfinden. Wenn das Volk ihnen vertraut, kommen sie an die Macht. Wenn nicht, dann nicht. Aber sowohl das Eine als auch das Andere muss im Rahmen des Gesetzes erfolgen. So, wie dies die Verfassung gebietet“, sagte der ukrainische Präsident.

Am Dienstag war es in Kiew erneut zu massenhaften Straßenunruhen  gekommen. An diesem Tag forderte die Opposition in einer Sitzung der Obersten Rada (Parlament) eine Rückkehr zur Verfassung von 2004, die dem Parlament und der Regierung mehr Vollmachten einräumen würde.

Eine aggressiv eingestellte Menschenmenge versuchte, sich dem ukrainischen Parlament anzunähern. Die radikalen Regierungsgegner drangen in Gebäude im Zentrum von Kiew ein, verbrannten Autoreifen und warfen Steine auf Autos und Polizisten. Der Polizei zufolge setzten die Oppositionellen erstmals Schusswaffen ein. Nach den jüngsten Angaben kamen sieben Polizisten ums Leben, weitere fast 300 erlitten Verletzungen.

Janukowitsch rief ein weiteres Mal die Opposition auf, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, um einen Weg aus der Krise zu finden.

„Wir haben schon einen zu hohen Preis für die Ambitionen jener gezahlt, die nach Macht streben. Kommt zu Besinnung! Man muss sich an den Verhandlungstisch setzen und die Ukraine retten“, heißt es in einem Appell von Janukowitsch auf seiner Webseite.

German Forerign Policy stellt fest: 

Schusswaffen und Munition

Bei der blutigen Eskalation der Kiewer Proteste sind am gestrigen Dienstag mehrere Polizisten und mehrere Demonstranten zu Tode gekommen. Wie Berichte bestätigen, gab es bereits seit geraumer Zeit deutliche Hinweise darauf, dass ein Teil der Kiewer Demonstranten sich bewaffnete. Demnach bat ein Zusammenschluss namens "Erste Kiewer Hundertschaft der Organisation Ukrainischer Nationalisten" schon vor Tagen in aller Öffentlichkeit um "Munition oder Geld, um welche zu kaufen".[1] Bereits zuvor hatte der von Berlin gestützte Oppositionsanführer Witali Klitschko zur Bildung von Bürgerwehren aufgerufen. Gestern berief der gewalttätige, von Faschisten durchsetzte "Rechte Block" alle Gegner der Regierung, die Schusswaffen besitzen, auf den Majdan ein. Beim Versuch, einen Sturm auf das ukrainische Parlament zu starten, durchbrachen Regierungsgegner Absperrungen und zündeten Polizeiautos an; es kam es zu schweren Kämpfen zwischen den mit scharfen Schusswaffen ausgerüsteten Demonstranten und der Polizei. Vor dem Parlament wurden Abgeordnete, die zu fliehen versuchten, in ihren Autos mit Knüppeln attackiert; das Büro der Regierungspartei wurde in Brand gesteckt. Während die Demonstranten behaupten, Krankenwagen seien von der Polizei am Einsatz gehindert worden, können die Verletzten offenbar wegen der von Demonstranten errichteten Barrikaden nicht versorgt werden.[2] In der Nacht eskalierte die Lage weiter.
NS-Mordkollaborateure
Die blutige Eskalation erfolgte nur einen Tag, nachdem die Oppositionsanführer Arsenij Jatsenjuk und Witali Klitschko im Berliner Kanzleramt empfangen worden waren, wo sie mit Angela Merkel das weitere Vorgehen der ukrainischen Regierungsgegner besprachen. Die Bitte der "Ersten Kiewer Hundertschaft der Organisation Ukrainischer Nationalisten" um Munition kann ihnen dabei nicht unbekannt gewesen sein - sie wurde nicht heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit schriftlich auf einem Plakat vorgebracht. Offenbar haben weder die Kanzlerin noch das Auswärtige Amt darauf gedrungen, weitere offensive Protestdemonstrationen zurückzustellen, bis die Bewaffnung der Opposition rückgängig gemacht werden kann, um das Schlimmste zu verhindern; ganz im Gegenteil kritisiert der deutsche Außenminister wie bisher "die Gewalt" in Kiew allgemein und insbesondere die staatlichen Sicherheitskräfte. Gänzlich unerwähnt bleibt in den Stellungnahmen der Bundesregierung weiterhin, dass die Demonstranten, die der von Berlin aufgebaute Klitschko anführt, zu einem erheblichen Teil aus Faschisten bestehen. So bezieht sich die "Erste Kiewer Hundertschaft der Organisation Ukrainischer Nationalisten" auf die historische "Organisation Ukrainischer Nationalisten", die an der Seite der NS-Wehrmacht die Sowjetunion überfiel und sich unter anderem aktiv an den NS-Massenmorden an Juden beteiligte (german-foreign-policy.com berichtete [3]).
Eskalationsstrategien
Dass Berlin die ukrainischen Protestdemonstrationen auch noch dann faktisch in Schutz nimmt, wenn gewalttätige Regierungsgegner mit Schusswaffen gegen die Sicherheitskräfte vorgehen, entspricht einer schon mehrfach von der Bundesrepublik angewandten Eskalationsstrategie. In den 1990er Jahren etwa war der Bundesnachrichtendienst (BND) bei der Aufrüstung kosovarischer Banden behilflich; die Waffen kamen letztlich der berüchtigten UÇK zugute, die den Kampf gegen die jugoslawischen Sicherheitskräfte eskalieren ließ, bis schließlich 1999 Deutschland und die NATO intervenierten (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Zuvor hatten beispielsweise in den 1960er Jahren bundesdeutsche Politiker gemeinsam mit ultrarechten Kräften aus Deutschland und Österreich die über einen militanten Flügel verfügende Autonomiebewegung in Norditalien (Südtirol) gefördert und dabei Berichten zufolge auch gewalttätige Kräfte unterstützt [5] - mit dem Ziel, die Regierung Italiens zu zwingen, Südtirol weitreichende politische Autonomie zu gewähren. Es kam zu Sprengstoffanschlägen der aus Deutschland geförderten rechtsradikalen Gruppen. Mehrere italienische Polizisten wurden getötet. Die Strategie hatte letztlich Erfolg.
 
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58803