Oligarch Chodorkowsky nach Deutschland abgeschoben  

Hans-Dietrich Genscher hat sich als FDP Politiker und als ehemaliger Außenminjister für die Freilassung des Oligarchen und für die Ausreise nach Berlin eingesetzt. 

Vorher  hatte der Oligarch Chodorkovsky ein Gnadengesuch an den russischen Präsidenten  Putin gestellt .  Doch wer ist Chodorkovsky. 

Doch  wer ist der Mann, der sich an russischen Volksvermögen bereichert hatte und so zu dem reichsten Mann Russlands geworden war ? 

 

Zehn Jahre saß Michail Chodorkowski ist Haft. Dennoch dankt der Kremlgegner auch dem russischen Präsidenten Putin für seine Freilassung. Im Mauermuseum "Checkpoint Charlie" in Berlin spricht er von seinen Plänen.

 

Im Rechtsstreit um die Auflösung des russischen Erdölkonzerns Yukos vor knapp vier Jahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Russland weitgehend Recht gegeben. Moskau habe die gesetzlichen Vorgaben nicht für eine "versteckte Enteignung" oder "absichtliche Zerstörung" des Konzerns missbraucht, urteilten die Straßburger Richter am Dienstag. Alle Verfahren der beteiligten Behörden hatten eine legale Grundlage. Die rechtlichen Bestimmungen waren präzise und klar genug, um den Maßstäben der Europäischen Menschenrechtskonvention zu entsprechen. Die russische Regierung begrüßte die Entscheidung.

Die in London ansässigen Yukos-Rechtsvertreter erzielten aber einen Teilerfolg: Das Straßburger Gericht rügte Grundrechtsverletzungen bei den Steuerverfahren gegen Yukos. Zu der Schadenersatzforderung der Yukos-Rechtsvertreter, welche die Rekordsumme von 71 Milliarden Euro verlangt hatten, nahm es zunächst nicht Stellung. Einer Sprecherin zufolge könnte der Gerichtshof über diese Frage innerhalb von sechs Monaten entscheiden.

 

Die Straßburger Richter rügten vor allem die von den russischen Behörden eingeleiteten Steuerverfahren gegen Yukos für die Jahre 2000 bis 2003, die Berechnung der Strafgelder und die darauf folgenden Vollstreckungsverfahren. Auch habe die Konzernleitung nicht genügend Zeit gehabt, sich auf das Verfahren vorzubereiten. Mit diesem Vorgehen habe Russland die Grundrechte auf einen fairen Prozess und den Schutz des Eigentums verstoßen

.Ohne die anhaltende Berichterstattung und dem dadurch entstandenen politischen Druck, so Chodorkowski, wäre er womöglich nicht aus der Halt entlassen worden. Zu dem Gnadengesuch an Putin habe ihm unter anderem der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher geraten. Das Gesuch möchte Chodorkowski aber nicht als Schuldeingeständnis missverstanden wissen. Er habe sich nichts vorzuwerfen und nannte die Verbrechen, wegen derer er verurteilt worden war, "nicht existent".

 

Der Kremlgegner Michail Chodorkowski hat sich gegen einen Boykott der ersten russischen Olympischen Winterspiele ausgesprochen. Die Spiele in Sotschi seien ein "Fest des Sports" für Millionen von Menschen. Chodorkowski dankte Genscher und Kanzlerin Merkel für deren diplomatische Initiative. Ohne den Einsatz Merkels und die "Anstrengungen" Genschers wäre er nicht in Freiheit, so Chodorkowski. Nach Russland will er vorerst nicht zurückkehren. Er könne sich nicht ausschließen, dass ihm dort wieder der Prozess gemacht und dann seine Wiederausreise aus Russland verhindert werde.

 

"Wenn ich zurückkehre, könnten sie mich ein zweites Mal schon nicht mehr rauslassen, weil es formell viele Gründe gibt, für die man mich festhalten kann."

Michail Chodorkowski

 

Der Kampf um Yukos ist beendet

Er glaube, dass sich Kremlchef Wladimir Putin mit der Begnadigung auch deshalb leicht getan habe, weil er direkt nach Deutschland ausgereist sei, so Chodorkowski. Putin habe zehn Jahre lang über seine Freilassung nachgedacht, so Chodorkowski. 

 
 

 

Der 1963 geboren Ölmilliardär Chodorkowski geriet im Herbst 2003 in den Blickpunkt des weltweiten Medieninteresses, als er in einer Nacht-und-Nebel Aktion verhaftet wurde und aus seinem YUKOS-Konzern gedrängt wurde. Chodorkowski ist einer der Hauptprofiteure des Wildwest-Kapitalismus der 90er Jahre in Rußland, wandelte sich aber in den letzten Jahren u einem westlich orientierten Unternehmer, der seine Ölfirma Yukos zu einem der reichsten Unternehmen des Landes machte.

 

Der KPDSU- Komsomolsekretär auf geschäftlichen Wegen

Der Aufstieg von Chodorkowski beruht auf einem speziellen Privileg, das der kommunistischen Jugendorganisation KOMSOMOL zu Beginn der Perestroika gewährt wurde. Als einzige Organisation durfte Komosomol Transferrubel in Bargeld umtauschen und konnte damit Riesenprofite erzielen.

Als stellvertretender Komsomolführer seiner Universität erkannte Chodorkowski schnell die sich bietende Chance und gründete einen sog. "Wissenschaftliches Technikzentrum "(LINK), das Firmen technische Hilfe und Forschungen anbot. U.a. bekam er einen lukrativen Auftrag vom sehr reichen und führenden "Institut of High temperatures" (Präs.: Alex. Sheindlin).

Die Dienstleistungen wurden von den Instituten mit relativ wertlosen "Transferrubelnbezahlt, die Chodorkowski dann in Bar-Rubel, die de-facto 10 x mehr wert waren, umwandeln konnte. Die Gewinne gingen an die Wissenschaftler, an das Institut, an den Komsomol und an Chodorkowski.

Zahlreiche junge Wissenschaftler kamen zu Chodorkowski, um über seine Kanäle Dienste anzubieten und viel Geld zu verdienen. Alle beteiligten Seiten profitierten vom Austausch der Geldarten. Dieer Service war jedoch nur möglich durch sehr gute politische Kontakte.

 

Sehr profitable Import-/Exportgeschäfte

Chodorkowski ging noch einen Schritt weiter: Er sammelte alle verfügbaren virtuellen Gelder, um sie später umzuwandeln. Er fand Exportfirmen, die die virutellen Gelder in Auslandswährungen eintauschten. Chodorkowski kaufte im Fernen Osten große Holzmengen auf und bot den Firmen höhere virtuelle Beträge als die offiziellen Raten. Danach konnte er das Holz für Devisen exportieren.

Mit einigen Gefolgsleuten und Kommilitonen gründete er die MENATEP-Handelsgesellschaft, die mit sehr großem Erfolg die Nischen der Sowjetunion nutzte und mit Gütern aller Art handelte und profitable Arbitragegeschäfte tätigte. Besonders lukrativ war der Computerhandel: Er kaufte mit Devisen Computer im Ausland und verkaufte sie über seine Kooperative an Institute für virtuelle Rubel. Danach wandelte er die Gelder in echte Rubel um.

Der Bankier Chodorkowski

1990 nutzte Chodorkowski seine Handelsgewinne zur Gründung der Menatep-Bank. Sein schneller Aufstieg ist zu einem großen Teil auch auf die Gelder zurückzuführen, die die kommunistische Jugendorganisation Komsomol, die kommunistische Partei und staatliche Stellen ihm zur Verfügung stellten. So half zum Beispiel die staatliche Zhiltsotsbank Chodorkowski bei der Gründung seiner Bank und vergab ihm auch großzügige Kredite für seinen Computerhandel.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion zeichnete sich ab und die staatlichen Organisationen suchten nach Wegen, ihre Gelder zu sichern. Von Anfang an besetzte Chodorkowski den Aufsichtsrat mit einflußreichen Personen und baute auf allen Ebenen ein enges Beziehungsnetz zu staatlichen Behörden auf.

Dies sollte sich schnell auszahlen. Als autorisierte Bank für zahlreichen Regionalregierungen und die Stadt Moskau wickelte Menatep alle Banktransaktionen für diese Stellen ab, samt Verfügung über alle Depositen. Der größte Coup war jedoch die Verwaltung von 600 Mio$ des Finanzministeriums, Gelder mit denen Chodorkowski spekulieren konnte. Durch verzögerte Weiterleitung der Gelder konnte er riesge Gewinne mit Währungsspekulationen erzielen.

Mit einem großen Werbefeldzug wandelte er seine Mentep-Bank schon Ende 1990 in eine AG um und entwickelte sich damit zum Pionier des Finanzwesens. Das Öffentlichkeitsbild erschien im Ausland dennoch lange Zeit sehr trübe. Ein CIA Report von 1995 bezeichnete die Menatep-Bank als eine der korruptesten der Welt, mit engen Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Für US-Banken waren geschäftliche Kontakte mit der Bank untersagt.

Im Zuge der Voucher-Privatisierung konnten Chodorkowski und seine Partner sich über die ROSPROM-Holding Anteile an zahlreiche Firmen ehemaligen Staatsfirmen aus den Sektoren Chemie, Bau, Textil, Metalle und Öl sichern. 1996 startete Chodorkowski vergeblich den ersten feindlicher Übernahmeversuch in Russland. Sein Ziel war der größte Süßwarenproduzent "Roter Oktober".

 

Yukos Öl: Der (Räuber-)Deal seines Lebens

Die große Stunde des Michail Chodorkowski schlug 1995 mit dem berüchtigten "Aktien gegen Kredit"-Programm". Als Berater von Ölminister Wladimir Lopukhin (unter Gaidar) hatte er einen sehr wertvollen Einblick in die Strukturen der Ölindustrie erhalten und nahm bei der Privatisierung die Ölgesellschaft Yukos ins Visier.

Im Dezember 1995 kaufte seine Menatep-Handelsgesellschaft im Rahmen der Auktion von Yukos einen 45% Anteil für lächerliche 159 Mio $, nachdem die Konkurrenten wegen technischen Fehlern im Angebot nicht zugelassen wurden. Yukos saß zu diesem Zeitpunkt zwar auf einem 1,6 Milliarden $ Schuldenberg, doch unter diesem Berg lagen die größten Erdölserven Rußlands.

Weitere 33% erwarb Menatep direkt von der Regierung. Das Pikante: Die Bank, die die Auktion durchführte und den Zuschlag für Chodorkowski erteilte, war die Menatep-Bank. Besitzer: Michail Chodorkowski.

Das Besondere an diesem Deal war, dass Chodorkowski schon vor der Auktion sehr gute Kontakte zum amtierenden Yukos-PräsidentenMurawlenko aufgebaut hatte, der ihm für den Kauf von Yukos-Aktien sogar Kredit von Yukos gab. Mit anderen Worten: Chodorkowski kaufte den Yukos-Konzern mit Yukos-Geldern und mit Geldern des Finanzministeriums, deren Depositen seine Bank verwaltete.

 

Schmierige Geschäfte

Der Kern von Yukos waren die Produktionsgesellschaften Yuganskneftegaz (ab 1994 an der Börse) und später Samaraneftegaz. Diese Produktionsfirmen verkauften ihre Produktion zu sehr niedrigen russischen Preise an Vertriebsgesellschaften von Yukos, die dann zu Weltmarktpreisen verkauften und die Gewinne ins Ausland transferierten. Wie bei vielen anderen Konzernen, flossen die Gewinne aus den Kassen von Yukos auf ausländische Konten von Firmen, die die Yukos-Manager privat kontrollierten.

Als der amerikanische Milliardär Kenneth Dart mit 10% an der Produktionsgesellschaft Yuganskneftegaz einstieg und Rechte einforderte, trickste Chodorkowski ihn mit sehr zweifelhaften Methoden aus. Durch Ausgabe neuer Aktien, die nur von speziellen Offshore-Firmen der Yukos-Manager gekauft werden konnten, holte sich Yukos die fehlende Mehrheit zurück und transferierte dann die Werte des Konzerns auf Holdings im Ausland. Die Aktien des US-Investors waren nahezu wertlos.

Erst nach langjährigen Prozessen einigten sich beide Seite außergerichtlich. Auch der US-Ölkonzern Amoco war machtlos, als Yukos einen unterzeichneten Vertrag einfach nicht erfüllte und vor russischen Gerichten erfolglos blieb.

Freunde an den richtigen Plätzen

Chodorkowski suchte früh die Kontakte zum aufsteigenden Jelzin und 1990 wurde er der führende Wirtschaftsberater des langjährigen Premierministers Tschernomyrdin.

Die Menatep-Bank war eng verbunden mit solch illustren Namen wie Oleg Soskovets (Vize- Premier), Aleksander Korschakow (enger Vertrauter von Jelzin), Yuri Schafranik (ehemaliger Öl- und Gasminister) und Dubinin (Zentralbankchef)

Für Yukos waren die Energieminister und Gouerneure in ölreichen Regionen von großer Bedeutung.

  • Der "Rote Direktor" Leonid Filimonow, 1987-1991 Energieminister, wechselte 1999 zum Yukos-Konzern und stieg zum 1. Vizepräsidenten auf.
     
  • Yukos-Vizepräsident Sergej Generalow amtierte 1998/99 als Energieminister.
     
  • Der langjährige Menatep- und Yukos-Mann Boris Solotarjow ließ sich 2001 zum Gouverneur der Autonomen Region Evenk wählen, eine wichtige Ölregion, in der Yukos tätig war.
     
  • In der Ölregion Samara wurde der Präsident der Ölproduktionsfirmen von Yukos, Viktor Kazakow, 2000 zum Vize-Gouverneur gewählt.

Die Kontakte zu den Sicherheitskräften wurden durch den ehemaligen russischen KGB-Chef Iwanow abgedeckt, der 1998 als 1. Vizepräsident von Yukos antrat und zu den Kommunisten durch den alten YUKOS-Chef und Roten Direktor Sergei Murawlenko. Auch nach der Privatisierung blieb er bis 1996 Konzernchef und er hält bis heute Anteile am Yukos-Konzern (Ende 2004: 0,4% Anteil). Interessanterweise sitzt Murawlenko für die Kommunisten im Parlament.

 

Die russische Krise 1998

1997/98 brach der russische Markt zusammen und der Rubel sank ins Bodenlose. Zahlreiche große Banken mußten daraufhin Konkurs anmelden oder suchten Staatsunterstützung. Chodorkowski`s Menatep-Bank konnte einen 236 Mio $ Kredit bei ausländischen Banken nicht begleichen. Als Absicherung für den Kredit diente ein 30% Anteil an Yukos.

Doch Chodorkowski hatte die wichtigsten Werte schon vorher in Sicherheit gebracht, sehr zm Nachteil der Gläbiger und Anleger. Er entzog die Produktionsstätten und die Vertriebsfirmen durch ein kompliziertes Firmengeflecht der ursprümglichen YUKOS AG, sodass die eigentlichen Werte von Offshore-Firmen kontrolliert wurden. Die eigentliche Yukos AG, die als Absicherung diente, war nur mehr eine Hülle.

Yukos setzte alle Hebel in Bewegung, um die folgenden Ermittlungen erfolgreich zu verhindern. Die ausländischen Banken schrieben die Hälfte der Kredite ab und warfen ihre Yukos-Aktien zu niedrigen Preisen auf den Markt, wo sie im Stillen von einer Investorengruppe aufgekauft wurden: Menatep und Chodorkowski.

 

Vom Saulus zum Paulus

Das Öffentlichkeitsbild von Chodorkowski litt zunehmend unter seinen dubiosen Methoden. Er orientierte sich zunehmend an seinem amerikanischen Vorbild John D. Rockefeller, der Anfang des Jahrhunderts ähnlich beleumundet war. Wie Rockefeller zog er Public Relations-Manager zu Rate und engagierte sich in großem Stil im wohltätigen Bereich.

Chodorkowski spendete Millionen $ für Museen, Hospitäler, Universitäten und für seine "Open Russian Foundation". Er ließ nun auch seine Bilanzen nach westlichen Maßstäben prüfen und unterwarf sich freiwillig allen Regeln westlicher Aktiengesellschaften. Dadurch gewann er auch wieder das Vertrauen der Investoren und Anleger. Das Ergebnis: Ein rasanter Vermögenszuwachs und Anerkennung in den westlichen Welt.

Yukos verfügt über riesige Erölvorräte und fährt seit Jahren Milliardengewinne ein. Nur mit den Steuern nahm es Yukos nicht so genau. Dies sollte sich rächen.

 

Der Absturz des Gipfelstürmers

Putin hatte bei seinem Amtsantritt einen Deal mit den führenden Oligarchen ausgehandelt. Keine strafrechtliche Verfolgung der vergangenen Sünden, wenn sie sich aus der Politik heraushalten. Die Oligarchen Beresowski undGussinski hatten ihren großen Medienkonzerne große Freiräume für Kritik gegeben und mußten aus dem Land fliehen.

2003 mehrten sich die Anzeichen, daß Chodorkowski sich selbst als fähigen Nachfolger von Putin sieht. Er unterstützte auch freigiebig liberale Parteien, die in Opposition zu Putin standen und plädierte vehement für die Aufhebung von westlichen Investitionsbeschränkungen. Gegen den Willen der OPEC und zum Wohlwollen der USA hatte Yukos die Ölproduktion 2002 erhöht, um den Weltmarktpreis für Öl abzusenken.

Im Jahre 2003 verhandelte Chodorkowski auch über den potentiell größten Deal der russsichen Geschichte. Exxon, der größte Ölkonzern der Welt, sollte 40% an Yukos Oil übernehmen, ein Schritt, der für das autoritäre Regime von Putin nicht hinnehmbar wäre: Ein amerikanischer Konzern kontrolliert den Großteil des russischen Erdöls, des wichtigsten Devisenbringers.

Damit war Chodorkowski einen Schritt zu weit gegangen. Der Putin-Staat schlug mit aller Härte zurück: Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen zahlreiche Firmen des Konzern und verhaftete die Firmenführung, soweit sie verfügbar war.

Die schon zu 90% ausgehandelte Fusion von Yukos mit dem Konkurrenten Sibneft des Oligarchen Roman Abramowitsch wurde auf politischen Druck Ende November 2003 abgeblasen. Die Daumenschrauben für die Yukos-Manager und den Konzern wurden wöchentlich erhöht.

Nach weiteren Verhaftungen erhob der Staat ständig neue Steuernachzahlungen, addiert zu einer Forderung von 20 Milliarden $. Yukos wurden jede Möglichkeit genommen, die Steuern durch Firmenverkäufe zu begleichen. Schließlich wurde die profitabelste Ölförderfirma des Konzerns, Yugansneftegaz, vom Staat beschlagnahmt und im Dezember 2004 zu einer Auktion freigegeben.

Den Zuschlag erhielt zur Überraschung aller nicht der favorisierte staatliche Gasprom-Konzern. Gasprom zog sein Angebot zugunsten der völlig unbekannten Strohfirma Baikalfinansgrup zurück. Der Kaufpreis war mit dem Startangebot identisch: 9,37 Milliarden $, ein Bruchteil des wahren Firmenwertes. Nur wenige Tage später übernahm der staatliche ÖlkonzernRosneft die obskure Firma. Der starke Mann bei Rosneft, S.Bogdantschikow, ist ein enger Vertrauter von Putin und gilt als Hintermann für die Kampagne gegen Yukos.

Vermeintlich eine Überraschung, doch beim Blick hinter die Kulissen zeigt sich wieder der Gaspromkonzern. Die Auktionsfarce konnte die Eingentumsverhältnisse nur kurz verdecken. Hintergrund: Schon im Herbst 2004 verkündeten die beiden Konzerne Gasprom und Rosneft eine Fusion ihrer Ölinteressen zu Beginn des Jahres 2005 unter dem Dach von Gasprom.

Im Verlaufe dieser "Auktion" zeigten sich jedoch Risse im Regierungslager. Kreml-Berater Andrej Illarionow bezeichnete sie als „Schwindel des Jahres” und verlor daraufhin seine wichtigsten Posten. Nur noch Wirtschaftsminister German Gref, einer der letzten Wirtschaftsliberalen in hohen Posten, warnt weiterhin vor einer erneuten Verstaatlichung des Energiesektors.

Doch die Yukos-Affäre ist noch nicht beendet. Die alten Yukos-Aktionäre verklagen weltweit alle Firmen, Banken und staatliche Stellen, die sich an dem Deal beteiligen auf einen zweistelligen Milliarden $ Betrag. Dazu zählen u.a. auch Interessenten aus China und Indien.

Anfang Juni 2005 wurden Chodorkowski und Lebedev jeweils zu 9 Jahren Haft verurteilt. Der Sicherheitschef von Yukos, Alexei Pichugin, war zuvor zu einer Haftstrafe von 20 Jahren veruteilt worden. Zusammen mit dem flüchtigen Yukos-Hauptaktionär Newslin soll er er Anstifter für den Mord an einem populären Bürgermeister von Nefteyugansk, der 1998 nach einer Anti-Yukos Kampagne ermordet wurde. Der Ort ist eine der grossen Produktionsstätten von Yukos.

Im September wurde die Haftstrafe von Chodorkowski und Lebedev um ein Jahr auf 8 Jahre verkürzt. Chodorkowski wollte sich der Haftstrafe durch eine Kandidatur für die Parlamentswahlen entziehen. Durch eine schnelle Abwicklung des Revisionsverfahrens verhinderten dies die staatlichen Stellen und im Oktober wurden die beiden prominenten Häftlinge in Arbeitslager im hintersten Sibirien deportiert, 6000 km von Moskau entfernt nahe der chinesischen Grenze.

Yukos produzierte trotz widrigen Umstände weiterhin Öl und der Staat versucht weiterhin Verkäufe von Tochterfirmen und Vermögenswerte durch das Yukos-Management zu verhindern. So wurde auf litauische Stellen eingewirkt, um den Verauf von dortigen Vermögenswerten zu unterbinden. Im Juli 2005 erwirkte der Rosneft-Ölkonzern, der die wichtigste Yukos-Tochtergesellschaft Yukosneftegaz bei der Auktion Ende 2004 erworben hatte, die Beschlagnahmung eines 20% Anteils am Sibneft-Ölkonzern, der Yukos gehört.

Die eigentlichen Hintergründe des Yukos-Falles werden nun immer sichtbarer. Putin möchte wichtige Teile der Öl- und Gaswirtschaft, die bei der Privatisierung für einen Spottpreis verschleudert wurden, wieder unter staatliche Kontrolle bringen und mit Gasprom einen entsprechenden Konzern schaffen, der international den grossen Ölmultis Paroli bieten kann.

 

Die zur Last gelegten Steuertricks sind nach Expertenansicht in der gesamten Ölbranche üblich. Es ist durchaus legitim, dass der Staat an den Milliardengewinnen der Ölkonzerne adäquat teilhaben möchte und die hinterzogenen Steuern eintreiben möchte. Unter diesem Aspekt ist das Verhalten Putins nachvollziehbar. Putin stellt sein Vorgehen demnach auch als ein Durchsetzen der Rechtsstaatlichkeit dar.

Problematisch wird es jedoch durch die Tatsache, dass diese Steuerforderungen nicht gegenüber allen anderen großen Ölkonzernen erhoben werden. Auch in anderen Branchen wurden in grossem Stile diese Tricks angewandt. Das politisch motivierte Vorgehen gegen einen unliebsamen Oligarchen, der sich anschickt in die Politik zu gehen, gibt der ganzen Yukos-Affäre einen faden Beigeschmack.

Putin kann jederzeit selektiv gegen alle Oligarchen vorgehen, da alle ihre "Leichen im Keller" haben. Damit hat er schon den Großteil der Medienlandschaft auf regierungsfreundlichen Kurs getrimmt. Die Oligarchen haben ihre Lektion gelernt: Das Einmischen in politische Angelegenheit kann gefährlich werden. Und: Plötzlich zahlen alle grossen Konzerne wieder ihre Steuern.

 

http://www.netstudien.de/Russland/chodorkowski.htm#.UrbqSNLuKPP