Klassenjustiz segnet Ungleichbehandlung von  Leiharbeit ab 

Klaus Ernst (MdB, DIE LINKE):
Missbrauch durch Leiharbeit bleibt vorerst legal

"Das Urteil des BAG wird den Missbrauch durch Leiharbeit nicht beenden. Wer als Leiharbeitsbeschäftigter die Erwartung hatte, das Bundesarbeitsgericht würde endlich für Schutz vor dem missbräuchlichen Einsatz der Leiharbeit sorgen, wird weiterhin im Regen stehen gelassen. Jetzt ist der Gesetzgeber am Zug", so Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE, zur heutigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Es hatte darüber zu urteilen, ob ein dauerhaftes Leiharbeitsverhältnis zu einem Arbeitsverhältnis beim Entleiher führt. Ernst weiter:

"Mit seiner Entscheidung macht das Bundesarbeitsgerichts deutlich: Die Bundesregierung hat bei der Reform der Leiharbeit bewusst auf die Sanktionierung bei einem nicht vorübergehenden Leiharbeitsverhältnis verzichtet. Zwar hat das BAG den Gesetzgeber aufgefordert für Klarheit zu sorgen, doch zwischenzeitlich machen sich viele Unternehmen die derzeitige Regelungslücke zunutze: Sie gliedern Arbeitsplätze in eigene Leiharbeitsgesellschaften, um so Tarifverträgen für die Stammbelegschaft zu umgehen.

Auch die jetzt im Koalitionsvertrag vereinbarte Begrenzung der Überlassungsdauer auf 18 Monate ist völlig ungenügend. Rund die Hälfte der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter ist lediglich für drei Monate beschäftigt und hätte gar nichts von dieser Regelung. Soll Leiharbeit ernsthaft wieder auf die ursprüngliche Funktion zurückgeführt werden, Personalengpässe und Auftragsspitzen abzufangen, reichen drei Monate völlig aus. Die Spaltung ganzer Belegschaften in ein Zwei-Klassen-System wird so bestehen bleiben."

 

Nach einem am Dienstag verkündeten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) fehlt es an gesetzlichen Sanktionen, um den massenhaften Dauereinsatz von Leiharbeitern in Unternehmen zu beschränken. Der Gesetzgeber habe im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz bewusst auf Sanktionen für den Fall verzichtet, dass Leiharbeiter nicht nur, wie vom Gesetz angeordnet,  „vorübergehend“, sondern jahrelang Unternehmen überlassen werden.

 

Da auch  das Recht der Europäischen Union für diesen Fall keine „wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen“ vorsehe, ihre Bestimmung vielmehr den Mitgliedstaaten überlassen sei,  könne „angesichts der Vielzahl möglicher Sanktionen“ allenfalls der Gesetzgeber tätig werden, keinesfalls  die Arbeitsgerichtsbarkeit. So schpb das Gericht der Politik den Schwarzen Peter zu. 

 

Das Urteil war von Arbeitgebern  und  Gewerkschaften mit Spannung erwartet worden. Insbesondere die Gewerkschaften hatten gehofft, das Bundesarbeitsgericht werde die Lage der Leiharbeiter verbessern und entscheiden, dass sie nach längerem Einsatz von den entleihenden Unternehmen als Stammpersonal übernommen werden müssen.

Im zu Grunde liegenden Fall hatte ein IT-Sachbearbeiter gegen einen Krankenhausbetreiber in Süddeutschland geklagt,  der  neben mehreren Kliniken auch ein Leiharbeitsunternehmen führt.  Letzterer überlässt den Kliniken regelmäßig  Mitarbeiter bei vergleichsweise niedriger Entlohnung.

1000 Euro weniger Lohn

Der Kläger war drei Jahre lang – zwischen 2008 und 2011 – als Leiharbeiter tätig gewesen und verlangte nun neben einer höheren Vergütung vor allem eine Festanstellung bei dem Krankenhausbetreiber. Die Klage hatte er unter anderem damit begründet, dass sein Vertrag auf einer  verbotenen Arbeitnehmerüberlassung basiere, die Leiharbeitsfirma sei in Wahrheit nur eine „Scheinverleiherin“.

Der IT-Sachbearbeiter verdiente nach Angaben seines Anwalts rund 2000 Euro brutto im Monat, und damit rund 1000 Euro weniger als der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vorsehe.

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte der Klage stattgegeben.  Seine Entscheidung wurde nun vom BAG aufgehoben.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bedauerte die Entscheidung. „Das Gericht hat nicht für die erhoffte Klarheit gesorgt“, erklärte die Vizechefin von Verdi, Andrea Kocsis. Viele Arbeitgeber hätten Arbeitsplätze dauerhaft in eigene Leiharbeits-Firmen ausgegliedert, um die Geltung von Tarifverträgen zu umgehen. Wenn Dauerleihe ohne Konsequenzen möglich sei, blieben die betroffenen Beschäftigten im Ergebnis schutzlos.

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht vor, dass Zeitarbeiter künftig maximal 18 Monate an ein Unternehmen ausgeliehen werden dürfen. Diese Begrenzung der Überlassungsdauer müsse die Politik nun schnell umsetzen, um den unerträglichen Zustand in der Leiharbeit zu beseitigen, forderte Kocsis. Verdi werde weitere Fälle vor Gericht klären lassen, denn die BAG-Entscheidung sei nach geltendem EU-Recht zweifelhaft.

Die Entscheidung sei enttäuschend, sagte auch der Anwalt des IT-Sachbearbeiters Roland Gross dieser Zeitung. Der Gesetzgeber sei nun aufgerufen, bei einem Dauereinsatz von Leiharbeitern Sanktionen zu verhängen.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall begrüßte dagegen das Urteil. 

Namibia verbietet Leiharbeit

 

Ab dem 1. März diesen Jahres gilt in Namibia: Leiharbeit ist verboten. Was bereits im neuen Gesetz zur Arbeit (New Labour Act) im Juli 2008 festgeschrieben wurde, hat jetzt der Oberste Gerichtshof bestätigt. Die größte Leiharbeitsfirma Namibias, Africa Personnel Services (APS) hatte gegen das neue Gesetz geklagt – und verloren.

Das neue Gesetz stellt unter Strafe, dass „niemand gegen Entgelt eine Person anstellen darf, in der Absicht, sie einer dritten Partei als Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.“ So vertrat der Staatsanwalt die Auffassung, dass Leiharbeit ein gefährliches Mittel der Ausbeutung sei, die den Arbeitern ihre Würde nähme.

APS hatte das Oberste Gericht angerufen, um feststellen zu lassen, dass das neue Gesetz das Recht auf freies Wirtschaften unterhöhle. In Namibia sind rund 16.000 Menschen als LeiharbeiterInnen beschäftigt. Das Unternehmen APS ist das größte der Branche und hat mit rund 6600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwa zwei Drittel der namibischen LeiharbeiterInnen unter Vertrag. Der Anwalt des Unternehmens, Dave Smuts, argumentierte, dass APS lediglich dem weltweiten Trend folge, die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern flexibler zu gestalten, seiner Meinung nach eine notwendige Folge eines überregulierten und unflexiblen Arbeitsmarktes.

Leiharbeit ist moderne Sklaverei

Dem folgten die drei Richter des Obersten Gerichtshof nicht. „Nieder mit APS“, „Stoppt den Ausverkauf“ - begleitet von zahlreichen gewerkschaftlichen Protesten verkündete Richter Charles Parker: „Leiharbeit ist ungesetzlich und reduziert Menschen zu persönlichem Besitz.“ Er stellte fest, dass sich Leiharbeit nicht mit der Verfassung vereinbaren lasse. Sein Vergleich: „Eine Person, die in der Wirtschaft aktiv ist, zum Beispiel ein Bordell betreibt und dafür im Menschenhandel mitmischt oder in der Sklaverei, die kann sich nicht auf die Verfassung berufen und fordern, dass dies im Sinne der Freiheit des Handels und der Wirtschaft gedeckt sein muss.“ Leiharbeit sei seiner Auffassung nach nichts anderes als „moderne Sklaverei“.

Bereits seit einiger Zeit wurde das Thema Leiharbeit, die auch in Namibia zugenommen hatte, heftig diskutiert. So war das Unternehmen APS heftig kritisiert worden, nachdem es offen damit geworben hatte, dass Firmen keinerlei arbeitsrechtliche Schwierigkeiten mehr mit ihren Angestellten haben würden, da das Entleihunternehmen sich um alles kümmere. Richter Parker konstatierte dazu, im namibischen Recht sei kein Platz für eine dritte Partei zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. „Meiner Meinung nach schafft diese dritte Partei eine unakzeptable Situation, die keine Basis in unseren Gesetzen hat. Leiharbeit ist die Überlassung von Personen, als wären sie persönlicher Besitz.“

Leiharbeit in Namibia hat nach einer Studie des Labour Resource and Research Institute (LaRRI ) besonders in den vergangenen drei Jahren zugenommen. Die Wissenschaftler belegen, dass die versprochenen Maßnahmen zur Weiterbildung nichts als leere Versprechen sind. Alle befragten LeiharbeiterInnen verneinten, jemals eines der angekündigten Trainings angeboten bekommen zu haben.

Unternehmen übernehmen keine soziale Verantwortung für die Leiharbeitskräfte

Dementsprechend – und nach Aussagen verschiedener Manager – wird auf Leiharbeit in erster Linie zurückgegriffen, weil sie billiger ist. „Es gibt eben ruhigere Zeiten und Zeiten voller Auftragsbücher, in denen wir viele Mitarbeiter brauchen, meist ungelernte Kräfte“, beschreibt einer der Manager. „Deshalb beschäftigen wir nur weniger Leute permanent und bekommen dann zusätzlich Arbeiter über die Leiharbeitsfirma.“ Billiger sei für die Unternehmen außerdem, dass die Leiharbeitsfirma sich um den Arbeitsschutz und die Arbeitskleidung kümmere. „Leiharbeit erlaubt es den entleihenden Firmen, Arbeit in eine Ware zu verwandeln, die bestellt werden kann, ohne dass der entleihende Betrieb eine soziale Verantwortung für die Arbeiterinnen und Arbeiter übernehmen muss,“ konstatiert Herbert Jauch vom LaRRI. Und noch einen Vorteil besitzen den Aussagen der Manager nach die LeiharbeiterInnen: sie sind nicht organisiert und können als StreikbrecherInnen eingesetzt werden.

http://www.medienkombinat-berlin.de/artikel/namibia-verbietet-leiharbeit

http://www.fr-online.de/wirtschaft/zeitarbeit--bundesarbeitsgericht-begrenzt-leiharbeit-nicht,1472780,25582804.html