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NPD Mann Kai Uwe Trinkaus war in Thüringen als V-Mann aktiv 

Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages zum früheren NPD-V-Mann Kai-Uwe Trinkaus wollte im Herbst die Grünen-Spitzenpolitikerin Renate Künast anhören. Nach Informationen von MDR THÜRINGEN haben sich darauf die Obleute der Fraktionen vor wenigen Tagen in ihrer geheimen Sitzung verständigt. Der Ausschuss muss das auf der Sitzung am Freitag offiziell noch bestätigen.

 

Im Oktober 2007 veröffentlichte die Erfurter NPD eine Liste mit politischen Gegner_innen, die bei einem Angriff auf ein Nazilokal beteiligt gewesen sein sollen, mit der latenten Aufforderung, sich diese „asozialen Elemente der linken Szene“ vorzuknöpfen (JAPS berichtete). Die entsprechenden Daten lieferte, wie nun bekannt wurde, der Verfassungsschutz dem damaligen Erfurter NPD-Chef Kai-Uwe Trinkaus, der sich nun öffentlich als Spitzel enttarnt undgegenüber dem MDR ausgepackt hat.

 

Trinkaus war zwischen 2005 und 2008 führender Kader der Thüringer NPD. Er gilt als führender Kopf des Machtkampfes von 2007/08, der die etablierte NPD-Führung stürzen sollte (AGST berichtete: 12). Trinkaus scheiterte damals, wurde aus der NPD ausgeschlossen und trieb in anderen Naziparteien und -vereinen sein Unwesen (AG17/AGST berichteten:123). Im Rahmen der Enthüllungen des MDR, demgegenüber Trinkaus sich jetzt geoutet hat, um der Offenlegung von Geheimdienstakten im Rahmen der NSU-“Aufklärung“ zuvorzukommen, wurde deutlich, dass Trinkaus seine Kameraden von Mai 2006 bis zum Jahr 2010 bespitzelte. Durch das üppige Sold des Verfassungsschutzes (ca. 1000€ im Monat) finanzierte er die Nazizeitschrift „Bürgerstimme“, den NPD-Kreisverband, die Unterwanderung und Selbstgründung diverser Vereine und das NPD-Bürgerbüro.

Doch nicht nur das. Der Verfassungsschutz nutzte Trinkaus auch um Antifaschist_innen zu bekämpfen. So schleuste Trinkaus mit Wissen und unter Mithilfe des Verfassungsschutzes einen Spitzel in die Linke-Landtagsfraktion, deren Mentoren-Programm und die Jusos ein. Der interessanteste und vielsagendste Teil der neuerlichen Posse betrifft elf Antifaschist_innen, die am 23. Juni 2007 von der Polizei festgenommen wurden. Ihnen wurde vorgeworfen am Angriff auf ein Nazilokal beteiligt gewesen zu sein (RH Jena berichtete). Einige Monate später tauchten auf der NPD-Erfurt-Homepage die Namen der elf Antifaschist_innen auf.

 

Die Kameraden, die des Lesens mächtig waren, wussten, was sie mit diesen „asozialen Elementen der linken Szene“ tun sollten. Damals konnte nicht ermittelt werden, woher Trinkaus die Daten hatte. Nun wurde der Zusammenhang bekannt. Trinkaus erkundigte sich bei seinen Verfassungsschutz-Führern nach den Namen der Antifaschist_innen und bekam sie, mit der Blanko-Verfügung bzw. eigentlich vielmehr der suggestiven Bemerkung: „Was Sie daraus machen, ist Ihre Sache.“ Solche offensichtlichen Rechtsbrüche nähren die offene Vermutung, dass mit der NPD nur eine kriminelle Bande verboten werden soll, die durchaus auch weitgewhend fremdgesteuert ist . Nicht dass wir neuerdings ein Loblied auf den Rechtsstaat anstimmen wöllten, aber es gilt eben doch immer wieder festzuhalten, dass sich eine, nicht nur im Rechtsstaatssinn, kriminelle Vereinigung (der Verfassungsschutz), legitimiert durch das bürgerliche Recht, daran macht, Antifaschist_innen zu verfolgen und Nazistrukturen zu finanzieren.

 

Künast, die seit 2005 Grünen-Fraktionschefin im Bundestag ist, soll Auskunft über ein Grußwort geben. Um dieses wurde sie im Oktober 2007 vom Erfurter Sportverein "SV Vorwärts Erfurt" gebeten. Der Verein war ein Jahr zuvor unter anderem vom NPD-V-Mann Kai-Uwe Trinkaus mit gegründet worden. Das Grußwort von Künast an den Verein, von dessen rechtsradikalem Hintergrund sie nach eigenem Bekunden nichts wusste, wurde dann im Herbst 2007 auf der Internetseite der Thüringer NPD veröffentlicht.



Entsprechende Grußworte gab es damals auch von den Grünen-Politikern Volker Beck und Christine Scheel. Nach Recherchen von MDR THÜRINGEN besorgte der Neonazi-Sportverein auch Autogrammkarten des heutigen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) und des früheren CDU-Spitzenpolitikers Friedrich Merz. Sie wurden ebenfalls auf der NPD-Homepage veröffentlicht.

Erste Zeugen von der Linken

Der Ausschuss will unter anderem klären, ob Trinkaus seine V-Mann-Führer beim Thüringer Verfassungsschutz über die Aktion informierte und diese es dann versäumten, die prominenten Bundespolitiker zu warnen. Als erste Zeugen sollen die Thüringer Linkenpolitiker Susanne Hennig, Knut Korschewsky und Frank Kuschel vernommen werden.

Jetzt berichtet der Fraktionschef der Linken im thüringischen Landtag über zähe Verhöre von Zeugen im entsprechenden Untersuchungsauschuß.

Bodo Ramelow führt auf seiner Homepage aus: 

Dieser Trinkaus-Untersuchungsauschuss erfordert starke Nerven. Gestern saßen wir acht Stunden, davon sechs Stunden mit ein und demselben Zeugen. Dabei bekommen wir ziemlich erschütternde Einblicke in die Arbeit des Verfassungsschutzes.

 

Die Kurzfassung: „Quellenschutz“ geht über alles. Und wenn diese „Quellen“ Straftaten begehen, dann muss man das ignorieren, weil die „Quelle“ ja sonst austrocknen würde. Hauptsache keine Info an die Polizei, die Staatsanwaltschaft oder die Opfer der Verbrechen.

Das Erschütterndste an diesem Irrsinn ist die feste Überzeugung, in der er uns vorgetragen wird. Jeglicher Hinweis, was für eine fatale Wirkung dieses Handeln für den Rechtsstaat insgesamt und für die Opfer im Besonderen hat, perlt an unserem Zeugen ab. Es gibt keinerlei Empfinden für das Unrecht, das hier amtlich begangen wurde.
 

 

Gestern Abend hatte ich dann zum Glück noch einen Termin mit offeneren Gesprächspartnern. Der Fachschaftsrat Kommunikationswissenschaft der Uni Erfurt hatte mich zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Politik im Rhythmus der Medien“ eingeladen. Es war eine spannende Diskussion in einem Seitenraum des Doms – dem Auditorium Coelicum – mit dem Politikwissenschaftler Ulrich Sarcinelli, dem Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Donsbach und Matthias Gehler vom MDR Thüringen. 

Mit war es wichtig in der Debatte auf die wachsende Bedeutung der politischen Kommunikation über soziale Netzwerke hinzuweisen. Das ist ja auch als Fraktion unsere Reaktion auf die sich verändernde Medienlandschaft.

 

http://www.bodo-ramelow.de/nc/tagebuch/?tx_t3blog_pi1%5BblogList%5D%5BshowUid%5D=1419