Die Linke kritisiert Koalitionsvertrag als Bruch sozialdemokratischer Forderungen 

 
SPD bricht elementare Wahlversprechen

„Der von CDU/CSU und SPD vorgelegte Koalitionsvertrag zielt darauf ab, die anti-soziale, anti-ökologische und zu Recht abgewählte Politik der Vorgängerregierung fortzusetzen. Um die Einigung durch den SPD-Mitgliederentscheid zu bringen, haben die Verhandlungsführer einen dünnen, sozialen Deckmantel um das Paket gewickelt“, kommentierte Alexander Ulrich, Landesvorsitzender der Partei Die Linke Rheinland-Pfalz. Ulrich weiter:
„Mit der Zustimmung zu diesem Vertrag verrät die SPD den sozialdemokratischen Anspruch sozialer Gerechtigkeit. Wer die Kluft zwischen Arm und Reich, die Zwei-Klassen-Medizin, und prekäre Beschäftigung bekämpfen sowie die Energiewende vorantreiben will, muss für Steuergerechtigkeit sorgen. Die große Koalition stellt hingegen alles unter Finanzierungsvorbehalt, weil sie sich weigert, Reiche und Konzerne wieder stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen.“ 
Und selbst die Vereinbarungen unter Finanzierungsvorbehalt haben kaum etwas mit sozialdemokratischer Politik zu tun. Ulrich: „Einen verbindlichen Mindestlohn soll es ab 2017 geben. Das bedeutet festgeschriebenen politischen Stilstand bis zur nächsten Wahl. Die diskriminierende, populistische Ausländer-Maut wird kommen, das Betreuungsgeld bleiben und die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare weiter nur halbherzig betrieben werden. Die SPD entfernt sich mit diesem Vertrag weiter von ihren eigenen Werten.“
„Diese Regierung brauche eine starke Opposition. Die Linke wird ihre Rolle als Oppositionsführerin voll ausfüllen, der Regierung genau auf die Finger schauen und immer wieder eigene Initiativen einbringen. Wir werden auch die Zusammenarbeit mit außerparlamentarischen Gruppen verstärken, um möglichst effektiv für soziale Gerechtigkeit in Deutschland, der EU und global zu kämpfen“, sagte Ulrich.
 

Künftige Koalition plant Rolle rückwärts in der Gesundheits- und Pflegepolitik

Von Kathrin Vogler und Harald Weinberg






Die Pläne der Koalitionsrunde in der Gesundheitspolitik sind ein Schlag ins Gesicht der Versicherten. Statt Sonderbeitrag müssen die Versicherten jetzt mehr Zusatzbeitrag zahlen. Die Summe bleibt die gleiche. Es dürfte den Versicherten ziemlich egal sein, wie der Beitrag heißt, den sie zahlen müssen. Unterm Strich bleibt es auch unter SPD-Regierungsbeteiligung bei der Benachteiligung der Arbeitnehmerschaft. Die Arbeitgeber zahlen 7,3 Prozent. Die Versicherten zahlen 7,3 Prozent, dazu Zuzahlungen, Leistungen, die die Kasse nicht mehr zahlt, wirtschaftliche Aufzahlungen, wenn die Kasse zu wenig zahlt und obendrauf noch mehr als die Hälfte des Zahnersatzes. Und hierzu kommen dann nach dem Beschluss der Koalitionäre noch rund 10 Milliarden Euro Zusatzbeitrag sowie die Verantwortung, alle zukünftigen Kostensteigerungen alleine zu tragen. Wer da behauptet, dieser Koalitionsvertrag trage sozialdemokratische Handschrift, der sollte vielleicht selbst mal einen Arzt aufsuchen.

Selbst die einkommensabhängige Berechnung der Zusatzbeiträge ist nur scheinbar eine Entlastung der Bezieherinnen und Bezieher niedriger Einkommen oder Renten. Denn der Sozialausgleich, der bislang eine Überlastung dieser Menschen verhindern sollte, wurde komplett gestrichen. Langfristig, wenn Krankenkassen mehr als zwei Prozent Zusatzbeitrag von den Versicherten verlangen, sind gerade Menschen im Niedriglohnbereich schlechter gestellt als heute.

Wettbewerb um günstigsten Zusatzbeitrag führt zu Kasseninsolvenzen

Der Konkurrenzkampf unter den Kassen bleibt nicht nur bestehen; er wird verschärft. Wenn Kollegen auf der Gehaltsabrechnung sehen, dass der eine nur 20 Euro pro Monat Zusatzbeitrag zahlt, die andere aber 55 Euro, dann werden wie auch bisher Junge und Gesunde schnell die Kasse wechseln. Den Kassen mit vielen kranken Versicherten laufen damit die letzten Gesunden weg – eine Abwärtsspirale, an deren Ende Kasseninsolvenzen stehen. Also werden Kassen, wo sie es können, Leistungen ablehnen. Patientinnen und Patienten werden um Kuren, Therapien und Hilfsmittel kämpfen müssen. Das wird aber nicht nur die Versicherten klammer Kassen, sondern alle treffen. Denn es geht im Kassenkampf nicht nur um die Vermeidung von Zusatzbeiträgen – das wird nun keine Kasse mehr schaffen –, sondern um einen Wettbewerb um den günstigsten Zusatzbeitrag. Die künftigen Koalitionäre setzen so bewusst das Vertrauen in die Stabilität und die Qualität der solidarisch finanzierten Krankenversicherung aufs Spiel.

Dagegen ist nichts zu hören von Beitragsgerechtigkeit durch die Anhebung oder den Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze und von einer Einbeziehung von Kapitalerträgen. Und erst recht wird nichts an dem unsinnigen Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung geändert. Auch ist nichts zu hören von besseren Leistungen. Im Gegenteil: Als eine Drohung darf man wohl die Ankündigung einer "umsichtigen Ausgabenpolitik" verstehen.

Eine Milliarde in den Sparstrumpf statt in die Pflege

Wie faul der Kompromiss der Koalitionsverhandlung ist, zeigt sich auch in der Pflege. Der Pflegenotstand ist in Deutschland längst Realität. Der monatliche Eigenanteil der Pflegebedürftigen erhöht sich von Jahr zu Jahr. Mittlerweile wird nur noch deutlich weniger als die Hälfte der Gesamtkosten von der Sozialen Pflegeversicherung übernommen. Immer mehr Menschen werden von der Unterstützung ihrer Angehörigen abhängig oder müssen Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) beantragen.

Vor diesem Hintergrund ist die Beitragssatzerhöhung von 0,3 Prozent und das erst 2015 ein schlechter Witz – zumal davon nur 0,2 Prozent in der Pflegeversicherung ankommen. Damit sind die nötigen Verbesserungen für Pflegende und Pflegebedürftige oder gute Löhne für die Beschäftigten nicht zu finanzieren. Die restlichen 0,1 Prozent, immerhin über 1 Milliarde Euro im Jahr, sollen in einen Kapitalstock fließen, der in den Jahren ab 2035 aufgelöst werden soll.

Der Pflegenotstand findet jetzt statt und nicht erst am Sankt Nimmerleinstag. Eine Kapitalreserve für 2035 ist eine Schnapsidee. Stattdessen muss heute Geld bei den Pflegebedürftigen, ihren Angehörigen und den Beschäftigten ankommen. Die kapitalgedeckte Vorsorge kann den demographischen Wandel nicht bewältigen und der Kapitalstock kaum sicher angelegt werden. Die Finanzkrise zeigt, wie schnell eben noch als sicher geltende Anlageformen plötzlich unsicher werden.