Drohender „Energie-Kollaps“


 Die russische Tageszeitung „Kommersant“ schrieb am Mittwoch, Libyen stehe vor einem „Energie-Kollaps“. Die Situation sei nahezu revolutionär, die Gefahr eines faktischen Zerfalls des Landes nehme zu. Im Mittelpunkt des Machtkampfes stünden mittlerweile die strategischen Öl- und Gasvorräte. Die Regionen Cyrenaika und Fessan mit ihren reichen Vorkommen hätten sich geweigert, die Oberhand der Regierung in Tripolis zu akzeptieren. Warlords vor Ort seien dabei, selbständige Armeen aufzustellen.

„Die libysche Übergangsregierung kontrolliert derzeit eigentlich nur die Provinz Tripolitanien. Aber auch damit gibt es immer mehr Probleme. Die dortigen Berber-Stämme, die seit der Gaddafi-Zeit mehr kulturelle und politische Rechte fordern, werden aktiver (...). Vor einigen Tagen organisierten sie einen beispiellosen Streik in der Hafenstadt Mellitah, wo die nach Italien führende Gaspipeline GreenStream beginnt. Wegen des Streikes mussten die libyschen Behörden die strategisch wichtigen Lieferungen unterbrechen (…). Für die Regierung in Tripolis, die die Kontrolle über die Rohstoffe verliert, ist die Wiederaufnahe des Gasexports nach Italien nun eine Frage von Leben und Tod“, so der Kommentar.

„Äußerst kompliziertes Mosaik“

Der russische Nahost-Experte Jewgeni Satanowski äußerte sich noch pessimistischer. Er sagte im Interview mit der Agentur Itar-Tass: „De facto gibt es kein Land Libyen mehr. Einzelne Menschen, die genug Waffen haben, kämpfen um den Ölexport und um die Kontrolle über die Territorien.“

Diese Rivalität sei sehr kompliziert, denn in Libyen gebe es mehr als 200 arabische Stämme, aber auch territoriale Milizen und islamistische Gruppen – bis hin zu Al-Qaida-Anhängern. Und die Stämme bestünden dazu noch aus Clans. Die traditionelle geografische Gliederung mit den drei Großprovinzen Cyrenaika, Fessan und Tripolitanien sei vor diesem Hintergrund sinnlos. An ihrer Stelle gebe es eigentlich ein „äußerst kompliziertes Mosaik“. Libyen habe im Moment keinen starken Spitzenpolitiker, der die Stämme vereinigen könnte, so Satanowski.

Muhareb al-Gaddafi, ein Anführer der libyschen Exil-Opposition, hatte kürzlich im Gespräch mit STIMME RUSSLANDS gesagt: „Wohin geht das libysche Erdöl? Nach der so genannten Revolution forderten wir, dass nur libysche Konzerne die Ölvorkommen erschließen dürfen (…). Stattdessen verfügen fremde Konzerne nun über die Vorkommen und saugen unsere Ressourcen ungehindert ab. Folglich wurde nicht das Regime, sondern die Volksmacht in Libyen gestürzt. Nun haben die Libyer das begriffen und stehen gegen die neue Regierung auf.“
Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/2013_11_13/Kampf-um-Ol-und-Gas-De-Facto-gibt-es-kein-Land-Libyen-mehr-0852/
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