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Massenproteste gegen Hunger in Portugal - So schlimm war es noch nie

Vor allem unter den Demonstranten in der portugiesischen Hauptstadt machen Schreckensberichte über Hunger und Not die Runde. Dabei hat das Euro-Krisenland das Schwerste noch vor sich.

Im nächsten Jahr erlebt Portugal die größten Etatkürzungen seit 1977. Vor allem Beamte und Rentner soll es treffen.Die Austeritätspolitik  und der Sozialabbau soll gemäss neoliberaler Marktideologie strikt forciert werden. 

Portugal mache die schlimmste Phase seit 1974 durch, sagte Soares im Interview der Nachrichtenagentur "Agencia Brasil" schon vor geraumer Zeit . "Nie hat es so viel Arbeitslosigkeit, so viel Armut, so viel Elend und Verzweiflung gegeben", klagte der 88-Jährige. Reserveoffizier Vasco Lourenço, der der Bewegung der Streitkräfte angehörte, die das autoritäre Regime stürzte, bezeichnete die Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho als "eine Bande von Lügnern", die "den Sozialstaat zerstört".

Im Parlament rief Präsident Anibal Cavaco Silva unterdessen seinen sozialdemokratischen Parteikollegen Passos dazu auf, die Bekämpfung der Rekordarbeitslosigkeit von 17,5 Prozent zur Hauptaufgabe zu erklären. Man müsse die Erfolge der Sanierungspolitik anerkennen, aber "auch die Folgen sehen, die sich im Alltag in harter Form vor allem bei denen bemerkbar machen, die keinen Job haben".

Rentnerin Marques sagt der Agentur Lusa: "Ich habe die Salazar-Diktatur erlebt, so schlimm war es aber nie", schimpft die 86-jährige Deonilde Marques, die von ihrem 50 Kilometer entfernten Wohnort in Setúbal angereist ist, um am Protest gegen den neuen Sparhaushalt teilzunehmen. ,"Wie soll ich denn Geld fürs Essen übrig haben?". Mit ihrer 336-Euro-Rente müsse sie Gas, Wasser und Strom sowie auch Miete bezahlen.

 

Traditionell finden Protestdemos vor der Brücke des 25. April statt, die an die Nelkenrevolution von 1974 gegen die Salazar-Diktatur erinnert. "Die extreme Armut hat in Portugal stark zugenommen. Es gibt nicht nur immer mehr Arme, sondern die Armen werden ärmer und ärmer", klagt der Präsident des katholischen Hilfswerks Caritas, Eugenio Fonseca. Die Präsidentin der Hilfsorganisation Banco Alimentar, Isabel Jonet, weist darauf hin, dass "viele Kinder nur eine Mahlzeit pro Tag bekommen." Gleichzeitig werden die Superreichen immer reicher. 

Die Wirtschaftskrise dauert bereits 10 Jahre lang an. Die jüngsten Steuererhöhungen, Gehalts- und Sozialkürzungen haben ihr Übriges getan. Inzwischen sind nicht mehr nur die Gewerkschaften, die linke Opposition, die Hilfsorganisationen und die Kirche der Überzeugung, dass man den Bürgern des ärmsten Landes Westeuropas keine weiteren Opfer mehr abverlangen kann. Die Regierung in Lissabon hatte am Dienstag Einschnitte im nächsten Haushalt in Höhe von insgesamt 3,9 Milliarden Euro angekündigt.

Renten für Staatsbedienstete oberhalb von 600 Euro im Monat sollen um etwa zehn Prozent gekappt werden. Darüber hinaus sollen Kürzungen bei den Witwenrenten und die Heraufsetzung des Rentenalters von 65 auf 66 Jahre weitere Einsparungen in Höhe von 305 Millionen Euro ergeben.

In Rom kam es bei der Großdemonstration in Rom es zu Ausschreitungen.

 In Rom protestierten zehntausende Menschen gegen die Politik der Regierung. 16 Demonstranten wurden festgenommen, 20 Polizisten verletzt. 70.000 Menschen nahmen laut Organisatoren an den Demos teil; 50.000 waren es laut Polizei..

Ausschlaggebender Grund für die von den verschiedenen Protestbewegungen organisierten und den Gewerkschaften unterstützten Demonstrationen ist das Haushaltsgesetz der Regierung. Das wurde vorige Woche verabschiedet und sieht Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst, unter anderem eine Nullrunde bei den Beamtengehältern, vor. So sollen Steuerentlastungen bis zu 14,6 Mrd. Euro innerhalb von drei Jahren finanziert werden. Geplant sind auch Beschäftigungsanreize für jugendliche Arbeitnehmer - die haben jedoch noch keine konkrete Form angenommen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt beim Rekordwert von 40,1 Prozent. "Auch wir haben Recht auf Arbeit und eine Wohnung, auf eine Zukunft" war auf den Transparenten zu lesen. Unter den Demonstranten waren auch zahlreiche Schüler, also Minderjährige, zu finden. "Ein Signal, dass die Jugend in Bewegung gerät", kommentierte Soziologe Ilvo Diamanti den Protest.

Bei der Großdemonstration kam es auch zu Ausschreitungen. Vor Wirtschafts- und Finanzministerium steckten in- und ausländische Extremisten Mülleimer in Brand, Rauchbomben explodierten, Polizisten wurden mit Eiern beworfen.