1. EU  Grenzregime Frontex bekämpft friedliche Asylbewerber  

EU Außengrenzen 

Mit der Grenzagentur FRONTEX hat sich die Europäische Union einen Polizeiapparat aufgebaut, der zunehmend mehr Kompetenzen erhält

FRONTEX hat sein Hauptquartier in Warschau und führt Operationen an den Land-, See- und Luftgrenzen der EU durch. Hierfür stellen die 28 Mitgliedstaaten Personal und Ausrüstung zur Verfügung, darunter Helikopter, Schiffe, Nachtsichtgeräte oder andere Überwachungstechnik.

 

Vor Spanien wurde letztes Jahr beispielsweise ein Flüchtlingsboot mehrfach von der Küstenwache vorsätzlich überfahren, mehrere Flüchtlinge starben. Auch im Rahmen einer FRONTEX-Operation mit Beteiligung der Bundespolizei kam es schon zu Toten: Am griechischen Grenzfluss Evros schossen Beamte in mindestens zwei Fällen auf Schlauchboote, in denen Migranten übersetzten. Das deutsche Bundesinnenministerium stritt später jede Verantwortung ab (Panzergraben, Grenzzaun, Wachroboter und mehr deutsche Polizei)."

Angesichts solcher Tragödien und Alarmrufe ist es unter Humanitäts- Gesichtspunkten nahezu unvorstellbar, aber dennoch wahr: Just zum gleichen Zeitpunkt beschloss die rechtskonservative. sozialdemokratische und „liberale“ Mehrheit des EU-Parlaments ein neues Maßnahmepaket, um die Jagd auf Flüchtlinge technisch weiter zu perfektionieren und stärker zu zentralisieren. Mit 479 Stimmen bei 101 Gegenstimmen (vorwiegend von Linken und Grünen) und 20 Enthaltungen verabschiedeten die EU-Parlamentarier am 10. Oktober die Betriebsvorschriften für das neue EU-Grenzüberwachungssystem „Eurosur“ („European Border Surveillance System“).

Die erste Stufe dieses neuen Grenzüberwachungssystems soll bereits ab dem 2. Dezember dieses Jahres in Aktion treten, zunächst begrenzt auf die EU-Außengrenzen in Süd- und Osteuropa. Laut einem „Memo“ der EU-Kommission sollen ab diesem Datum zunächst folgende Staaten in das neue System einbezogen werden: Griechenland, Zypern, Malta, Italien, Frankreich und Spanien, aber auch Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Kroatien, Slowenien, die Slowakei, Polen, Estland, Lettland, Litauen und Finnland. Für den 1. Dezember 2014 ist die Einbeziehung von Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Schweden und den weiteren EU-Mitgliedstaaten vorgesehen.

Wie funktioniert das neue System? „Eurosur ist ein Kommunikationsnetzwerk, das die Erkennung, Vermeidung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung und grenzüberschreitenden Kriminalität verbessern soll“, heißt es dazu in einer am 10.10. veröffentlichten offiziellen Mitteilung des EU-Parlaments. Statt das Mittelmeer nur wie bisher mit einfachen Patrouillenbooten nach verdächtigen Flüchtlingsschiffen abzusuchen, soll mit „Eurosur“ die Überwachung auf den neuesten Stand der Technik angehoben und durch den Einsatz von Satelliten und Aufklärungsdrohnen verstärkt werden. Dafür wird zwischen den nationalen Grenzüberwachungsbehörden und der EU-Grenzagentur „Frontex“ ein „einheitliches Kommunikationsnetzwerk“ installiert, mit dem alle mit dem „Grenzschutz“ befassten Stellen der beteiligten Mitgliedstaaten miteinander vernetzt und „Informationen“ in Echtzeit ausgetauscht werden. Wenn ein verdächtiges Schiff gesichtet wird, kann „Frontex“ beispielsweise alle betroffenen nationalen Grenzschutzinstanzen entsprechend „informieren“ und damit zugleich zu Gegenmaßnahmen auffordern. Dafür sollen in den Jahren bis 2020 rund 250 Millionen Euro aus dem laufenden EU-Haushalt zur Verfügung gestellt werden.

Es gehört zum besonderen Zynismus der maßgeblichen EU-Politiker, dass sie bei der Behandlung dieses neuen Grenzüberwachungssystems im EU-Parlament nicht versäumten, auch die „Begründung“ nachzuschieben, dass damit nicht nur „illegale Einwanderung“, „kriminelle Schlepperbanden“, „Drogen- und Menschenhändler“ bekämpft, sondern auch in Seenot geratene Flüchtlinge schneller gerettet werden könnten.

Außerdem heißt es in den einschlägigen EU-Texten schon fast wie zum Hohn, dass die EU-Länder bei der Verwendung von Eurosur „stets die Menschenrechte achten“ müssen, Menschen nicht an einen Ort zurückschicken dürfen, an dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein könnte, die von der EU festgelegten Grundrechte einhalten und den „Schutz personenbezogener Daten gewährleisten“ müssen. Der Austausch personenbezogener Daten müsse „die Ausnahme bleiben“.

Als die Linksfraktion im EU-Parlament jedoch durch einen Abänderungsantrag den Versuch unternahm, die Rettung von Menschenleben aus Seenot als zentrales Ziel des neuen Überwachungs- und Kommunikationssystems festschreiben zu lassen, wurde dieser Antrag von der Parlamentsmehrheit natürlich abgewiesen. In Wahrheit wurde das „Eurosur“-System von der EU-Kommission bereits seit 2008 vorbereitet, als von Seenotrettungsfällen noch keine Rede war. Der Ursprung lag unbestreitbar in dem Bestreben, die EU-Außengrenzen gegen „illegale Einwanderer“ stärker abzuschotten. ( aus UZ 18.10.) 

Experten verwiesen inzwischen darauf, dass es mit dem neuen Überwachungssystem für Flüchtlinge nur noch gefährlicher und noch teurer werden dürfte, nach Europa zu kommen. Um die verstärkte Überwachung mit Satelliten und Drohnen zu unterlaufen, werde von den einschlägigen Schleppernetzen nur auf noch kleinere und damit noch unsicherere Boote umgeschaltet werden, die aus der Luft schwerer zu entdecken sind, und auch noch höhere Geldsummen als bisher verlangt werden.